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Spätes Debüt

Der bekannte Filmregisseur Woody Allen betritt Neuland: Er inszeniert erstmals eine Oper. In schwarz-weiß gehalten und mit einem skurril-nostalgischen Bühnenbild, ergibt sich ein ungewöhnliches Stück, das jedoch in Klischees verhaftet bleibt.

Von Thomas Migge | 29.06.2009
    Nachdem der Vorhang sich gehoben hat, erscheint auf einer Filmleinwand Woody Allen. Er entschuldigt sich dafür, dass er wegen Filmarbeiten in London nicht nach Spoleto, zur europäischen Premiere seiner ersten Opernregie, kommen konnte.

    Allen hofft, dass das italienische Publikum nicht zu kritisch mit ihm umgehen wird, denn, sagt er mit einer Unschuldsmiene, so wie er die italienischen Protagonisten in "Gianni Schicchi" darstelle, so sieht er sie halt, die Italiener.

    Im Anschluss an seine Worte strahlt Allen einen Filmvorspann mit Musik aus. In schwarz-weiß und in Lettern, die an neorealistische Filme der 50er Jahre erinnern.

    Dann hebt sich auch die Filmleinwand und James Conlon hebt seinen Taktstock. Das Bühnenbild, wie auch die Kostüme der 16 Sänger, ist in Schwarz-, Grau- und Weißtönen gehalten. Filmposter an den Seitenwänden der Bühne und die gesamte Einrichtung des Zimmers, in dem der reiche Florentiner Kaufmann Buoso Donati gestorben ist, und in dem seine Verwandten das Testament suchen, erinnert an eine typische Wohnung im südlichen Nachkriegsitalien.

    Doch auch wenn das Bühnenbild gefällt, ungemein gefällt - erinnert es doch an die aufwendigen und detailverliebten Bühnenbilder von Regisseuren wie Visconti und Zeffirelli – stört etwas.

    Es sind die vielen Kruzifixe und Madonnenbilder, die Rosenkränze und ein ganz bestimmter Kitsch, die an Little-Italy-Szenen aus amerikanischen Filmen erinnern, Stereotypen eines Italienbildes, das in den 50er und 60er Jahren in den USA und in Süditalien existierte – das es so aber in Florenz nie gab.

    Es sei denn, Woody Allen beabsichtigte Puccinis "Gianni Schicchi" in einer Familie süditalienischer Auswanderer, die nach Florenz gekommen sind, anzusiedeln. Doch in jenen Jahrzehnten gab es in der Toskana so gut wie keine Auswanderer aus dem Süden – die zogen nach Deutschland und Turin, aber nicht nach Florenz.
    Die Sänger wurden sorgfältig von Allen für die jeweiligen Rollen ausgesucht, darunter auch der theatralisch hochbegabte Sir Thomas Allen, er interpretiert auf meisterhafte Weise Gianni Schicchi.

    Allen geht es darum, die "furbizia", die Gerissenheit der Protagonisten herauszustreichen, die ja an das Erbe Buosos kommen wollen.

    Ein sehr italienisches Sujet, das Puccini aber nicht so übertrieben dargestellt haben wollte. Puccini siedelte die Handlung in Florenz an, um eben nicht das Sich-gerissen-durchs-Leben-mogeln und –gaunern nur den Süditalienern anzuhängen. Auch Florentiner, die sich dem restlichen Italien gegenüber immer als etwas Besseres fühlen, können "furbo" sein.

    Allens Inszenierung hingegen reproduziert Vorurteile, die Nichtitaliener so gern von Italienern haben.

    Die Inszenierung ist kurzweilig, ungemein unterhaltsam und gesanglich einwandfrei – wirkt aber zu plakativ, zu oberflächlich. Man fühlt sich an die Krimis der Amerikanerin Donna Leon erinnert, die ebenfalls mit gängigen Ideen den Italienern gegenüber jongliert und ihren Lesern Äußerungen entlockt wie: "So sind sie halt, die Italiener".

    Sätze, wie man sie auch nach Allens "Gianni Schicchi" in Spoleto von ausländischen Theaterbesuchern zu hören bekam. So sind sie halt: korrupt, gerissen, durchtrieben und umgeben von religiösem Kitsch.
    Die musikalische Leitung von James Conlon, er dirigiert das auch im Ausland bekannte Orchestra Verdi, begeistert: Dem Amerikaner gelingt es, sämtliche musikalischen Schattierung der melodienreichen Partitur hervorzuheben.