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''Spagat''

Nicht selten sind es Quereinsteiger wie der Autodidakt Horst Bachmann aus der Lausitz, die die Szene der DDR-Bildhauerei bereichert haben. Horst Bachmanns Künstlerleben ist das eines lebenslang kaum entdeckten Einzelgängers und erinnert dadurch ein wenig an das des großen Konstruktivisten Hermann Glöckner, der erst im Alter von fast achtzig Jahren seine erste große Einzelausstellung in einer Galerie – einer westdeutschen – hatte. Wie Glöckner fand auch Bachmann zu DDR-Zeiten so gut wie keinen Platz in den Sammlungen für Zeitgenössische Kunst. Das Museum Junge Kunst in Frankfurt/Oder, das sich insbesondere seit den späten siebziger Jahren zunehmend auch als Anwalt der Außenseiter des DDR-Kunstbetriebs verstand, kaufte kurz vor dem Zusammenbruch der DDR noch wesentliche Werke Bachmanns, der – Jahrgang 1927 – zunächst von der Malerei kam. Mitte der neunziger wurden diese Erwerbungen auch schon einmal in Frankfurt ausgestellt, ohne sonderliches Echo. Aber innerhalb der jetzt zu sehenden Präsentation von 55 Werken der DDR-Bildhauerei im Museum Junge Kunst bestätigt sich noch einmal der Glücksgriff, den das Museum mit Bachmann getan hat. Dessen Assemblage "Die Ikone des Tyrannen" von 1973 hebt sich in ihrer Eigenheit und Bildkraft von den meisten Werken seiner mitunter prominenten Kollegen in dieser Ausstellung so sehr ab, dass man über die Unbekanntheit dieses Künstlers immer wieder nur staunen kann. Bachmanns Werk fehlt jegliches Pathos in der Beschwörung abendländischer Künstler- und Bildtradition, mit dem sich die figürlichen Bildhauer in der DDR mitunter bis zur Selbstbeweihräucherung geschmückt haben –zugleich flüchten sich Bachmanns Arbeiten aber auch nicht in wegwerfende oder nur mehr ironische "Anti-Kunst". Auf einem alten, 1,70m langen Teppichstück, dessen verblassendes und staubiges Muster in Rot- und Blautönen wie ein irdenes Grab wirkt, erscheint Bachmanns "Ikone des Tyrannen" als eine Art großer Kritzelfigur auf Öl- und Acrylmalerei mit aufgenagelten Holzleisten und anderen kleinen Gegenständen, die farblich expressiv-verrätselt übermalt sind. Entfernt könnte man sich an einige atavistische Guachen von Willi Baumeister und auch an informelle Malerei denken, bedingt auch an frühe Arbeiten von Anselm Kiefer.

Von Carsten Probst | 26.03.2003
    Figuration in der DDR bedeutet, gemessen am großen Kanon, den diese Schau eröffnet, offenkundig den Versuch, eine klassische Formengebung und die Verwendung edler Materialen bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts in der Bildhauerei zu retten, insbesondere natürlich gegen die als beliebig und kunstlos empfundenen Tendenzen der westlichen Kunst. Armin Hauer, seit Jahr und Tag der nimmermüde Kurator der Museums Junge Kunst, unterstreicht die gleichsam instinktive Abwehr vieler Bildhauer der DDR gegen die, wie es oft gesehen wurde, "Legendenbildung" der modernen Avantgarden im Westen, die hätten glauben machen wollen, dass sie den Krieg überdauert hätten. Spätestens mit der sechsten Documenta in Kassel, als die nahende Postmoderne den Mythos der Avantgardekünste endgültig verschlang, hätten sich viele Bildhauer in der DDR in ihrem klassizistischen Konservatismus bestätigt gefühlt. Dies mag im übrigen auch erklären, weshalb es seit der Wende in vielen ostdeutschen Gebieten auch heute noch zwei Kunstszenen gibt, da man viel darauf hält, gegen die Übernahme durch den westlichen Kunstbetrieb resistent zu sein.

    Die Variationsbreite der Figürlichkeit reicht in der Ausstellung von programmatisch klassizistischen Versuchen aus den fünfziger Jahren, wie von Heinrich Drake, über Tendenzen aus den siebziger Jahren, die Figuration in Maßen zu revolutionieren und ihr einen expressiven bis abstrakten Beiklang zu geben, etwa bei Baldur Schönfelder. Ein Schwerpunkt der Sammlung des Museums liegt aber zweifellos in den achtziger Jahren, als sich die akademischen Konventionen infolge des Bitterfelder Weges auch offiziell zu lockern begonnen hatten und sich nun eine größere Variantenbreite zeigte. Von Fritz Cremer, dem erzkommunistischen Doyen der Bildhauerei der DDR, dessen bekanntestes Werk wohl noch immer das Buchenwald-Mahnmal ist, ist aus den achtziger Jahren unerwartet ein gekreuzigter Christus überkommen. Freilich aber kein sentimentales Alterswerk: Die Figur scheint sich fast mit einem Jubelschrei vom Kreuz zu lösen und herunterzuspringen und so dem Verlauf der christlichen Geschichte symbolisch ein Schnippchen schlagen zu wollen. Am anderen Ende der Formenskala tauchen plötzlich dada-inspirierte Arbeiten auf, wie von Dieter Tucholke, oder jene Richtung der Neuen Wilden, die mit Penck und Baselitz berühmte "Republikflüchtlinge" hervorgebracht hat. Frank Maasdorf, ein früher Gefährte und möglicherweise auch Inspirator der beiden, stellte in den Achtzigern demonstrativ unbeholfen behauene Holzfiguren her. Hans Ticha oder Frieder Heinze wiederum, die die Pop-Art-Version der DDR repräsentieren, sind ebenso längst bekannt wie der schon hinlänglich berüchtigte und nur schwer erträgliche Erotikkitsch von Peter Makolies, der unfreiwillig finstere Einblicke in die Männerphantasien in Dresdner Bildhauerwerkstätten liefert. Auch für eine Ausstellung über das Frauenbild in der DDR-Kunst konnte das Museum in Frankfurt/Oder vor wenigen Jahren schon reich aus seinem großen Fundus schöpfen. Die Zeit eines Teils dieser Werke ist offenkundig mit derjenigen der DDR abgelaufen. Die eines Horst Bachmann könnte aber durchaus erst noch kommen.

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