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Spagat zwischen Denkmalschutz und Sanierung

Die Energieeinsparverordnung für Gebäude wird Auswirkungen auf das Stadtbild haben. Klimaschutzbemühungen könnten mit dem Denkmalschutz kollidieren, meint die hessische Landeskonservatorin Roswitha Kaiser. Im Norden Deutschlands beispielsweise fürchteten Kollegen um die Tradition des Ziegelsteinbaus.

Roswitha Kaiser im Gespräch mit Mascha Drost |
    Mascha Drost: Was die Ausgaben für den Klimaschutz angeht, ist Deutschland weiter führend – in Zeiten von neu zu bauenden Kohlekraftwerken jedoch nehmen sich bestimmte Anstrengungen dann wieder schildbürgerlich aus – Gebäudedämmung etwa, die in den vergangenen Jahren immer wieder mit erschreckenden Vorher-Nachher-Fotos Schlagzeilen gemacht hat: Häuser mit Fassaden aus rotem Ziegel zum Beispiel, mit diskreten Holztüren vorher. Nach der Sanierung liegen die Türen und Fenster weit hinter einer charakterlosen weißen Fassade zurück, die man zur Wärmedämmung vor die alte gesetzt hat.

    EnEV heißt der Grund für solche merkwürdigen Vorgänge – Energieeinsparverordnung für Gebäude. Was den Handwerkern viel Geld in die Taschen spült, bringt Denkmalschützer und Stadtplaner auf die Palme: Sie sorgen sich um eine Verschandelung unserer Stadtbilder. Diesem Themenkomplex widmet sich auch eine Konferenz, die heute in Dortmund stattfand beziehungsweise in diesen Minuten endet. "Fachkonferenz Stadt und Energie: Die energetische Ertüchtigung der deutschen Städte" heißt der Titel. Und ich habe vorab mit der hessischen Landeskonservatorin Roswitha Kaiser gesprochen und sie gefragt: Inwiefern denn denkmalgeschützte Gebäude, für die es ja hohe Auflagen bei der Sanierung gibt, überhaupt von der Energieeinsparverordnung betroffen sind?

    Roswitha Kaiser: Im Wesentlichen ist die Energieeinsparverordnung natürlich auch für Baudenkmäler gültig. Aber Baudenkmäler und sonstige erhaltenswerte Bausubstanz, die können laut Paragraf 24 der Energieeinsparverordnung Ausnahmen erforderlich machen – und Ausnahmen immer dann, wenn entweder ihre Substanz oder ihr Erscheinungsbild beeinträchtigt werden könnten durch Maßnahmen der Energieeffizienzsteigerung.

    Drost: Denkmalschutz ist ja Ländersache in Deutschland. Gehen die Länder unterschiedlich um mit dem Spagat zwischen Denkmalschutz und Sanierung?

    Kaiser: Es gibt sicher Länderspezifika. Ich würde zum Beispiel denken, dass Baden-Württemberg den Klimaschutz sehr in den Vordergrund stellt. Und wenn man zum Beispiel jetzt die Gesetzesänderung in Schleswig-Holstein anschaut, die geplant ist, auch da soll dem Klimaschutz vor dem Denkmalschutz Priorität eingeräumt werden. Andere Länder wie zum Beispiel die bayrischen Kollegen haben da weniger Probleme und können sich da besser aufstellen.

    Drost: Welche Auswirkungen befürchten Sie denn für das Stadtbild deutscher Innenstädte, wenn die Energieverordnung weiter wie bisher umgesetzt wird, oder wenn manche Länder eben den Energieschutz vor den Denkmalschutz stellen?

    Kaiser: Im Wesentlichen reden wir von einem Bestand bis zu 25 Prozent in den Städten hier in Deutschland und in den Orten. Und insbesondere im Norden, wo es eine Backsteinkultur gibt, beispielsweise in Hamburg, wird das Erscheinungsbild und die ganze Kultur völlig auf den Kopf gestellt. Die Kollegen fürchten tatsächlich da sehr um ihre Tradition des Ziegelsteinbaus.

    Drost: Und da gibt es auch keine Handlungsspielräume bei der Sanierung, die bisher einfach noch nicht umgesetzt wurden?

    Kaiser: Doch. Inzwischen muss man sagen, sind zwei Dinge in der Diskussion: Erstens, dass man dieses Problem Energieeffizienzsteigerung ausweitet, ausdehnt auf städtebauliche Aspekte, auf planerische Aspekte. Dafür stand zum Beispiel dann auch die Diskussion in Quedlinburg, die es vor einigen Monaten gab, auch die Diskussion beim BDA, zuletzt mit dem Klimamanifest am 14.11. in Berlin vorgetragen. Auf der anderen Seite muss man konstatieren, dass auch die Förderpolitik sich momentan zu bewegen scheint. Die Vereinigung der Landesdenkmalpfleger, die wissenschaftlich-technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung, das Fraunhofer-Institut, das Deutsche Nationalkomitee, haben beim Bundesministerium für Bauen, Stadtentwicklung und Verkehr vorgetragen, dass sie eine andere Förderpolitik haben möchten, und ich denke, da ist Bewegung drin und da ist auch Bewegung drin, was anbelangt die Beratungsleistung, die notwendig ist, um Prozesse besser zu gestalten.

    Drost: Sie haben ja den städtebaulichen Kontext schon angesprochen. Die städtische Dichte, in der ja auch viele Altbauten sind, die mindert ja den Energieverlust erheblich, und die Tatsache wird auch wahrscheinlich oft nicht einberechnet, dass Abriss und Neubau oder Sanierung auch wieder Energie kostet. Müsste die Energiebilanz von Gebäuden vielleicht auch anders berechnet werden, auf diese Weise?

    Kaiser: Es gibt ja schon Ansätze und in Deutschland sind wir eher ja zunächst auf dem technokratischen Weg gewesen, also auf dem Weg der Zahlen, der Arithmetik. Die Schweiz beispielsweise geht völlig andere Wege. Sie hat auch Studien vorgelegt von Städten oder für Städte, die zeigen, wie nachhaltig der Baubestand im Altbauquartier mit dem Thema Energieeffizienz dasteht. Das heißt, dort gibt es tatsächlich dann auch Rahmendaten, die sagen, der Altbau ist nicht schlechter als der Neubau auf der grünen Wiese, der eben höchste Energieeffizienz hat.

    Drost: Wünschen Sie sich vielleicht auch eine Art Bürgerbeteiligung, wie wir das jetzt bei Stuttgart 21 gesehen haben, dass vielleicht auch Bürger für ihre Altbauten und für ihre Fassaden auf die Straße gehen?

    Kaiser: Das, denke ich, ist ein Prozess, der erst mal eine gewisse Bewusstseinsbildung voraussetzt. Aber wenn man gerade die Berichterstattung in den letzten Tagen in Funk und Fernsehen anbelangt, merkt man, dass die Bürger verunsichert sind, dass sie nicht mehr Glauben schenken, dass 20 Zentimeter Wärmedämmung-Verbundsystem sie tatsächlich dann freier von Energieimporten und deren Kosten macht.

    Drost: Die hessische Landeskonservatorin Roswitha Kaiser.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.