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Spamschleuder Facebook

Internet.- Wohl jeder Facebooknutzer hat auf seiner Startseite bereits Meldungen gelesen wie "Freundin X hat am Quiz teilgenommen, herausgekommen ist...". Hinter Nachrichten wie dieser stecken sogenannte Facebook-Anwendungen. Doch die sorgen bei Nutzern des Netzwerks für immer mehr Ärger.

Von Jan Rähm |
    Facebook ist das größte soziale Netzwerk der Welt. Facebook hat geschätzt mehr als 200 Millionen Benutzer und Facebook verdient ungefähr 500 Millionen Dollar pro Jahr. So steht es in einer Klageschrift, die am Gericht des nördlichen Distrikts von Kalifornien eingegangen ist. Angeklagt sind das Unternehmen Facebook und der Spielehersteller Zynga. Ihnen wird vorgeworfen, durch irreführende Werbung Benutzer von sogenannten Facebook-Anwendungen abgezockt zu haben.

    So auch Rebecca Swift. Sie hat schon viele der kostenlosen Facebook-Anwendungen ausprobiert. Beim Spiel "YoVille" hatte sie Pech. Von ihrem Konto wurden ein paar Hundert Dollar abgebucht. Nun ist Rebecca Swift Musterklägerin gegen Zynga und Facebook. In der Klageschrift heißt es:

    "Die populärsten Spiele bei den Anwendern sind Mafia Wars, YoVille, FarmVille und Poker. Die geschätzte Zahl der Spieler, die an Zynga-Spielen teilnehmen, beläuft sich auf über 40 Millionen."

    Hinter Yoville verbirgt sich ein Spiel, in dem sich Nutzer in Form von Avataren mit anderen Spielern treffen und neue Freunde kennen lernen können. Die Spieler können ihre Avatare neu einkleiden, sie in Wohnungen einziehen lassen und diese schön ausstaffieren. Doch für all das müssen die Spieler bezahlen – mit einer virtuellen Währung: YoCash. Yocash wiederum kann man kaufen – für echte, harte Dollar. Die Anwälte schreiben:

    "Auch wenn die Anwender die Spiele kostenlos spielen können, haben die Angeklagten verschiedene Wege entwickelt, die eigentlich kostenfreien Spiele in bares Geld umzuwandeln."

    Doch es gibt noch einen anderen Weg, an das virtuelle Zahlungsmittel zu kommen. Anwender wie Rebecca Swift bekommen im Spiel das Angebot eingeblendet, gewisse Dienstleistungen zu testen. Von der Benutzung einer Online-Videothek ist in der Anklageschrift zu lesen oder vom Testen irgendwelcher Vitaminpräparate. Rebecca Swift sollte gegen YoCash einen IQ-Test machen. Anschließend gab es dann noch ein Schnupper-Angebot: "Probieren Sie unseren grünen Tee – ganz ohne Risiko". Bei Nichtgefallen, so hieß es, könne Swift innerhalb von 15 Tagen kündigen. Trotzdem sollte sie ihre Kreditkartendaten eingeben, schließlich fielen sechs Dollar Versand an. Die Klageschrift dokumentiert:

    "14. Juli – Mrs. Swift bekommt ein "risikoloses Schnupperangebot von grünem Tee" im Spiel Yoville. 15 Tage Rückgaberecht – Mrs. Swift ist interessiert, akzeptiert die Versandkosten und tippt ihre Kreditkarten-Daten ins Formular."

    Wenige Tage später erhielt Rebecca Swift dann tatsächlich ein Päckchen mit grünem Tee. Nur: Trotz ihrer fristgerechten Kündigung per E-Mail wurden die Konten mehrfach mit Beträgen bis zu 100 Dollar belastet.

    Juni 2009 – Mrs. Swift kündigt den Test via E-Mail, nachdem sie eine Lieferung grünen Tees erhalten hat. Keine Reaktion vom Anbieter. Anfang Juli werden knapp 83 Dollar abgebucht. Zwei Wochen später eine erneute Abbuchung. Diesmal sind es fast 90 Dollar.

    Mit der Klage gegen Zynga und Facebook soll ein Präzedenzfall geschaffen werden. 100.000 Geschädigte soll es geben. Nicht ganz klar ist, ob die Anwender ihre Daten freiwillig verraten haben oder ob Facebook die Kreditkartendaten herausgegeben hat. Darum ist das Netzwerk mitangeklagt. Aber vor allem der Spielehersteller Zynga muss sich schwere Anschuldigungen gefallen lassen.

    "Die meiste, wenn auch nicht alle Online-Werbung in Zynga-Spielen ist Abzocke",

    schreibt das klageführende Anwaltsbüro. Zynga ist noch nicht lange im Geschäft – erst im Juli 2007 wurde das Unternehmen gegründet. Schon jetzt soll es bis zu 84 Millionen US-Dollar pro Jahr mit den kostenlosen Spielen einnehmen. Der Wert der Firma scheint immens. Zum Vergleich: Das kleinere Konkurrenzunternehmen Playfish wurde vor kurzem für geschätzte 400 Millionen Dollar vom Spiele-Riesen EA gekauft.

    Und Facebook? Die Kläger werfen dem Netzwerk vor, an den Werbe- und Angebotseinblendungen in den Zynga-Spielen ebenfalls zu verdienen. Zwischen 50 und 100 Millionen US-Dollar sollen es laut Klageschrift sein – pro Jahr. Ob Facebook direkt an der Abzocke der Nutzer beteiligt war, wird das Gerichtsverfahren klären müssen.

    Die Anwendungen – und somit auch die Spiele – können von jedem Entwickler in Facebook integriert werden. Eine Kontrollinstanz gibt es nicht. In den Entwicklerrichtlinien heißt es lapidar: Entwickler - sei Vertrauenswürdig, spamme nicht und hintergehe den Nutzer nicht. Doch da die Spiele und andere Facebook-Anwendungen auf externe Seiten führen, ist fraglich, ob die Klage Erfolg hat. Facebook und Zynga müsste nachgewiesen werden, dass sie von den Abzockfallen gewusst haben und beteiligt waren.

    Der vorliegende Fall zeigt: Soziale Netzwerke geraten mehr und mehr in den Fokus krimineller Machenschaften. Der Erfolg ist durch das Prinzip der Netzwerke begründet: Denn wenn ein Freund eine Anwendung empfiehlt, kann die ja eigentlich nicht schlecht sein. Er hat sie ja selbst genutzt. Doch die Profile vieler Freunde sind heute schon entweder gefälscht oder gehackt. Und so stehen Spam und Abzocke Tür und Tor offen.