Es ist keine einfache Aufgabe für Mariano Rajoy. Auf der einen Seite muss Spaniens Regierungschef seinen eigenen Anhängern Entschlossenheit gegenüber den katalanischen Separatisten demonstrieren, auf der anderen will er nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen:
"Der Staat wird auf keines der politischen und juristischen Instrumente verzichten, die ihm die Verfassung und die Gesetze zur Verteidigung der spanischen Souveränität und der allgemeinen Interessen der Spanier gewähren.
"Der Staat wird auf keines der politischen und juristischen Instrumente verzichten, die ihm die Verfassung und die Gesetze zur Verteidigung der spanischen Souveränität und der allgemeinen Interessen der Spanier gewähren.
So lange ich Regierungschef bin, wird Spanien eine Nation freier und gleicher Bürger sein. Wir alle, ich unterstreiche, wir alle, unterstehen dem Gesetz und den Gerichten."
Aber gerade den gegenwärtigen gesetzlichen Rahmen, Spaniens Verfassung, wollen die Separatisten in Katalonien nicht mehr anerkennen. So steht es ausdrücklich in ihrer Resolution, die das regionale Parlament in Barcelona mit großer Wahrscheinlichkeit heute verabschieden wird. Spanische Politiker sprechen von einem Aufstand, einem Putsch. Lluis Oriols, katalanischer Politologe, der an der Carlos-III-Universität in Madrid lehrt, sagt:
"Aus juristischen Gründen ist das wirklich schwerwiegend, auch wenn es nur eine Resolution ist. Aber vielleicht sollte man doch aber besser abwarten, bis das katalanische Parlament tatsächlich ganz konkrete Dinge beschließt.
Im Augenblick ist das ja nur eine Erklärung. Das ist schon eine große Herausforderung. Die Unabhängigkeitsbefürworter wollen die Spielregeln ändern, aber man lässt sie nicht."
Kein einheitlicher Block
Einen einheitlichen Block bilden die Separatisten jedoch nicht. Der Resolutionstext hat im katalanischen Kabinett zu einer hitzigen Debatte geführt, berichten katalanische Zeitungen. Spaniens Regierung sollte darum nicht überreagieren, rät Oriols. Doch manche spanische Minister denken offenbar darüber nach – zumindest im kleinen Kreis - , den autonomen Status Kataloniens ganz aufzuheben. Diese Möglichkeit sieht die Verfassung ausdrücklich vor.
"Es wundert mich nicht, dass sie sagen, dass sie es nicht ausschließen. Das wäre dumm, wenn man so eine Möglichkeit hat und ankündigt, sie auf keinen Fall nutzen zu wollen. Aber es wäre so eine Art roter Knopf, die letzte Möglichkeit. Es würde nur zu noch mehr Konfrontation führen. Während es für Spanien eigentlich notwendig wäre, den Druck aus dem Kessel ein wenig rauszunehmen, statt das Feuer noch weiter aufzudrehen."
Spanien sollte selbst in die Debatte um die Unabhängigkeit einsteigen, meint der Politologe. Vorschläge dafür liegen bereits auf dem Tisch, wie etwa der Umbau des Landes zu einem echten Föderalstaat. Doch Ministerpräsident Rajoy ist eine Verfassungsdebatte unter Druck der Drohungen aus Katalonien viel zu riskant. Letztlich, so Oriols, diskutieren die Anhänger der Unabhängigkeit darum nur mit sich selbst:
"Sie bestimmen die Agenda und die Themen. Die andere Seite verweigert sich. Und wenn der Staat schlicht sagt, dass es nie so weit kommen wird, diskutiert in Katalonien auch niemand darüber, was nach einer Entscheidung für die Unabhängigkeit passieren soll. Das ist für viele reine Fiktion. Es geht immer nur um einen Wunsch, aber ohne Folgen."
Verfassungsklage geplant
Unterdessen bereitet die spanische Regierung bereits eine Verfassungsklage gegen die Resolution vor. Spaniens Grundgesetz ist in dieser Frage unmissverständlich, "es fußt auf der Unteilbarkeit der spanischen Nation, dem gemeinsamen und unteilbaren Vaterland aller Spanier", heißt es darin wörtlich. Diesem Text hat 1978 auch eine große Mehrheit der Katalanen zugestimmt. Die Verfassung lässt den Richtern folglich keinen Spielraum, eine solche Resolution müsste für nichtig erklärt werden, sagt die aus Barcelona stammende Verfassungsrichterin Encaranción Roca im Interview mit dem spanischen Rundfunksender Cadena Ser.
"Wir müssen der Verfassung folgen und nicht verfassungskonforme Entscheidungen aufheben. Wir haben da keine andere Wahl. Und das Parlament ist dazu verpflichtet, die Verfassung einzuhalten. Im Plenum des Verfassungsgerichts sitzen übrigens Richter ganz unterschiedlicher Strömungen, darunter auch zwei Katalanen. Daran möchte ich noch einmal ausdrücklich erinnern."
Erwartete Neuwahlen
Gut möglich, dass die Resolution auch aus noch einem weiteren Grund ohne praktische Folgen bleibt. Katalonien hat auch sechs Wochen nach der Regionalwahl immer noch keine neue Regierung. Denn der amtierende Regierungschef Artur Mas hat immer noch keine Mehrheit hinter sich, die kleinere der Unabhängigkeitsparteien, die Protestpartei CUP, will ihn nicht im Amt bestätigen. Man rechne daher mit Neuwahlen im neuen Jahr, sagt ein hochrangiger Regierungsvertreter.