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Spanien
Proteste gegen Sparpolitik der Regierung

Zehntausende Menschen haben in Madrid gegen die Sparpolitik der spanischen Regierung protestiert. Aufgerufen dazu hatten die beiden größten Gewerkschaftsverbände im Land. Die Demo stand unter dem Motto "Die Menschen und ihre Rechte kommen zuerst".

Von Oliver Neuroth | 18.12.2016
    Demonstrationen in Madrid gegen die Sparpolitik der Regierung (18.12.2016).
    Demonstrationen in Madrid gegen die Sparpolitik der Regierung. (dpa / picture alliance / Luca Piergiovanni)
    Ein Meer aus roten Gewerkschaftsfahnen in der Innenstadt von Madrid. Dazu Trommeln und Pfeifen. "Die Menschen und ihre Rechte kommen zuerst" steht auf einigen Plakaten, es ist das Motto der Demo. Auf anderen ist nur ein einziges Wort gedruckt: "No!", "Nein!" - daneben das Bild einer Schere, ein Symbol für die Sparmaßnahmen der spanischen Regierung.
    "Wir wollen Druck auf die Regierung ausüben. Wir sind gegen die ganzen Einsparungen, unter denen viele Arbeitnehmer sehr leiden müssen. Deshalb wollen wir mit der Regierung reden, um die Rechte zurückzubekommen, die wir vor der Krise hatten", sagt Rafael, einer der Demonstranten. Ihm ist es vor allem wichtig, dass die konservative Regierung ihre Arbeitsmarktreform von 2012 wieder zurücknimmt. Für Unternehmen wurde es dadurch unter anderem leichter, Mitarbeitern zu kündigen - auch solchen, die seit vielen Jahren in einer Firma gearbeitet haben. So wie Rafael. Er war 23 Jahre lang bei einem skandinavischen Industriekonzern beschäftigt - seit kurzem ist er arbeitslos: "Die Firma hat 56 Arbeiter auf die Straße gesetzt und das spanische Werk komplett geschlossen. Was passiert nun mit mir? Ich bin 50 Jahre alt und hab‘s jetzt sehr schwer, hier in Spanien einen Job zu finden."
    Wirtschaftlicher Aufschwung kommt nicht an
    Nach Angaben der Gewerkschaften geht es so tausenden Spaniern. Sie beklagen, dass bei den Menschen der wirtschaftliche Aufschwung nicht ankommt - das sei der Nährboden für einen großen sozialen Konflikt im Land. Die Wirtschaftsleistung Spaniens hat in diesem Jahr um gut drei Prozent zugelegt - dennoch liegt die Arbeitslosenquote immer noch bei rund 19 Prozent und damit doppelt so hoch wie der EU-Durchschnitt.
    Pepe Alvarez, Generalsekretär des Gewerkschaftsverbandes UGT, fordert mehr Gerechtigkeit: "Das Land wächst. Jeden Tag gibt es mehr reiche und mehr arme Menschen. Der Reichtum muss aufgeteilt werden. Wir müssen in der jetzt beginnenden neuen Amtszeit der Regierung dafür kämpfen, dass wir unsere Rechte zurückbekommen."
    Gewerkschaften fordern mehr Gehalt und höhere Pensionen
    Die Gewerkschaftsverbände verlangen, dass Gehälter und Pensionen steigen. Arbeit müsse sich wieder lohnen und vor Armut schützen. Vor knapp einem Monat hatten sich die Gewerkschaftschefs mit Ministerpräsident Rajoy getroffen und ihre Forderungen vorgetragen. Die Runde ging ohne Ergebnis auseinander. Rajoy sagte, er sei zwar verhandlungsbereit - werde aber keinesfalls die Sparauflagen der Europäischen Union missachten.
    Für die meisten Demonstranten steht fest: Eisernes Sparen, so wie es Brüssel anordnet, hilft den Menschen nicht weiter. Rafael hält es für dringend notwendig, dass der Mindestlohn in Spanien steigt. Er liegt im Moment bei unter vier Euro pro Stunde - also weniger als die Hälfte des deutschen Mindestlohns. Rafael: "Fast alle neuen Jobs sind prekär. Niedrige Gehälter, sehr kurze Vertragslaufzeiten - all das muss geändert werden. Es ist gar nicht so schwierig, die Verhältnisse in Spanien zu verbessern."
    Die Gewerkschaften jedenfalls kündigen an, genau dafür weiter zu kämpfen - und dass diese Großdemo in Madrid nicht die letzte gewesen sein soll.