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Spanien rüstet sich zum Jubiläumsjahr seines Lieblingshelden

Vor knapp 400 Jahren hat ein gewisser Miguel de Cervantes Saavedra ein Buch über einen netten Verrückten, der sich für einen Ritter hielt, herausgebracht: "El ingenioso Hidalgo Don Quixote de la Mancha" oder auf Deutsch: "Der sinnreiche Junker Don Quijote von La Mancha". Spanien nimmt 2005 das Jubiläum eine der berühmtesten Rittergesalten der Literatur zum Anlass für "gobale Feierlichkeiten".

Von Gregor Ziolkowski |
    Es soll in Spanien nicht wenige Menschen geben, die den Don Quijote für eine reale historische Gestalt halten. Viel weiter kann es eine literarische Figur eigentlich nicht bringen. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass der 400. Geburtstag des Helden in seiner Heimat ein ganzes Jahr lang gefeiert werden soll. Soviel Lust an einer Dauerparty wird zusätzlich befeuert durch den Umstand, dass es Derartiges noch nie gegeben hat.

    Zum 100. und zum 200. Jubiläum kam offenbar niemand auf die Idee, ein Fest zu veranstalten. Und das 300. Jubiläum wurde zwar begangen, aber so richtig wollte keine Stimmung aufkommen: gerade erst hatte man mit dem Verlust der letzten Kolonie den langen und endgültigen Niedergang vom Weltreich zum rückständigen Agrarland hinnehmen müssen, die geistige Krise in diesem Moment war enorm.

    Jetzt ist das ganz anders, selbst die sublimierten Weltreichträume haben ihren Platz gefunden in der Zufriedenheit über den ungebremsten Expansionsdrang der spanischen Sprache in der Welt. Don Quijotes Ausfahrten nehmen im Jubiläumsjahr denn auch globale Dimensionen an, wie die spanische Kulturministerin Carmen Calvo bei der Vorstellung des Jubiläumsprogramms der Regierung betonte.

    Wir legen in besonderer Weise Wert auf unsere Aktivitäten außerhalb Europas und Lateinamerikas. Das betrifft vor allem die USA. Hier fühlen wir uns als Kultur, aber auch als Land in der Verantwortung gegenüber dem spanischsprachigen Teil der Bevölkerung, der wächst und der sozial und politisch an Bedeutung gewinnt. Es wird Veranstaltungen auf dem afrikanischen Kontinent geben, bedingt durch den Aufenthalt von Cervantes in Oran, in Algerien. Wir werden in mehreren asiatischen Städten präsent sein, und von besonderer Symbolik ist für uns ein Auftritt in einer bedeutenden Stadt der arabischen Welt.

    Die Vagheit mancher Ankündigung lässt es erkennen – vieles von dem, was da passieren soll, ist noch nicht sehr konkret. Aber es gibt ein ministerielles Rahmenprogramm, das ein Dutzend größerer Ausstellungen, vier Opern- bzw. Orchesteraufführungen, ein weiteres Dutzend Kongresse und Vortragszyklen sowie Filmreihen und Theaterinszenierungen enthält.

    Das war das, was in sieben Monaten Amtszeit zu stemmen war, sagt die Ministerin, und in der Tat ist es kein Geheimnis, dass die Vorgängerregierung keine allzu detaillierten Planungen für das Quijote-Jahr hinterlassen hat. Auf diese Weise ist noch reichlich Raum für Improvisationen, und der 15-Millionen-Euro-Topf, den das Kulturministerium für die Feierlichkeiten reserviert hat, offenbar noch so voll, dass Carmen Calvo alle Welt – Privatperson oder Stadtverwaltung – auffordern konnte, Ideen und Projekte einzureichen. Man werde alles wohlwollend prüfen und dann über eine Beteiligung des Ministeriums befinden.

    Beteiligung, das ist das Zauberwort, denn das Kulturministerium versteht sich als Inspirator und Koordinator und im gegebenen Fall als Mitfinanzier. Durch Sponsoring und Ko-Finanzierung durch andere Institutionen wird die Party-Kasse deutlich aufgebessert. Allein der Tourismus-Sektor ist auf das Event "Quijote-Jahr" natürlich nur allzu willig aufgesprungen. War da noch was? fragt sich da mancher wie der Literaturwissenschaftler Joaquín González Cuenca.

    Der "Quijote" ist ein Buch! Ich habe den Vorschlag oft genug gegenüber zuständigen Stellen gemacht: Gebt mir nur etwas Geld, ich stelle mit meinen Schülern ein Programm auf die Beine, das praktisch überall im Land immer freitags von sieben bis zehn kommentierte Quijote-Lesungen anbietet.

    Es sind die Stimmen derer, die befürchten, bei allem Spektakel komme das Eigentliche zu kurz. Das ist – trotz zahlreicher Neuausgaben des Buches von der Prachtausgabe mit Illustrationen von Eduardo Arroyo bis zum 1-Euro-Schmuddeldruck – ein ernstzunehmender Einwand. 400 Jahre haben eine beträchtliche Distanz geschaffen. Der Text ist heute schwer zugänglich und unkommentiert kaum verständlich. Sein Status als Klassiker ist – gerade unter jüngeren Leuten – eher eine Bürde als eine Werbemaßnahme. Und die letzte PISA-Studie ließ vor allem in der Rubrik Lesefähigkeit die spanischen Schüler sehr schlecht aussehen.

    Man kann nicht behaupten, dass solche Einwände ungehört verhallen würden. Das Kulturministerium hat sein Leseförderungsprogramm für 2005 deutlich auf 40 Millionen Euro aufgestockt und die Mittel für Bibliotheken ebenfalls deutlich erhöht. Und bereitet derweil die Party vor in der Hoffnung, dass auch ein Fest die Leselust steigern kann.