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Spanien
Rumänen willkommen

Während in Deutschland eine Diskussion über den "Sozialtourismus" aus Osteuropa entbrannt ist, sind Rumänen in Spanien gern gesehene Einwanderer, die den spanischen Sozialstaat mitfinanzieren. Für die Sorgen der Deutschen hat man hier wenig Verständnis.

Von Hans-Günter Kellner | 15.01.2014
    Transsilvanien heißt das Restaurant in einem alten Arbeiterviertel in Alcalá de Henares bei Madrid. Ganz in der Nähe steht eine rumänisch-orthodoxe Kirche. Und Rumänisch sprechen auch viele Mütter, die vor der Schule auf ihre Kinder warten. 18.000 Rumänen leben in Alcalá de Henares, einer davon ist Mitica Tonescu. Er kam 1998 aus dem rumänischen Siebenbürgen, erzählt er im Büro seines kleinen Bauunternehmens. Er und seine Landsleute seien keine Last für ihre neue Heimat, ist sich Mitica sicher:
    "Natürlich profitiert Spanien von mir. Ich zahle Einkommenssteuern, Mehrwertsteuer, Sozialbeiträge, viele Tausend Euro jeden Monat. Wie die Spanier. Aber ich habe natürlich auch etwas von meiner Einwanderung. Ich habe hier schließlich mein Unternehmen."
    Im Jahr 2000 holte er seine Frau nach und machte sich selbstständig. Heute haben die beiden eine Tochter. Sein Bauunternehmen wuchs mit dem Boom schnell - und brach mit der Krise 2007 fast wieder zusammen. Heute hat er wieder 35 Beschäftigte und muss hart kalkulieren, sagt er und zeigt auf einen Stapel mit Kostenvoranschlägen auf dem Schreibtisch. Von der Debatte über Rumänen, die es wegen Sozialleistungen nach Deutschland oder Großbritannien ziehen könnte, hat er gehört.
    "Nein, das glaube ich nicht. Die Leute kommen zum Arbeiten. Natürlich gibt es immer ein paar, die nur betteln wollen. Aber die übergroße Mehrheit von uns Rumänen will arbeiten. Als ich hierher kam, interessierten mich Sozialleistungen überhaupt nicht. Ich habe nie nach nur einem Cent gefragt, weder hier, noch in Deutschland, noch sonst wo.
    "Spanien hatte nie Probleme mit der Einbürgerung von Einwanderern"
    Von den rund 900.000 in Spanien lebenden Rumänen sind rund zwei Drittel Beitragszahler in die spanische Sozialversicherung, sagt Miguel Fondas Stefanescu im Büro der Föderation rumänischer Einwanderer. Ohne die ausländischen Beitragszahler wäre Spaniens Rentensystem wohl tatsächlich längst zusammengebrochen. Für die deutsche Debatte über mögliche Lasten durch die Rumänen findet Stefanescu deutliche Worte:
    "Länder wie Deutschland oder Frankreich haben sich leider längst an Fremdenfeindlichkeit gewöhnt. Sehen Sie mir bitte diese Ehrlichkeit nach. Aber bis vor Kurzem war es ja fast unmöglich, Deutscher zu werden, ohne deutsche Ahnen zu haben. Die spanische Realität ist völlig anders. Spanien hatte nie Probleme mit der Einbürgerung von Einwanderern oder damit, dass hier Leute aus anderen Ländern leben und arbeiten. Aus historischen und politischen Gründen wird ein fremdenfeindlicher Diskurs in Deutschland oder Frankreich viel leichter akzeptiert."
    Allerdings: Auch im nordostspanischen Katalonien haben einzelne Bürgermeister fremdenfeindliche Wahlkämpfe gegen rumänische Roma geführt - und gewonnen. Und auch Spanien hatte 2011 den Zuzug von weiteren Rumänen und Bulgaren gestoppt. Auch diese Begrenzung gilt seit dem 1. Januar nicht mehr. Doch kaum ein Spanier hat von diesem Datum Notiz genommen. Und in den Meinungsumfragen des staatlichen Zentrums für Soziologische Studien geben weniger als drei Prozent die Einwanderung als eines der dringlichsten Probleme ihres Landes an. Dabei leben auch in Spanien einige rumänische Roma - viele von ihnen in großer Armut direkt neben der größten Müllkippe von Madrid. Stefanescu darüber:
    "Das hat nichts mit der Einwanderung zu tun. Hier geht es um eine verschwindend kleine Minderheit mit bestimmten sozialen Problemen. Es gibt für sie sogar Integrationsprogramme der Europäischen Union. Aber die Staaten interessieren sich nicht dafür. Die interessiert viel mehr eine fremdenfeindliche Einwanderungsdebatte, die auch wahltaktisch viel interessanter ist."
    Mitica schimpft unterdessen in seinem Büro über einen spanischen Konkurrenten. Er habe ihm einen Auftrag weggeschnappt, mit einer völlig unseriösen Kalkulation. Doch trotz solcher Alltagssorgen - ein Leben in Rumänien kann er sich nicht mehr vorstellen:
    "Bekannte haben hier ihren Laden dicht gemacht und sind zurück nach Rumänien gegangen. Die wollen jetzt wieder nach Spanien. Wir haben hier in Alcalá de Henares unsere Wohnung, unser Unternehmen - mit Beschäftigten, die auch Familie haben. Es sind jetzt schon viele Jahre in Spanien. In Rumänen könnte ich nicht mehr leben."