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Spanien und die Einwanderer

Mehr als 25.000 afrikanische Flüchtlinge sind in diesem Jahr schon auf die Kanarischen Inseln gekommen. Inzwischen haben Deutschlands Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) wie auch sein französischer Amtskollege Nicolas Sarkozy Spaniens tolerante Einwanderungspolitik kritisiert. So wird vor allem über dieses Thema geredet werden bei den deutsch-spanischen Konsultationen von Angela Merkel und Jose Luis Rodriguez Zapatero, die heute am Bodensee beginnen. Hans-Günter Kellner berichtet.

    Die engen Freunde Helmut Kohl und Felipe Gonzalez hatten vor 20 Jahren die jährlichen deutsch-spanischen Konsultationen vereinbart. Das Verhältnis der nachfolgenden Regierungschefs war deutlich kühler. Jose Luis Rodriguez Zapatero versichert nun zwar, sich blendend mit Angela Merkel zu verstehen. Aber die Verärgerung über die Kritik aus Berlin an der spanischen Einwanderungspolitik ist in Madrid spürbar. Vergangene Woche erklärte der für die Migration zuständige Arbeitsminister Jesus Caldera noch einmal im Parlament die Grundzüge der spanischen Einwanderungspolitik:

    "Die Einwanderung ist positiv. Sie verbessert unsere wirtschaftliche Entwicklung. Sie hilft den entwickelten Ländern auch bei der Lösung des Problems der Überalterung der Gesellschaften, und sie tragen zur Leistungsfähigkeit des Wohlfahrtsstaats bei. Ich spreche natürlich von der legalen Einwanderung, der Einwanderung, die wir haben wollen."

    Dennoch fordert die Opposition den Rücktritt des Ministers, und auch aus dem Ausland häuft sich die Kritik an der spanischen Einwanderungspolitik. Spanien habe mit seiner Legalisierungskampagne vorletztes Jahr die Afrikaner geradezu aufgefordert, auf die Kanaren zu kommen, heißt es immer wieder. So wird jetzt der Ton der spanischen Regierung deutlich härter. Jeder, der illegal einreise, werde ausgewiesen, erklärt Spaniens Regierung jetzt. Doch solche Verlautbarungen sind nicht mehr als politische Rituale, meint der Einwanderungsexperte Rickard Sandell vom regierungsberatenden Elcano-Institut. Im Grunde bleibe Spanien gar nichts anderes übrig, als die Leute aufzunehmen:

    "Es gibt nun mal Menschenrechte, die in der gesamten Europäischen Union verpflichtend sind. Wenn es keine bilateralen Rücknahmeabkommen mit den Herkunftsstaaten gibt, oder diese Staaten die Rücknahme aus anderen Gründen verweigern, dann können diese Menschen auch nicht abgeschoben werden. Für die afrikanischen Staaten ist die Auswanderung wichtig. Für viele sind die Überweisungen aus Europa die wichtigste Devisenquelle. Wir brauchen also Abkommen, die auch für die afrikanischen Länder attraktiv sind, damit unsere Migrationspolitik in Europa funktioniert."

    Sandell spricht von einer europäischen Migrationspolitik. Doch davon ist die EU weit entfernt. Den Einsatz der europäischen Einheit zum gemeinsamen Schutz der Außengrenzen, der so genannten Frontex-Behörde, vor Westafrika, beobachten die Menschen auf den Kanarischen Inseln mit großer Skepsis. Die europäische Solidarität droht zu scheitern. Auch das wird ein Thema der Besprechungen zwischen Merkel und Zapatero sein. Rickard Sandell hat vom ersten Frontex-Einsatz hingegen nicht mehr erwartet.

    "Ob es um Waren oder Personen geht, spielt eigentlich keine Rolle: Die EU muss klären, wie sie ihre Außengrenzen kontrollieren möchte, wenn sie die Grenzen zwischen den Mitgliedsstaaten mit dem Schengen-Abkommen offen halten will. Wir erleben derzeit nur Notlösungen für eine Entwicklung, die sich nur langfristig in den Griff bekommen lässt. Ich hoffe, dass die EU in diesem Bereich mit der Zeit effizienter wird. Aber wir reden jetzt hier von Monaten, und einen gemeinsamen Grenzschutz aufzubauen, wird einige Zeit dauern. "

    Rickard Sandell schlug bereits 2003 der damaligen Aznar-Regierung vor, auf eine europäische Migrationspolitik zu drängen. Erst jetzt, wo die Aufnahmezentren auf den Kanarischen Inseln aus allen Nähten platzen, hört man auf ihn. Eilig sind spanische Delegationen in den Senegal gereist. Spanien hat der dortigen Regierung zugesichert, Wege für eine legale Einwanderung nach Spanien zu öffnen und die Entwicklungshilfe erhöht. Im Gegenzug hat der Senegal nun Polizisten auf die Kanarischen Inseln geschickt, die in den Flüchtlingslagern nach Senegalesen suchen. Diese Leute will Dakar zurücknehmen - ein wichtiger Erfolg der spanischen Diplomatie. Aber Europas Migrationspolitik dürfe nicht zur Abschottung führen, und ganz Europa müsse das Thema auf die Tagesordnung setzen, fordert Sandell:

    "Im Norden wird dieser Tragödie zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Wenn wir eine illegale Migration aus Russland hätten, die nach Polen, Deutschland, Schweden oder Finnland kommt, wäre das anders. Es liegt auch in der Verantwortung der Staaten im Norden, dem Süden hier zu helfen."