Samstag, 27. April 2024

Archiv


Spaniens Erfahrungen mit einer reinen Berufsarmee

Vor knapp zehn Jahren hat Spanien seine Streitkräfte von 200.000 Soldaten auf heute 130.000 reduziert. Die schnelle Entwicklung von der Wehrpflicht- zur reinen Berufsarmee hat das Image der Truppe verbessert - nicht aber die Zukunftsaussichten der Soldaten.

Von Hans-Günter Kellner | 28.06.2011
    Vor zehn Jahren waren Spaniens Streitkräfte äußerst unbeliebt, galten als letztes Überbleibsel des Franco-Regimes. Im Jahr 2000 war die Zahl der Kriegsdienstverweigerer in Spanien auf über 165.000 gestiegen, zahlreiche junge Spanier wurden zu Totalverweigerern, die weder zur Armee noch einen Zivildienst ableisten wollten, die Kasernen leerten sich. Jorge Bravo, Unteroffizier und Vorsitzender des Soldatenverbandes AUME erklärt:

    "Die Armee galt immer als ganz eigene Welt, mit eigenen Regeln und Moralvorstellungen. Für einen Wehrdienstleistenden war es ein Schock, in die Kaserne zu kommen und zu merken, dass seine Bürgerrechte hier nichts galten. Mit der Professionalisierung ist das kulturelle Niveau gestiegen. Die Soldaten müssen jetzt ja wenigstens einen Schulabschluss haben. Ein Berufssoldat ist heute besser ausgebildet, kennt sich besser aus und er sucht auch den Schutz von Berufsverbänden wie dem unseren. Die Kaserne ist keine abgeschottete Welt mehr, wie sie es früher war."

    Damit hat sich auch das Bild der Armee in der Öffentlichkeit zum Positiven gewandelt, auch wegen der zahlreichen Auslandseinsätze, an denen sich das Land derzeit mit rund 3500 Soldaten beteiligt. Allerdings gab es anfangs große Schwierigkeiten, für die neue Berufsarmee ausreichend Soldaten zu finden. So werden inzwischen auch Einwanderer aufgenommen.

    "Die meisten kommen aus Ecuador und Kolumbien. Viele von ihnen sind bei uns in der Vereinigung organisiert, und wir haben keine fremdenfeindlichen Vorgänge wahrgenommen. Für diese Leute ist bietet die Armee eine Chance: Sie haben hier eine bezahlte und anerkannte Arbeit. Viele fahren zu Auslandseinsätzen und werden für ihren Einsatz ausgezeichnet."

    Rund sechs Prozent der 130.000 Berufssoldaten sind inzwischen Einwanderer. Sie können nach drei Jahren einen Antrag auf Einbürgerung stellen und damit auch Offiziere werden. Spanien ist in Europa auch Vorreiter bei der Aufnahme von Frauen. 12 Prozent beträgt inzwischen der Anteil der Soldatinnen, sie dürfen in allen Einheiten dienen und gehen auch auf Auslandseinsätze, sagt Jorge Bravo:

    "Trotz des damaligen Machismo hat sich die Armee schnell an die Frauen gewöhnt. Die Frauenfeindlichkeit ist inzwischen verschwunden. Es spielt überhaupt keine Rolle, ob in einer Einheit mehr oder weniger Frauen sind. Es geht heute auch viel weniger um Muskeln, sondern um psychologische Stärke. Und da kenne ich viele Frauen, die im Vorteil sind."

    Fremdenfeindliche und frauenfeindliche Sprüche stehen in der Truppe inzwischen unter Strafe. Defizite sieht der Soldatensprecher in anderen Bereichen. Vor allem werde zu wenig für die Soldaten getan, die nach einigen Jahren die Streitkräfte wieder verlassen:

    "Wenn man junge Soldaten haben will, sie nach zehn Jahren aber wieder loswerden möchte, muss man sich um ihre Integration in den Arbeitsmarkt kümmern. Wer als einfacher Soldat zu uns kommt, muss hier eine Berufsausbildung bekommen. Offiziell ist zwar von Abkommen mit Unternehmen die Rede. Aber in Wirklichkeit bilden wir in nur wenigen Berufen aus, und Anschlussverträge mit der Freien Wirtschaft gibt es so gut wie keine. Die meisten stehen hinterher schlicht auf der Straße."