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Spaniens Erinnerungskultur im Kino

2009 ist ein Jahr historischer Jubiläen: Die Januar-Aufstände von 1919 und der Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 mit dem Überfall auf Polen zählen dazu. In Spanien wiederum wird am 1. April des Endes des Spanischen Bürgerkrieges vor 70 Jahren gedacht. Im Blick der Filmemacher ist das Gedenkjahr schon seit einigen Jahren. Opulente Ausstattungsfilme erzählen von Unterdrückung und Widerstand.

Von Wolfgang Martin Hamdorf | 27.01.2009
    Die spanischen Faschisten marschieren wieder. Zumindest in den Kinos. In opulenten Ausstattungsfilmen erzählen spanische Filmemacher Episoden über Unterdrückung und Verfolgung in den ersten Jahren der Francodiktatur, nach dem spanischen Bürgerkrieg, der am 1.April vor 70 Jahren zu Ende ging. So erzählt "Las trece rosas" (Die dreizehn Rosen) sehr melodramatisch von 13 Frauen, die in den unmittelbaren Nachkriegstagen antifranquistische Flugblätter verteilen und dafür gefoltert und erschossen wurden.

    "Das ist nur ein Beispiel für das, was wirklich in der unmittelbaren Nachkriegszeit passiert ist: es wurden nicht nur diese 13 Frauen erschossen, sondern mehr als 200.000 Menschen. Das war im Kino noch nicht zu sehen, das konnte man früher nur in Geschichtsbüchern lesen, meistens von ausländischen Historikern verfasst, denn ihre spanischen Kollegen trauten sich nicht an die Themen heran."

    Der 65jährige Regisseur Emilio Martinez Lázaro wurde vor seiner Exkursion in die Repression des Francoregimes in Spanien besonders durch erfolgreiche Beziehungskomödien bekannt. Denn mit der Bewegung für die kollektive Erinnerung, die ab 2002 vehement und erfolgreich für die Aufarbeitung der Vergangenheit eintrat, hatte der spanische Film zunächst wenig zu tun:

    "Das Publikum will diese Geschichten eigentlich nicht sehen. Aber die 13 jungen Frauen, das war schon etwas Besonderes für das Publikum, denn es waren ja keine finsteren Kommunistinnen im Kampfanzug, sondern hübsche Frauen, die mitten im Leben standen."

    Die 13 Rosen spielten vier Millionen Euro an der Kinokasse ein und die 13 Schauspielerinnen erhielten eine Doppelseite in der Wochenendbeilage der größten spanischen Tageszeitung "El País", jede mit einem anderen Modellkleid; Prada, Chanel, Christian Dior oder Giorgio Armani - Antifaschismus mit Glamour, Zeitgeschichte als großes Kino. Los girasoles ciegos (Die blinden Sonnenblumen) erzählt von einer jungen Frau, die ihren vom Regime zum Tode verurteilten Mann in einer Dachkammer versteckt hält. Die Katastrophe kommt, als ein junger Priester beginnt, der vermeintlichen Witwe nachzustellen. Für den 62jährigen Regisseur José Luis Cuerda ist der politische Hintergrund zweitrangig:

    "Ich fühle mich ähnlich wie John Ford. In seinen Western spricht er nicht in erster Linie von Indianern, sondern von seinen Eltern und Großeltern. Ich mache keine Filme über den Bürgerkrieg, ich mache keine Filme über Ideen, sondern über menschliche Schicksale."

    In Inszenierung und Ausstattung ähneln sich die neueren Filme zu Bürgerkrieg und Diktatur sehr. Sie wirken auf eine fast altertümliche Weise konventionell. Ganz an das klassische Kino angelehnt erinnern sie teilweise an die Filme der Gegenseite, die das Francoregime in den 1940er und 1950er Jahren produzierte. Eine traditionelle Bildgestaltung verbindet sich mit einem allgegenwärtigen sinfonischen Musikteppich und am Ende stehen Filme, so vorhersehbar wie ein Passionsspiel. Gut und Böse sind klar definiert sagt der Schauspieler Mikel Tello mit gewissem Sarkasmus. Er spielt in La buena nueva (Die gute Nachricht)einem Film über einen antifaschistischen Priester, einen Offizier der faschistischen Falange:

    "Meine Figur hat keine besonderen Widersprüche. "Nieder mit der Intelligenz!" und "Es lebe der Tod!" Das ist alles."

    In der deutsch-spanischen Produktion "Die Frau des Anarchisten" erzählt die spanisch-französische Filmemacherin Marie Noelle die Geschichte ihrer Großeltern teils als historischen Ausstattungsfilm, aber immer wieder durch die Montage von historischem Archivmaterial gebrochen und vermeidet so in einem Film, der eindeutig Partei nimmt, extreme Schwarz-weiß Malerei:

    "Vor allem die spanischen Filme über den Bürgerkrieg sind wirklich absolut akribisch von einer Seite und das hat eine Verherrlichung von gewissen Sachen, die ich nicht mag und man weiß doch, das es gab auch spezielle Milizen bei den Republikanern, die wirklich sich furchtbar benommen haben, andere, die halbe Kriminelle waren. Es ist nicht, dass ich das in den Vordergrund rücken will. Ich möchte nur wieder eine gewisse Balance und eine gewisse Wahrheit herein bringen."