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Spaniens Grüne im Wahlkampf

Am 20. November finden in Spanien vorgezogene Neuwahlen statt. Und die Grünen sind im Aufwind. Denn vielen Wählern ist die Zerstörung der Küsten eine Dorn im Auge und auch die Luftverschmutzung in den Großstädten. Hinzu kommt eine mehrheitliche Ablehnung der Atomkraft.

Von Hans-Günter Kellner | 17.10.2011
    Spaniens Grüne machen Wahlkampf. Rund 50 Menschen haben sich im Saal des Madrider "Ökozentrums" eingefunden. Die Fragen, die die Besucher aufwerfen, drehen sich um vor allem um die tief greifende Wirtschaftskrise in Spanien und um Bürgerbeteiligung an politischen Entscheidungen. Spitzenkandidat Juantxo López de Uralde sieht darin die Chance für Spaniens Grüne, erstmals ins Parlament einzuziehen.

    "Die Leute sind jetzt bereit, sich mit vollkommen neuen Perspektiven zu beschäftigen. Zu unserem täglichen Kampf gehört es, zu erklären, dass diese Krise neue Antworten braucht. Antworten, die auch einen Ausweg aus der ökologischen Krise ermöglichen. Das Potenzial grüner Arbeitsplätze ist in Vergessenheit geraten: die erneuerbaren Energiequellen, die biologische Landwirtschaft, die Verbesserung der Energieeffizienz der Gebäude. Die spanische Regierung hat einmal vorgerechnet, dass bis 2020 mit der so genannten "grünen Wirtschaft" 2,7 Millionen Arbeitsplätze geschaffen werden könnten."

    Eigentlich heißt der Spitzenkandidat Juan, doch bei den Wahlkampfveranstaltungen tritt er mit seinem Spitznamen "Juantxo" auf, so wie ihn seine Freunde nennen. Das erinnert ein wenig an Joschka Fischer, und tatsächlich ist auch der eher etwas kräftige Juantxo López de Uralde eine Gallionsfigur. Neun Jahre lang war er Vorsitzender der spanischen Sektion von Greenpeace, mit ihm an der Spitze kam die Organisation in Spanien auf über 100.000 Mitglieder. Trotzdem sind bisher alle Versuche gescheitert, eine grüne Partei parlamentarisch zu etablieren. Der Spitzenkandidat erklärt sich das so:

    "Die Umweltorganisationen haben sich hier genauso entwickelt, wie im Rest Europas. Greenpeace hat in Spanien ebenso viele Mitglieder wie in Frankreich. Es ist also keine Frage des Bewusstseins, sondern ein politisches Problem. Das Wahlrecht benachteiligt kleine Parteien. Dazu müssen neue Formationen jetzt auch noch Unterschriften vorlegen, die die neuen Kandidaturen unterstützen - und zwar von 0,1 Prozent der Wahlberechtigten. Und dann kommt noch dazu, dass "grün" nicht mehr als ein Adjektiv ist. Jeder darf sich "grün" nennen. Es gibt 70 Parteien, die sich so bezeichnen. Darum benutzen wir diesen Begriff im Namen nicht. Es gibt viele Gründe, die eine grüne Partei bisher verhindert haben."

    Zumal längst alle Parteien auch mit Ökothemen Wahlkampf machen und es links von den Sozialdemokraten auch die von den Kommunisten dominierte Vereinigte Linke gibt. Vielerorts buhlen auch noch regionale oder nationalistische Gruppierungen um Wählerstimmen. Doch die Glaubwürdigkeit der etablierten Parteien ist angeschlagen in Spanien, was sich nicht zuletzt auch in den Massenprotesten am Wochenende gezeigt hat. Und die Beeinträchtigung der Umwelt wird inzwischen auch von immer mehr Spaniern als direkter Eingriff in ihre Lebensqualität wahrgenommen:

    "Hier in Madrid ist das Unverständnis der Passivität der Behörden angesichts der Luftverschmutzung inzwischen schon sehr groß. Hier werden die EU-Normen praktisch jeden zweiten Tag verletzt. Oder die Zerstörung der Küsten, und zwar unter dem Vorwand, das sei für die "Entwicklung" nötig. Die Leute haben gesehen, dass wir uns überhaupt nicht weiterentwickelt haben, die Küste aber unter dem Zement verschwunden ist. Viele Leute sehen das inzwischen kritisch."

    Hinzu kommt eine mehrheitliche Ablehnung der Atomkraft bei den Spaniern. Die regierenden Sozialisten jedoch haben die Laufzeiten bestehender Kraftwerke verlängert und in der schon als Wahlgewinnerin gehandelten Volkspartei fordern manche sogar den Bau neuer Atomkraftwerke. Allerdings könnten die Spanier angesichts einer Massenarbeitslosigkeit von über 20 Prozent bei der Stimmabgabe im November schließlich doch eher konservativ wählen. In ihrem Wahlprogramm, das Equo als Erste von allen Parteien vorgelegt hat, fordern die spanischen Grünen eine Steuerreform mit höheren Abgaben für hohe Einkommen und Ökosteuern auf fossile Brennstoffe. Sie wollen sparen an kaum genutzten Regionalflughäfen, Autobahnen und Hochgeschwindigkeitszügen.

    Als Greenpeacevorsitzender hat Juantxo López de Uralde ein Buch veröffentlicht. Der Titel: der Planet der Dummen. Ein Planet, dominiert von einer Spezies, die sich selbst zerstört. Heute sieht er das Ganze ein wenig anders:

    "Ich habe immer noch die Hoffnung, dass wir keine dumme Spezies sind. Ein gutes Ergebnis wäre, einfach ins Parlament rein zu kommen. Wir hätten damit das ungeschriebene Gesetz der Grünen in Spanien gebrochen, dass wir keine Chance haben."