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Spaniens Monarchie
Zeit für eine neue Generation

Der König von Spanien hat nach fast 40 Jahren als Staatsoberhaupt überraschend abgedankt. Sein Sohn Felipe soll ihm auf den Thron folgen und das angeschlagene Image der Monarchie aufpolieren. Er trete ab mit dem Gedanken, dass dies der beste Weg sei, die Monarchie zu sichern, sagte Martin Dahms von der "Berliner Zeitung" im Deutschlandfunk.

Martin Dahms im Gespräch mit Christiane Kaes | 03.06.2014
    Der bisherige König Juan Carlos mit seinem Sohn Felipe
    Der bisherige König Juan Carlos mit seinem Sohn Felipe (dpa / picture-alliance / Chema Moya)
    Christiane Kaess: Er werde mit der Krone auf dem Kopf sterben - in diesem Sinn soll sich der spanische König einst geäußert haben. Nun hat Juan Carlos, inzwischen 76 Jahre alt, überraschend abgedankt und hat so eine Ära in Spanien beendet. Sein Sohn Felipe soll jetzt das ramponierte Image der Monarchie aufpolieren. Regierungen und Königshäuser in Europa lobten die politische Rolle, die Juan Carlos nach der Franco-Diktatur eingenommen hatte. Kritiker forderten eine Volksabstimmung über die Monarchie, die zuletzt mit Skandalen zu kämpfen hatte. Wann der 46 Jahre alte Felipe den Thron besteigen wird, ist noch unklar. Meine Kollegin Christine Heuer hat gestern mit dem Spanien-Korrespondenten der "Berliner Zeitung", Martin Dahms, gesprochen.
    Christine Heuer: Juan Carlos wird zitiert mit dem Satz, er werde mit der Krone auf dem Kopf sterben. Nun dankt er vorzeitig ab. Warum? Was war ausschlaggebend?
    Zeit für eine neue Generation
    Martin Dahms: Seine offizielle Erklärung ist, es sei Zeit für eine neue Generation, die sei jetzt dran. Er hat daran erinnert, dass er selbst als junger König in Spanien angefangen hat. Aber es steckt natürlich mehr dahinter. Das was an erster Stelle dahinter steckt, ist die eigene Zerstörung des Bildes des Königshauses als verlässliche Institution, und da hat der König selbst einiges zu beigetragen.
    Heuer: Darauf kommen wir gleich. Wie reagieren die Spanier auf die Abdankung?
    Dahms: Als Erstes mal sehr überrascht. Und dann gibt es eine große Mischung. Das hängt davon ab, wie man zum Königshaus steht. Mariano Rajoy, der Ministerpräsident, der die Worte ja heute gesprochen hat der Dankbarkeit gegenüber dem König, die empfinden sehr viele tatsächlich auch. Aber auf der anderen Seite gibt es viele Königshauskritiker, Republikaner, die heute Abend auf die Straße gehen, die fordern, dass es jetzt doch mal ein Referendum über das Königtum geben sollte, die sagen, es kann nicht so selbstverständlich sein, der König tritt zurück und der nächste König kommt.
    Heuer: Sie selbst leben seit 1994 in Madrid. Was haben Sie denn als Erstes gedacht, als Sie die Neuigkeit gehört haben heute?
    Dahms: Ich war ziemlich von den Socken. Ich hätte nicht damit gerechnet. Ich muss sagen, dass ich vor einem Jahr ungefähr geschrieben habe, der König solle mal abdanken.
    Heuer: Und er hat auf Sie gehört!
    Die einzige Möglichkeit, die Monarchie zu bewahren
    Spanier verfolgen die Fernsehansprache von König Juan Carlos, in denen er die Gründe für seine Abdankung nennt.
    Spanier verfolgen die Fernsehansprache von König Juan Carlos, in denen er die Gründe für seine Abdankung nennt. (dpa / Javier Lizon)
    Dahms: Ja, so ist es! – Nein, ich hätte nicht damit gerechnet, dass er es wirklich tut, weil er einfach immer wieder gesagt hat, er will es nicht. Und dann, klar, kommt die Überlegung, warum tut er das, und das Erste, was mir in den Sinn kommt: Er tut es für die Monarchie selbst. Genauso wie er vor knapp 40 Jahren sich für die Demokratie in Spanien eingesetzt hat, mit dem Hintergedanken, dass das die einzige Form ist, die Monarchie überhaupt zu bewahren, so tritt er jetzt ab mit dem Gedanken, das ist der beste Weg, die Monarchie in Spanien zu sichern, denn er weiß einfach, sein eigenes Bild ist so angekratzt, während das seines Sohnes noch ganz gut glänzt.
    Heuer: Juan Carlos war ja Zögling Francos, trotzdem Wegbereiter der Demokratie in Spanien. Er war ein politischer König und er war sehr geachtet. Sie haben vorhin gesagt, er hat viele Fehler gemacht. Wieso stand er zuletzt in so schlechtem Ruf?
    König auf Elefantenjagd
    Dahms: Er scheint sich ausgeruht zu haben auf seinen Lorbeeren und wurde so ein bisschen nachlässig, so würde ich das sagen. Die erste Sache, für die konnte er nichts, oder jedenfalls nehme ich mal an, dass er dafür nichts konnte. Das ist das, was ich die Schwiegersohn-Affäre nenne. Der Ehemann seiner Tochter Christina hat sich mutmaßlich in korrupte Geschäfte eingelassen und da wird nun seit mittlerweile drei Jahren ermittelt. Das wirft schon mal so ein schlechtes Licht an sich auf das Königshaus. Und dann, ein halbes Jahr später, also vor zwei Jahren, ist der König auf Elefantenjagd gegangen. Man kann sagen, das macht ein König so; er hat es aber in einer Zeit getan, in der Spanien in einer ganz schlimmen Wirtschaftskrise steckte, wo der König selbst gesagt hat, die Jugendarbeitslosigkeit in Spanien raube ihm den Schlaf, und zwei Wochen später erfahren die Spanier, aha, es raubt ihm so sehr den Schlaf, dass er etliche zehntausend Euro investiert, um in Botswana auf Elefantenjagd zu gehen. Das hat ihm überhaupt nicht gutgetan.
    Juan Carlos als Wegbereiter der Demokratie
    Es hat hier so eine Art Stillhaltepakt der spanischen Medien gegeben, nicht über das Privatleben des Königs zu schreiben. Aber dann haben sich die Medien gesagt, okay, wenn der König selber nicht versteht, sein Amt so auszufüllen, wie es angemessen wäre, dann halten wir uns auch nicht mehr an diesen Pakt, und haben angefangen, von Affären oder mindestens sehr innigen Freundschaften unter anderem zu Corinna zu Sayn-Wittgenstein zu schreiben. Das wäre vor fünf Jahren, würde ich sagen, noch undenkbar gewesen.
    Heuer: Jetzt haben wir ganz viel über die Makel gesprochen. Was ist denn sein größtes Verdienst?
    Dahms: Sein Verdienst ist tatsächlich, den Weg bereitet zu haben, dass Spanien ein demokratisches Land geworden ist. Ein spanischer Historiker hat mal gesagt, er war nicht unbedingt der Motor der Demokratisierung, aber doch sein Schutzschild. Er hat sich auf einem Posten, auf dem Thron wiedergefunden. Franco hat ihn dort eingesetzt als Enkel des letzten Königs, den die Spanier 1931 in die Wüste gejagt hatten. Und dann hat er nicht das gemacht, was viele Spanier gedacht hätten, dass er nämlich mehr oder weniger die Franco-Diktatur mit anderen Mitteln weiterführen würde, sondern er war klug genug zu sagen, nein, das geht so nicht, und dahinter hat Juan Carlos immer gestanden.
    Heuer: Nun soll es also Felipe sein, der Sohn, statt Juan Carlos, dem Vater. Wie unterscheiden sich die beiden Männer charakterlich?
    Dahms: So sehr unterscheiden sie sich gar nicht. Sie sind beide das, was der Spanier campechano nennt, so ein bisschen volkstümlich, menschennah, wobei man Felipe wahrscheinlich ein bisschen größere Ernsthaftigkeit zugestehen muss. Der König wirkte immer so, als wenn er im nächsten Moment mit einem eine Partie Karten spielen wollte. Felipe, der Kronprinz und künftige König, wirkt eher so, als wenn man Lust hätte, mit ihm eine ordentliche politische Diskussion zu führen.
    Kaess: Der Spanien-Korrespondent der "Berliner Zeitung", Martin Dahms. Die Fragen stellte meine Kollegin Christine Heuer.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.