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Spaniens Schlüsselrolle bei Desertec

Vor einem Jahr wurde die Initiative Desertec gegründet mit dem Ziel, die Sonnenkraft der Wüste in Strom umzuwandeln. Zwar haben sich bisher hauptsächlich Gesellschafter aus Europa Desertec angeschlossen, doch nun sollen auch mehr afrikanische Partner hinzukommen.

Von Julia Macher | 26.10.2010
    Wer in die Zukunft blicken will, muss nach Andalusien schauen: Zwischen Granada und Almería blitzen die Spiegel der riesigen Parabolrinnenfelder der Solarkraftwerke Andasol 1, 2 und 3. Bereits 2007 ging PS10, das Solarturm-Kraftwerk der spanischen Firma Abengoa , einem der Gründungsgesellschafter von Desertec ans Netz. Südspanien ist eine gigantische Versuchsküche für Thermosolarenergie, sagt Luis Crespo vom spanischen Branchenverband Protermo Solar: Hier wurde beispielsweise erforscht und praktisch erprobt, wie Flüssigsalz als Wärmespeicher funktioniert.

    "Wir konnten in Kraftwerken wie Andasol 1 und 2 beweisen, dass es möglich ist, thermosolare Energie zuverlässig zu speichern und verlustarm ins Netz einzuspeisen. Unsere Firmen sind weltweit führend und mit ihrer Technologie an Projekten in den Arabischen Emiraten oder Nordafrika beteiligt. Insofern ist Desertec eine historische Chance für Spanien. Außerdem haben wir das Glück vor Ort mit dieser Energie arbeiten zu können."

    Zwar spielt Thermosolarenergie im Vergleich zu anderen erneuerbaren Energien wie Wind, Photovoltaik und Wasser auch in Spanien noch eine relativ geringe Rolle, aber die Branche boomt: Zwölf Kraftwerke arbeiten bereits, weitere 20 werden gebaut, 30 sind in Planung. Bis 2013 soll die Leistung von derzeit 500 Megawatt auf 2,3 Gigawatt steigen. Die Pionierrolle hat sich Spanien einiges kosten lassen: Bei Produktionskosten von circa 25 Cent pro Kilowattstunde zahlt die Regierung derzeit 28 Cent für die Einspeisung ins Netz, die Rahmenbedingungen sind für die nächsten 25 Jahre stabil.

    Das Desertec-Projekt ist für Spanien allerdings nicht nur in Sachen Technologietransfer interessant, sondern vor allem im Rahmen des Solarplans fürs Mittelmeer. In den Ländern der Mittelmeerunion sollen bis zum Jahr 2020 20 Gigawatt an neuen erneuerbaren Energiekapazitäten aufgebaut werden. Dazu ist nicht nur ein gemeinsamer ordnungspolitischer Rahmen, sondern auch eine gemeinsame Infrastruktur nötig. Antonio Hernández García, Generaldirektor Energiepolitik im spanischen Wirtschaftsministerium:

    "Spanien hat in beiden Projekten eine Schlüsselposition, weil wir das einzige Land sind, das eine direkte Stromverbindung nach Nordafrika hat, nach Marokko hat. Wir wollen die Kraft aus dem Solarplan fürs Mittelmeer und einer Industrieinitiative wie Desertec bündeln. Die große technologische Herausforderung des Mittelmeer-Solarplans ist die Frage, wie der Strom transportiert wird. Wir sind Transitland, aber wenn die Energie von Spanien aus nicht weiter in den Norden kommt, stehen wir vor einem Problem."

    Gerade an den Verbindungen zum Nachbarland Frankreich hapert es schon seit langem. Seit 30 Jahren wird über eine Verbesserung der Stromleitungen über die Pyrenäen diskutiert, passiert ist bisher wenig. Desertec ist für Spanien ein Vehikel, nun zusätzlichen Druck auf die Europäische Kommission auszuüben. Natürlich ist das nicht ganz uneigennützig: Das Sonnenland Spanien, das bereits jetzt 35 Prozent seiner Energie aus erneuerbaren Energien gewinnt und damit die Vorgaben der EU für 2020 übertrifft, will selbst Energie ins europäische Ausland liefern – nicht im großen Stil als Konkurrent zu den Saharastaaten, aber eventuell als kleinerer Juniorpartner.

    "Wir haben schon jetzt Engpässe beim Export der produzierten erneuerbaren Energien. Die Verbindung nach Frankreich schafft nur drei Prozent der Spitzenleistung, angestrebt waren zehn. Wenn wir schon für unsere erneuerbaren Energien keine gute Verbindung nach Frankreich haben, was machen wir dann mit der Energie aus dem Süden? Wenn wir so ehrgeizige Ziele bei der Produktion von erneuerbaren Energien haben, brauchen wir einen vernünftigen Markt mit stabilen Verbindungen."
    Beim nächsten Infrastrukturpaket müsse die Europäische Kommission daher besonderes Augenmerk auf den Ausbau der Nord-Süd-Achse auf der iberischen Halbinsel legen. Ergänzend dazu will das französische Industriekonsortium Transgreen ein Stromnetz unter dem Mittelmeer bauen, dass Italien mit Tunesien und Lybien und Spanien mit Algerien verbindet. Entstanden im Rahmen der Mittelmeerunion ist auch dieses Projekt eine Ergänzung von Desertec, keine Konkurrenz.