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Spanische Drohgebärden in Gibraltar

Die Behörden des britischen Überseegebiets Gibraltar haben vor ihrer Küste Felsblöcke im Meer versenkt, um angeblich ein künstliches Riff aufzubauen. Spanien sieht mit der Maßnahme jedoch seine Fischereirechte verletzt und macht mit schärferen Passkontrollen und Wegezoll Druck.

Von Hans-Günter Kellner | 06.08.2013
    Es ist wie immer, wenn sich die Regierungen in Madrid und London streiten: lange Schlangen am spanischen Grenzübergang zu Gibraltar. Morgens in Richtung der britischen Kolonie, am Abend zurück. Jeder Kofferraum wird geöffnet, jeder Pass durchgeblättert. Fast ist es wie einst an der innerdeutschen Grenze. Die Kontrollen treffen vor allem spanische Pendler.

    "Wir haben Angehörige in Gibraltar, wir arbeiten dort."

    ... sagt eine Frau, ein Mann findet das Ganze "absolut ungerecht”.

    Auch die Bürgermeisterin des spanischen Grenzstädtchens La Linea, Gemma Aranjo, hat kein Verständnis für die Haltung der spanischen Regierung:

    "6000 Familienväter müssen hier täglich über die Grenze, um in Gibraltar zu arbeiten. Sie haben sich schon bei uns beschwert. Sie fragen uns zudem, ob sie jetzt täglich 50 Euro für den Grenzübertritt bezahlen sollen. Ich frage das auch, sollen jetzt spanische Arbeiter bezahlen? Oder die Lastwagenfahrer? Oder die Touristen? Das ist wirklich ein sinnloser Einfall."

    Die Idee hatte Spaniens Außenminister José Manuel García-Margallo. In einem Zeitungsinterview hatte er am Sonntag mit einer Art Wegezoll gedroht: Für jeden Grenzübertritt am Felsen könnten 50 Euro fällig werden. Er kündigte zudem an, Spanien werde seinen Luftraum für die Flüge nach Gibraltar schließen. Was den Minister so zornig macht: Die Behörden Gibraltars haben vor dem Flughafen, dessen Start- und Landebahn praktisch ins Meer gebaut worden ist, Betonblöcke versenkt. Der Außenminister sieht darin einen Angriff auf die Interessen der spanischen Fischer, während die Behörden Gibraltars das Gegenteil zum Ziel erklären: Ein künstliches Riff soll entstehen, neuer Lebensraum für die Fische. Greenpeace-Expertin Elivra Jiménez:

    "Diese Quader sind ein Hindernis. Die Schleppnetze werden ja über den Meeresboden gezogen und wühlen dort alles auf. Betonblöcke verhindern das natürlich, was ja oftmals auch der Grund dafür ist, dass sie versenkt werden."

    Tatsächlich versenkt auch Spanien Betonblöcke im Meer - 2006 auch in den eigenen Gewässern unmittelbar vor Gibraltar. Das erklärte Ziel: Schleppnetzfischerei verhindern. Allerdings hat die Regierung Gibraltars die Maßnahme nicht mit den spanischen Behörden abgesprochen. Für Spanien hat der Felsen sowieso keine eigenen Hoheitsgewässer. Völkerrechtsexperte Martín Ortega Carcelén von der Madrider Complutense-Universität findet das Vorgehen der Behörden Gibraltars juristisch fragwürdig:
    "Die Zugehörigkeit dieses Meers zu Spanien oder Großbritannien ist strittig. Beide beanspruchen es. Spanien argumentiert, nach dem Vertrag von 1713 habe Großbritannien keinen Anspruch auf das Gewässer um den Felsen. Gibraltar meint, die Kolonie habe diesen Anspruch. Wenn sie jetzt Betonblöcke im Wasser versenken, schaffen sie einmal mehr Fakten. Meiner Ansicht nach ist das nicht möglich, solange dieser Streit um das Gewässer nicht geklärt ist."

    Trotzdem scheint hinter dem Konflikt mehr zu stecken, als ein Fischereistreit. Unter der Regierung von Ministerpräsident Rodríguez Zapatero gab es solche Zwischenfälle kaum. Sogar ein Abkommen über die gemeinsame Nutzung des Flughafens von Gibraltar wurde geschlossen. Spaniens neuer Außenminister José Manuel García-Margallo hat dies schon bei seinem Amtsantritt heftig kritisiert. Niemals werde er den Felsen betreten, solange dort nicht die spanische Flagge wehe, sagte er 2011. Die Drohgebärden gegenüber der britischen Kolonie kommentierte er mit der Bemerkung: "Die Party auf Gibraltar ist zu Ende”. García-Margallo will zudem überprüfen, ob die 6000 Bürger aus Gibraltar mit Immobilienbesitz in Andalusien auch ihren Wohnsitz ordentlich angemeldet haben und somit in Spanien Steuern zahlen. Professor Ortega Carcelén hält eine solche Überprüfung nur für folgerichtig:
    "Diese Leute wollen unabhängig sein. Nichts mit Spanien zu tun haben. Aber sie nutzen alle spanischen Einrichtungen, Straßen, Krankenhäuser, das Telefonnetz. Und wir Spanier finanzieren das alles mit unseren Steuern. Da funktioniert doch etwas nicht."

    Allerdings: Auch viele Deutsche oder Franzosen leben in Spanien, sind aber weiterhin in ihrem Herkunftsland gemeldet, zahlen dort die Steuern - ohne dass es Pläne über Grenzkontrollen oder gar Wegezölle gäbe.

    Die Europäische Union hält sich unterdessen zurück: Gibraltar gehöre wie Großbritannien nicht zum Schengen-Raum, weshalb Kontrollen möglich seien. Spanien solle jedoch das Gebot der Verhältnismäßigkeit beachten, rät die EU-Kommission in Brüssel.