"Spanish Gipsies - Celtic and Spanish Music in Shakespeare's England"
Am Mikrofon begrüßt Sie Norbert Ely zu 20 Minuten Alter Musik von sehr gegensätzlicher und zugleich doch auch verwandter Art. Bei beiden CDs, die ich Ihnen heute vorstellen möchte, geht es um Spanien, bei der einen um Klaviersonaten des Padre Soler, bei der anderen um das schwer durchschaubar Geflecht von Beziehungen zwischen englischer und irischer Musik einerseits und den Traditionen der spanischen Zigeuner anderseits. "Spanish Gipsies" heißt die CD, die der Harp Consort um den walisischen Harfenisten Andrew Lawrence-King für die BMG aufgenommen hat, und da handelt es sich um Musik, die gleichermaßen ein Echo bei den Fans der Alten Musik wie bei denen der irischen Folklore finden dürfte, nämlich um den "Gipsy Style", die Zigeunermanier, die in der englischen Tanzmusik des 17.Jahrhunderts eine bedeutende Rolle spielte, und zwar gleichermaßen als exotisches wie als ekstatisches Moment. "The Spanish Jepsies" aus John Playfords "English Dancing Master" von 1651. * Musikbeispiel: Anonymus - "The Spanish Jepsies" "The Spanish Jepsies". Bei diesem Titel ist fast der ganze Harp Consort versammelt, darunter auch die fabelhafte Gambistin Hille Perl, die auf dieser CD auch noch Lyra und Barockgitarre spielt, so wie Andrew Lawrence King nicht nur in die Saiten der Harfe greift, sondern auch in die der Dreifach-Harfe, Irish harp, der spanischen Harfe und des Psalteriums. Es geht bei dieser Produktion weniger um eine historisch korrekte Darstellung eines Phänomens als um eine künstlerisch-phantasievolle Annäherung an sehr undurchsichtige Zusammenhänge. Die Musik lebt, so wie sie zusammengestellt ist, von den Anklängen, die, wenn man nur die Notentexte analytisch lesen wollte, in Nichts zerstieben würden. Es geht also, wenn man so will, um Stimmung, um Atmosphäre. Auch der kluge und in einem sehr literarischen Englisch geschriebene Essay von Lawrence-King zielt in diese Richtung. Denn so recht dingfest lassen sich die Beziehungen zwischen englischer und vor allem keltischer, also irischer und schottischer, Popularmusik des 17. Jahrhunderts und den Traditionen der spanischen Zigeuner nicht machen. Schließlich hat damals niemand einen Aufsatz darüber geschrieben. Gemeinsam ist fast allen Tänzen und Liedern, die da auf eine sehr vielgestaltige und farbenreiche Art dargeboten werden, dass sie nicht in den Kanon der funktionalen Harmonik eingebunden sind, sondern auf modalen Formen fußen. Dass macht ihren harmonischen Reiz aus, und bedeutet je nach Arrangement, dass sich hie und da sogar äußerst modern klingende Dissonanzen einfinden. Entscheidend ist aber vor allem die Lebendigkeit des Musizierens. Das klingt alles ziemlich gegenwärtig und nach Fleisch und Blut, obwohl dem Harp Consort natürlich die Wildheit und das Unbehaust-Sein der Flamenco-Gitarre abgehen. Aber so ein bisschen wild geht es manchmal doch schon zu: "A Spanish humor". * Musikbeispiel: Anonymus - "A Spanish humor" "Spanish Gipsies - Celtic and Spanish Music in Shakespeare's England" - eine neue CD des Harp Consort um Andrew Lawrence-King, die bei der BMG erschienen ist.