Montag, 29. April 2024

Archiv


Spannendes Kino aus Afrika

Filme aus Nord- und Südafrika sind hierzulande kaum zu sehen. In der Reihe "Africa Film Special" zeigt Filminitiativ Köln nun Filme vom afrikanischen Kontinent: Geschichten über Vertreibung und Unterdrückung, aber auch Hoffnungen und Sehnsüchte.

Von Berit Hempel | 13.09.2013
    Kairo bei Sonnenaufgang: Mattes Licht spiegelt sich auf dem Nil, Autos bahnen sich ihren Weg über breite Brücken, westlich gekleidete Frauen überqueren die Straße, eine verschleierte Frau sitzt hinter einem Mann auf dem Moped, Kinder kicken im Nirgendwo der ägyptischen Megametropole. Die Regisseurin Mona El Naggar führt mit diesen Bildern unterschiedliche Lebenswelten vor, bevor sie sich in ihrem Film "Istislam" auf eine Welt beschränkt: auf die der Muslimbruderschaft. Mona El Naggar ist es gelungen, in ihrem 2012 gedrehten Film erstaunlich tiefe Einblicke zu gewinnen. Sie erzählt von der Arbeit in einem Familienzentrum, von der propagandierten Trennung der Geschlechter, von der vollverschleierten Frau mit Adidas-Turnschuhen, die sagt, Religion sei ihr Leben und sie erzählt von den Demonstrationen eines jungen Muslimbruders.

    Für das Filminitiativ-Mitglied Karl Rössel zeichnet sich der Film nicht nur durch Aktualität aus:

    "Diese direkten Einblicke in die Art und Weise, wie die Ideologie verbreitet wird und auch gerade so jungen Leuten übermittelt wird, die habe ich vorher noch nie gesehen, in keinem Medienbericht, in keiner Reportage. Das kann nur jemand machen, der direkt aus der Gesellschaft kommt und der wirklich ins Zentrum dieser ideologischen Kampagnen kommen konnte."

    Auch der Regisseur Anis Djaad wirft mit seinem ersten Film einen Blick auf das Innenleben seines Landes Algerien - einem Land, dessen Staatschef Abdelaziz Bouteflika fest im politischen Sattel zu sitzen scheint, trotz Protesten gegen Arbeitslosigkeit und Korruption.

    Anis Djaad schildert die ausweglose Situation zweier arbeitsloser junger Männer in seinem Kurzfilm "Le Hublot", die "Luke". Die Luke, das ist für die Jugendlichen der Ausblick auf das Meer. Stunden verbringen sie auf zwei Stühlen und blicken in die endlose Weite, erzählen von ihren Hoffnungen und Sehnsüchten.

    Als ihnen diese Luke verschlossen wird, nimmt die Geschichte ihren tragischen Lauf. Trotz der Dramatik empfindet Anis Djaad seinen Film als hoffnungsvoll:

    "Es ist viel Hoffnung in dem Film. Er verrät viel von über die aktuelle Situation der Jugend in Algerien und im Maghreb. Er erzählt von einem Horizont, der momentan versperrt ist. Es geht um Freizügigkeit, Freiheitsstreben und dem Gefühl des Gefangenseins. Das zusammen erzeugt Gewalt. Aber man darf nicht sagen, es gibt keine Hoffnung, sonst leben wir nicht mehr."

    Anis Djaad glaubt, dass er durch seinen Film kulturelle Werte vermitteln kann. Bei den wenigen Vorführungen im eigenen Land reagieren die Besucher auf seine Botschaft:

    "Die Jugendlichen verlassen den Kinosaal und sagen mir: Genau so leben wir heute."

    Die 22 Filme und elf Gäste bieten ein breites Spektrum afrikanischen Films: Kurzfilme, Dokumentarfilme aber auch Spielfilme, Geschichten über das Leben von Beduinenfrauen in der Wüste Sinais, über staatliche Repression in Tunesien vor 40 Jahren und das Porträt eines alten algerischen Gitarristen. Südafrika bildet einen weiteren Schwerpunkt der Filmreihe, denn zwischen Nord und Süd gibt es für Karl Rössel Gemeinsamkeiten:

    "In diesem Jahr haben wir uns für die beiden Regionen Nord- und Südafrika entschieden, weil dort im Moment das spannendste Kino passiert. Da ist in der letzten Zeit eine große Dynamik im Filmschaffen. In Nordafrika vor allem bedingt durch die politischen Umwälzungen der letzten zwei Jahre, die einfach ganz neue Freiräume für Filmschaffende geschaffen haben. Und in Südafrika ist es einfach interessant zu sehen, wie sich das Kino entwickelt hat, 20 Jahre nach dem Ende der Apartheid."

    Der Nachfolgeregierung, dem ANC, gelingt es noch nicht, die Folgen der jahrhundertelangen Unterdrückung aufzufangen. Die Filme aus Südafrika erzählen von Slumbewohnern, die sich gegen Schlägertruppen wehren, von dem Kampf um den Erhalt und die Aufwertung der Sprache Afrikaans, der Sprache der niederländischen Unterdrücker und von der Vertreibung von Slumbewohnern durch die neue Regierung, die in der Beziehung der alten sehr ähnelt.

    Bis auf einen sind alle Filme, die die Reihe zeigt, in den letzten Jahren entstanden und geben facettenreich die aktuelle Stimmung in dem nördlichen und südlichen Teil des afrikanischen Kontinents wieder.


    Mehr zum Thema:

    Die Macht des afrikanischen Kinos
    Das internationale Filmfestival von Durban
    Rap aus dem Flüchtlingslager
    Neu im Kino: "Can't be silent" von Julia Oelkers
    Einblicke in den afrikanischen Alltag
    Projekt im Operndorf in Burkina Faso mit Jugendlichen
    <li_1998798>Realität trifft Hoffnung auf der Berlinale/LI_1998798>
    Chef des Berliner Filmfests erwartet hochaktuelle Themen</li_1998798>