Doris Schäfer-Noske: Was die einen als "Glasdiamanten" preisen, ist für die anderen ein monströser Fremdkörper, viel zu groß und hässlich. Nun hat sich in die aktuelle Diskussion Altkanzler Helmut Schmidt eingeschaltet mit einem Warnruf, den er in der Wochenzeitung "DIE ZEIT" veröffentlicht hat. Frage an Hanno Rauterberg: Hat denn Helmut Schmidt Recht, wenn er sich über die Pläne so aufregt?
Hanno Rauterberg: Ja, das Gebäude ist leider total banal und belanglos. Es sieht aus, wie ein aufgeplatztes Aquarium, anders kann man das nicht sagen. Es ist etwas, das an diesem Ort ganz böse Spuren hinterlassen wird, für das man sich in zehn Jahren, glaube ich, schon schämen wird oder sich fragen wird: Wir konnte irgendjemand verantworten, dieses Gebäude zu bauen?
Schäfer-Noske: Helmut Schmidt hat kritisiert, der Entwurf nehme weder auf die Geschichte des Platzes Rücksicht, noch auf Tradition und das städtebauliche Umfeld. Ist das so?
Rauterberg: Ja, er nimmt wenig Rücksicht. Es gibt zwar hinten einen Riegel, der aus Backstein bestehen soll und in dem Wohnungen angesiedelt sind, der Rest ist aber doch so ein sehr frei komponierter Körper - wogegen erst mal nichts zu sagen ist. Das Problem ist nur, dass es tatsächlich eine sehr sensible Stelle ist. Sie steht dort, wo ursprünglich mal die Hammerburg war, also die Gründungszelle der Stadt, und wo später der Dom stand und wo heute noch die Petrikirche steht, gleich hinter der Mönkebergstraße. Also eine historisch hoch sensible Situation. Man muss darauf nicht, so wie Helmut Schmidt das fordert, unbedingt mit Backstein antworten, also ein neues Gebäude aus Backstein errichten. Man kann auch mit Glas oder mit Holz oder mit anderen Materialien arbeiten. Ich glaube, es muss nur ein kluger Entwurf sein, einer, der nicht so pompös auftritt und, ja, auch auf eine gewisse Weise intelligent ist. Das Problem dieses Entwurfes ist es, dass er so ruppig auftritt und wenig Ausgleich schafft und wenig auf seine Nachbarn schaut.
Schäfer-Noske: Helmut Schmidt sagt auch, dass sei eine Art der globalisierten Allerweltsarchitektur, das könnte genauso gut woanders stehen.
Rauterberg: Ähnlich sehen Versicherungen oder Autohäuser aus. Und ich habe nichts gegen ein Autohaus irgendwo in Norderstedt am Rande von Hamburg, das so aussieht, das so ein großes Glashaus bildet. Aber dies ist nun mal nicht Norderstedt und es ist auch kein Autohaus, das entstehen soll, sondern eher so etwas wie ein zweites Rathaus, in dem dann auch die Zentralbibliothek unterkommen soll. Also ein Gebäude, mit dem sich ganz Hamburg identifizieren soll, das die Leute auch ansprechen soll - und das tut dieser Bau überhaupt nicht. Nun sagt der Bausenator, Michael Freitag: Na ja, das Centre Pompidou in Paris, das hat auch anfangs keine Freunde gehabt. Aber leider ist dieser Entwurf von Auer + Weber nicht im Entferntesten so gut und klug und ausgeklügelt wie das Centre Pompidou oder gar das Guggenheim Museum von Frank Gehry in Bilbao.
Schäfer-Noske: Wie kam es denn dazu, dass nach 60 Jahren so plötzlich ein Architektenentwurf für diesen Platz ausgewählt wurde?
Rauterberg: Es ist so, dass in Hamburg ja im Prinzip eine zweite Innenstadt gebaut wird im Moment, die so genannte Hafencity. Also auf den alten Kaianlagen, die ja nicht mehr gebraucht werden, entstehen neue Büro- und auch viele neue Wohnhäuser. Und das ist natürlich schon in unmittelbarer Lage zur alten Innenstadt eine enorme Konkurrenz zu dieser. Dort soll auch die Elbphilharmonie entstehen - ein spektakuläres Glasgebäude, übrigens, von Herzog und De Meuron auf einem alten Kaispeicher. Und natürlich merkt man schon jetzt, dass die alte Innenstadt Konkurrenz bekommt und dass sie sehen muss, dass sie ebenfalls attraktive Orte schafft - der Jungfernstieg, der jetzt gerade erneuert worden ist, das ist so ein Ort. Und auch sollte eigentlich dieser Entwurf für den Domplatz mit der Elbphilharmonie mithalten können. Aber er tut es leider überhaupt nicht.
Schäfer-Noske: Sie haben die Elbphilharmonie gerade angesprochen. Die Stiftung Elbphilharmonie hat ein halbes Jahr nach ihrer Gründung bereits 62,45 Millionen Euro gesammelt, wie heute bekannt wurde. Hätte man das denn beim Domplatz nicht auch machen können, über Spenden?
Rauterberg: Ich glaube, wenn man einen attraktiven Entwurf hat, dann sind die Hamburger für vieles zu begeistern. Diese Elbphilharmonie, wie gesagt auch ein Glasgebäude auf einem großen Backsteinsockel, hat die Herzen - wirklich, man kann es nicht anders sagen - im Sturm erobert, dadurch dass der Entwurf einfach so überzeugend, so prägnant ist. Und die Leute hier sind bereit, viel Geld zu geben. In diesem Falle aber hat man sich für ein ganz anderes Modell entschieden und das ist, finde ich, noch der eigentliche Skandal, der bislang nicht diskutiert wird, nämlich dieses Grundstück, die Keimzelle Hamburgs zu verkaufen an einen Investor. Dieser Investor soll nun dieses Gebäude, das dort entstehen soll, bauen. Und damit begibt man sich natürlich in eine Zwangssituation. Der Investor sagt: Ich muss mit dem Gebäude Geld verdienen. Und er hat natürlich völlig Recht mit diesem Anliegen. Aber er kann das Haus auch nur für einen bestimmten Betrag bauen. Alles, was darüber liegt, kann er nicht finanzieren. Und das heißt auch: Er muss an dem, was man Schönheit nennen könnte, sparen. Also er braucht einen Entwurf, der möglichst rational ist und möglichst viele unterschiedliche Funktionen beherbergen kann. Denn die Stadt sagt gleichzeitig: Wir wollen ja eigentlich nur zehn Jahre drin bleiben, viel länger wollen wir uns nicht bieten. Das heißt, er muss seine Architektur so auslegen, dass sie auch für eine Bank, eine Versicherung, ein Kaufhaus im Zweifelsfalle in zehn Jahren dann wieder vermietbar ist. Und so sieht das Gebäude dann auch aus: Allerweltsarchitektur.
Schäfer-Noske: Wie wird es denn jetzt weitergehen?
Rauterberg: Ich hoffe sehr, dass diese Diskussion dazu führt, dass es sich der Oberbürgermeister, Ole von Beust, noch mal überlegt. Der hat sich nämlich, als er noch in der Opposition war, auch schon mal zum Domplatz geäußert und hat damals gesagt: Mensch, das wäre doch ein schöner, offener Platz für Hamburg, wenn wir den schön gestalten mit Bäumen und mit einer Steinfläche, in der eingelassen dann die ursprünglichen Konturen des Doms und auch der Hammerburg abzulesen sind, das wäre doch wunderbar, dazu ein kleines Informationszentrum. Ich finde, er hat damals eine sehr kluge Lösung vorgeschlagen.
Hanno Rauterberg: Ja, das Gebäude ist leider total banal und belanglos. Es sieht aus, wie ein aufgeplatztes Aquarium, anders kann man das nicht sagen. Es ist etwas, das an diesem Ort ganz böse Spuren hinterlassen wird, für das man sich in zehn Jahren, glaube ich, schon schämen wird oder sich fragen wird: Wir konnte irgendjemand verantworten, dieses Gebäude zu bauen?
Schäfer-Noske: Helmut Schmidt hat kritisiert, der Entwurf nehme weder auf die Geschichte des Platzes Rücksicht, noch auf Tradition und das städtebauliche Umfeld. Ist das so?
Rauterberg: Ja, er nimmt wenig Rücksicht. Es gibt zwar hinten einen Riegel, der aus Backstein bestehen soll und in dem Wohnungen angesiedelt sind, der Rest ist aber doch so ein sehr frei komponierter Körper - wogegen erst mal nichts zu sagen ist. Das Problem ist nur, dass es tatsächlich eine sehr sensible Stelle ist. Sie steht dort, wo ursprünglich mal die Hammerburg war, also die Gründungszelle der Stadt, und wo später der Dom stand und wo heute noch die Petrikirche steht, gleich hinter der Mönkebergstraße. Also eine historisch hoch sensible Situation. Man muss darauf nicht, so wie Helmut Schmidt das fordert, unbedingt mit Backstein antworten, also ein neues Gebäude aus Backstein errichten. Man kann auch mit Glas oder mit Holz oder mit anderen Materialien arbeiten. Ich glaube, es muss nur ein kluger Entwurf sein, einer, der nicht so pompös auftritt und, ja, auch auf eine gewisse Weise intelligent ist. Das Problem dieses Entwurfes ist es, dass er so ruppig auftritt und wenig Ausgleich schafft und wenig auf seine Nachbarn schaut.
Schäfer-Noske: Helmut Schmidt sagt auch, dass sei eine Art der globalisierten Allerweltsarchitektur, das könnte genauso gut woanders stehen.
Rauterberg: Ähnlich sehen Versicherungen oder Autohäuser aus. Und ich habe nichts gegen ein Autohaus irgendwo in Norderstedt am Rande von Hamburg, das so aussieht, das so ein großes Glashaus bildet. Aber dies ist nun mal nicht Norderstedt und es ist auch kein Autohaus, das entstehen soll, sondern eher so etwas wie ein zweites Rathaus, in dem dann auch die Zentralbibliothek unterkommen soll. Also ein Gebäude, mit dem sich ganz Hamburg identifizieren soll, das die Leute auch ansprechen soll - und das tut dieser Bau überhaupt nicht. Nun sagt der Bausenator, Michael Freitag: Na ja, das Centre Pompidou in Paris, das hat auch anfangs keine Freunde gehabt. Aber leider ist dieser Entwurf von Auer + Weber nicht im Entferntesten so gut und klug und ausgeklügelt wie das Centre Pompidou oder gar das Guggenheim Museum von Frank Gehry in Bilbao.
Schäfer-Noske: Wie kam es denn dazu, dass nach 60 Jahren so plötzlich ein Architektenentwurf für diesen Platz ausgewählt wurde?
Rauterberg: Es ist so, dass in Hamburg ja im Prinzip eine zweite Innenstadt gebaut wird im Moment, die so genannte Hafencity. Also auf den alten Kaianlagen, die ja nicht mehr gebraucht werden, entstehen neue Büro- und auch viele neue Wohnhäuser. Und das ist natürlich schon in unmittelbarer Lage zur alten Innenstadt eine enorme Konkurrenz zu dieser. Dort soll auch die Elbphilharmonie entstehen - ein spektakuläres Glasgebäude, übrigens, von Herzog und De Meuron auf einem alten Kaispeicher. Und natürlich merkt man schon jetzt, dass die alte Innenstadt Konkurrenz bekommt und dass sie sehen muss, dass sie ebenfalls attraktive Orte schafft - der Jungfernstieg, der jetzt gerade erneuert worden ist, das ist so ein Ort. Und auch sollte eigentlich dieser Entwurf für den Domplatz mit der Elbphilharmonie mithalten können. Aber er tut es leider überhaupt nicht.
Schäfer-Noske: Sie haben die Elbphilharmonie gerade angesprochen. Die Stiftung Elbphilharmonie hat ein halbes Jahr nach ihrer Gründung bereits 62,45 Millionen Euro gesammelt, wie heute bekannt wurde. Hätte man das denn beim Domplatz nicht auch machen können, über Spenden?
Rauterberg: Ich glaube, wenn man einen attraktiven Entwurf hat, dann sind die Hamburger für vieles zu begeistern. Diese Elbphilharmonie, wie gesagt auch ein Glasgebäude auf einem großen Backsteinsockel, hat die Herzen - wirklich, man kann es nicht anders sagen - im Sturm erobert, dadurch dass der Entwurf einfach so überzeugend, so prägnant ist. Und die Leute hier sind bereit, viel Geld zu geben. In diesem Falle aber hat man sich für ein ganz anderes Modell entschieden und das ist, finde ich, noch der eigentliche Skandal, der bislang nicht diskutiert wird, nämlich dieses Grundstück, die Keimzelle Hamburgs zu verkaufen an einen Investor. Dieser Investor soll nun dieses Gebäude, das dort entstehen soll, bauen. Und damit begibt man sich natürlich in eine Zwangssituation. Der Investor sagt: Ich muss mit dem Gebäude Geld verdienen. Und er hat natürlich völlig Recht mit diesem Anliegen. Aber er kann das Haus auch nur für einen bestimmten Betrag bauen. Alles, was darüber liegt, kann er nicht finanzieren. Und das heißt auch: Er muss an dem, was man Schönheit nennen könnte, sparen. Also er braucht einen Entwurf, der möglichst rational ist und möglichst viele unterschiedliche Funktionen beherbergen kann. Denn die Stadt sagt gleichzeitig: Wir wollen ja eigentlich nur zehn Jahre drin bleiben, viel länger wollen wir uns nicht bieten. Das heißt, er muss seine Architektur so auslegen, dass sie auch für eine Bank, eine Versicherung, ein Kaufhaus im Zweifelsfalle in zehn Jahren dann wieder vermietbar ist. Und so sieht das Gebäude dann auch aus: Allerweltsarchitektur.
Schäfer-Noske: Wie wird es denn jetzt weitergehen?
Rauterberg: Ich hoffe sehr, dass diese Diskussion dazu führt, dass es sich der Oberbürgermeister, Ole von Beust, noch mal überlegt. Der hat sich nämlich, als er noch in der Opposition war, auch schon mal zum Domplatz geäußert und hat damals gesagt: Mensch, das wäre doch ein schöner, offener Platz für Hamburg, wenn wir den schön gestalten mit Bäumen und mit einer Steinfläche, in der eingelassen dann die ursprünglichen Konturen des Doms und auch der Hammerburg abzulesen sind, das wäre doch wunderbar, dazu ein kleines Informationszentrum. Ich finde, er hat damals eine sehr kluge Lösung vorgeschlagen.