Archiv


Sparen beim Wechseln

Deutschlands Strom- und Gaskunden werden rebellisch. Sie lassen sich Preiserhöhungen nicht mehr einfach so gefallen. Aber wer zu einem preiswerteren Anbieter wechseln will, muss den erst einmal finden. Dabei hilft ein Internetportal aus Heidelberg.

Von Theo Geers |
    Dagmar Ginzel kommt mit dem Zählen offenkundig nicht mehr nach. Dabei müsste sie eigentlich wissen, ob Verivoxschon über 400 Mitarbeiter hat oder erst gut 300, wie sie es bis gerade noch glaubte. Dagmar Ginzel ist das Gesicht, genauer die Pressesprecherin des Heidelberger Unternehmens, bei dem früher oder später fast jeder deutsche Strom- und Gaskunde landet, wenn er im Internet nach einem günstigeren Anbieter sucht.

    " So was wollen die denn wissen? Postleitzahl. Verbrauch 5500 kW - Anzeigen! 838,02 Euro - und meiner 1168. Ist ja irre. "

    Verivox macht den Preisvergleich bei Strom und Gas zum Kinderspiel. Ein paar Mausklicks am heimischen PC genügen und schon lassen sich dreistellige Beträge im Jahr sparen. Für Verbraucher ist der Service kostenlos und sie nehmen ihn an. Als E.ON, RWE und über 300 andere Stadtwerke und Regionalversorger im Oktober und November Preiserhöhungen zum 1. Januar ankündigten, wechselten allein im November 100.000 Stromkunden über Verivox ihren Anbieter. Ein einsamer Rekord, der auch in Heidelberg Umsatz, Gewinn und die Zahl der Mitarbeiter steigen lässt. Denn Verivox macht nicht nur den Preisvergleich, sondern auch den Wechsel des Strom- und Gaslieferanten zum Kinderspiel.

    Das ist die andere Seite des Geschäftsmodells von Verivox: Den für die Verbraucher kostenlosen Tarifrechner zahlen letztlich solche Strom- und Gasversorger, die über Verivox auf Kundenfang gehen.

    "Zu welchem Anbieter möchten Sie denn Informationen haben?"

    Sie zahlen Verivox für jeden neuen Verbraucher, den sie über das Internetportal gewinnen, eine Prämie.

    " Mit unserem Portal bieten wir Verbrauchern an, direkt über uns zu wechseln. Das heißt, Sie müssen die Seite nicht mehr verlassen oder wenn sie in der Hotline sind, können sie all ihre Daten uns geben und direkt über uns wechseln, und dafür bekommen wir eine Provision. Wir verdienen auch Geld über Werbung auf dem Portal, das ist im Internet üblich. "

    Vor einen Karren spannen läst sich Verivox trotzdem nicht. Das Internetportal versteht sich als unabhängiger Makler zwischen Kunden und Konzernen:

    " Niemand kann durch einen Kooperationsvertrag seine Stellung im Tarifrechner beeinflussen, weil das einzige Kriterium da ist tatsächlich der Preis. Das heißt, der günstigste Preis steht immer oben, und es ist egal, ob wir mit dem eine Kooperation haben oder den Wechselprozess machen: Wenn er zu teuer ist, steht er leider unten. "

    56 Millionen Euro Umsatz erzielte Verivox im letzten Jahr. Der Löwenanteil davon entfiel noch auf den Verkauf von Prepaid-Karten für Handys. Doch der so aufgeblähte Umsatz schrumpft, weil sich Verivox in diesem Jahr auf seine Ausnahmestellung bei den Strom- und Gaspreisvergleichen konzentriert. Denn daraus lässt sich noch mehr Kapital schlagen: Wirtschaftsminister, die wissen wollen, wie sich die Energiepreise in ihrem Bundesland entwickelt haben, zahlen für Preisstudien von Verivox ebenso wie Zeitungen, die beispielsweise eine Leseraktion zu dem populären Thema planen, wie ein Strom- oder Gaskunde den Preiserhöhungen ein Schnäppchen schlagen kann. Und so schreibt Verivox - natürlich - längst schwarze Zahlen. Genauer: seit 2002. Fünf Jahre zuvor, 1997, hatten die damaligen Oxford-Studenten Andrew Goodwin und Alexander Preston Verivox gegründete. Den beiden Briten gehört mit 51 Prozent immer noch die Mehrheit, 49 Prozent hält ein irischer Medienkonzern aus Dublin. Doch über ihr Unternehmen reden wollen die beiden Briten nicht. Öffentliche Auftritte sind nicht ihre Sache. Wichtiger als Personen ist bei Verivox ohnehin der Datenschatz, der in zehn Jahren akribischer Arbeit angehäuft wurde:

    " Wir habe in unserer Datenbank Daten von 900 Stromanbietern mit 8300 Stromtarifen. Und wenn wir uns den Gasbereich angucken, haben wir 740 Gasanbieter mit 6400 Gastarifen, das macht in der Summe 14.700 Tarife in dieser Datenbank. "

    Dieser Datenschatz wird gehegt und gepflegt von 15 Mitarbeitern, die nichts anders tun, als Preiserhöhungen aufzuspüren und diese Informationen dann in den Tarifrechner einzustellen.

    " Wir garantieren die Tagesaktualität dieser Daten, "

    unterstreicht Dagmar Ginzel denn auch, und sie lobt dabei auch die vielen Verbraucher, die ohne zu zögern bei Verivox anrufen oder eine Mail schicken, wenn daheim der Strom- oder Gaspreis wieder einmal angehoben wird. Auch das erhöht die Verlässlichkeit der Daten, für die hohe Standards gelten:

    " Seriosität. Wir würden schon sagen, dass die, die bei uns drin sind, schon seriös sind, einfach weil wir so viele Kriterien haben, wo wir gucken, ob das alles passt, ob der Versorger den Wechselprozess bewältigen kann, ob der genügend finanzielle Mittel hat, also wir versuchen, uns über alles zu informieren, was dem Verbraucher hilft. Ob das Personal gut ausgebildet ist und - ganz wichtig - ob die Bundesnetzagentur diesen Anbieter zugelassen hat. Und wenn das der Fall ist, dann ist auch die Seriosität gegeben. "

    All dies macht Verivox zur unangefochtenen Nummer eins in Deutschland beim Vergleich von Strom- und Gaspreisen. Auf seinem ursprünglichen Terrain, dem Vergleich von Telefon- und Handytarifen, hat das Unternehmen dagegen Boden verloren. Das schmerzt, und so wird auch schnell klar, wo das Internetportal noch Wachstumschancen sieht.