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Sparen tut weh

Zu einer Sparklausur trifft sich das Kabinett am Sonntag und Montag, um festzulegen, wer auf wie viel Geld verzichten soll. Das Bundesfinanzministerium hat von allen Ministerien Sparvorschläge eingefordert. Doch wie sparen, wenn keiner wirklich sparen kann - oder will?

Von Constanze Hacke | 04.06.2010
    Neun Milliarden

    28 Milliarden

    64 Milliarden

    238 Milliarden

    538 Milliarden

    1210 Milliarden

    1579 Milliarden

    1692 Milliarden

    Minus 1,69 Billionen Euro.


    Seit Bestehen der Bundesrepublik ist der Schuldenberg der öffentlichen Haushalte stetig gewachsen. Summierten sich die Kredite Anfang der 50er-Jahre noch im einstelligen Milliarden-Bereich, beläuft sich die Verschuldung zum Jahresende 2009 auf 1,69 Billionen Euro. Auf den einzelnen Einwohner gerechnet, sind das inzwischen knapp 20.000 Euro Staatsschulden; 1950 kosteten die öffentlichen Kredite den einzelnen Einwohner nur 190 Euro.

    Die absolute Summe der öffentlichen Schulden allein jedoch ist - trotz ihrer beeindruckend hohen Zahl - noch nicht das Beunruhigende. In welchem Tempo die Schulden wachsen, ist die entscheidendere Größe. Und auch hier hat Deutschland inzwischen Rekordwerte erreicht: Die Verschuldung von Bund, Ländern und Gemeinden stieg im vergangenen Jahr um 7,1 Prozent – der zweitgrößte Schuldenzuwachs seit Bestehen der Bundesrepublik. Nur 1995 schnellte die Entwicklung noch mehr nach oben, als die Schulden der Treuhand und anderer Sonderkredite für die Wiedervereinigung in die statistische Rechnung mit einflossen.

    Die aktuelle Zunahme der Staatsverschuldung ist vor allem der Wirtschafts- und Finanzkrise geschuldet. Konjunkturprogramme kosten Geld, das der Staat in schlechten Zeiten eigentlich nicht hat. Auch die Rettung von Banken kommt die öffentlichen Haushalte zumindest in puncto Kreditaufnahme teuer zu stehen. Immerhin: Für das laufende Jahr sind internen Berechnungen der Bundesregierung zufolge nur noch 70 Milliarden Euro neue Schulden geplant. Ursache sind in erster Linie die leichte Besserung am Arbeitsmarkt und damit weniger Ausgaben für Arbeitslose – und das fallende Zinsniveau für Kredite. Die Schuldenstandsquote, also die Gesamtverbindlichkeiten bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt und damit auf die Wirtschaftsleistung, bleibt trotzdem prozentual enorm hoch. Frank Zschaler, Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Eichstätt, erklärt, wo hier die Probleme liegen:

    "Dass der Staat sich verschuldet und vielleicht mit dem geliehenen Geld etwas Sinnvolles anfängt, ist legitim. Ein moderner Staat, der das gar nicht tut, verfügt entweder über sehr hohe Einkommen aus dem Abbau von Rohstoffen oder er macht irgendwas falsch. Das Zweite ist, dass es uns zu wenig gelingt, in Krisenzeiten Rücklagen zu bilden. Von Franz Josef Strauß stammt das Wort 'Eher hütet ein Mops einen Braten als ein Parlament einen Haushaltsüberschuss' – und ein bisschen was ist da dran."

    Staatsausgaben: eine Gratwanderung für jeden Politiker, der dafür gewählt worden ist, gesellschaftliche Prioritäten zu setzen – und nicht unbedingt dafür, einen öffentlichen Haushalt zu sanieren und Steuergelder auf die hohe Kante zu legen. Der haushaltspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Otto Fricke, benennt das Dilemma.

    "Letztlich beruht ein Haushaltsdefizit auf zwei Gründen, nämlich dem ersten Grund, dass die Akzeptanz der Realitäten nicht da ist. "Wir müssen doch", "es muss doch möglich sein", "in unserem Land muss man doch dafür Geld haben". Und das Zweite ist, dass wir immer noch recht preiswert Geld bekommen. Das kann jeder Bürger sich selbst immer fragen, wie gerät er selbst in Verschuldung. Einerseits, wenn er sich überschätzt, andererseits, wenn er jemand findet, der ihm Geld gibt."

    In der Tat wird nicht nur der Schuldenberg größer, sondern auch die Tendenz, dass die Verschuldung des Staates stärker wächst als die volkswirtschaftliche Gesamtleistung. 2009 belief sich die Schuldenquote auf 74 Prozent, für das nächste Jahr rechnet die EU-Kommission für Deutschland mit einer Quote von über 80 Prozent. Und das, obwohl die Obergrenze laut Maastricht-Vertrag doch bei 60 Prozent liegt. Ein Trend, den Andreas Bley, Chefvolkswirt des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, für besorgniserregend hält:

    "Wir wissen von vielen Ländererfahrungen, dass Quoten, die zwischen 20 und 60 Prozent liegen, eigentlich keine großen Probleme verursachen. Damit können Volkswirtschaften gut umgehen. Wir sind jetzt in der nächsten Stufe, die so etwa von 60 bis 90 Prozent geht. Da ist sozusagen die Ampel schon auf Gelb geschaltet. In dem Bereich machen sich die negativen Wirkungen langsam bemerkbar. Und wenn die Staatsschuld irgendwann bei 90 Prozent liegt, dann ist die Warnampel auf Rot. Ich denke, dass der Fokus, einseitig auf die Staatsschulden zu gucken, nur deswegen gerechtfertigt ist, weil wir da in der Quote einfach jenseits von Gut und Böse sind."

    Gute Schulden, schlechte Schulden?

    Rot ist derzeit die beherrschende Farbe im Haushalt. Und die neue Schuldenregel, die den Staat ab dem nächsten Jahr dazu verpflichtet, die Nettokreditaufnahme abzubauen, zwingt die Politik zum Handeln. Am Wochenende ist es soweit: In einer Sparklausur im Bundeskanzleramt in Berlin trifft sich das Kabinett, um festzulegen, wer auf wie viel Geld verzichten soll. Das Bundesfinanzministerium hat von allen Ministerien Sparvorschläge eingefordert: Aus dem geltenden Finanzplan ließen sich keine Besitzstände ableiten, heißt es in einem internen Schreiben des Ministeriums.

    Wie unumgänglich das Sparen momentan tatsächlich ist, ist unter Experten allerdings umstritten. Die strukturellen Defizite im Haushalt – also die Löcher, die auch ohne die Wirtschaftskrise da wären – beruhen demnach darauf, dass der Staat in guten Zeiten das Spargebot nicht wirklich ernst nimmt. Wolfgang Scherf, Professor für Öffentliche Finanzen an der Universität Gießen, hält das Thema Staatsverschuldung für emotional aufgeladen:

    "Was wir derzeit haben, ist eine sehr aufgeregte, sehr kurzatmige Spardiskussion, die der wirtschaftlichen Gesamtlage in keiner Weise gerecht wird. Sparpolitik in der derzeitigen Situation ist keine Lösung, sondern sie ist ein Problem, denn sie wird die Konjunkturlage weiter verschlechtern und damit die Löcher in den öffentlichen Haushalten wieder aufreißen, die man mit Sparpolitik eigentlich schließen möchte. Das wird aber nicht gelingen."

    Schulden sind demnach nicht per se schlecht, es hängt davon ab, wann man sie macht – und wofür. Gleiches gilt nach Ansicht von Wolfgang Scherf fürs Sparen. Der Professor für Öffentliche Finanzen sieht hier Reflexe, die sich in solchen Zeiten immer wieder zeigten:

    "Die läuft darauf hinaus, dass die Politik sich häufig prozyklisch verhält, also die Konjunkturschwankungen eher verschärft als sie zu bekämpfen. Dieses prozyklische Verhalten können Sie derzeit erkennen in einer unzeitigen Spardiskussion in der Rezession. Sie können es auch in wirtschaftlich besseren Zeiten immer erkennen, dass die dann bessere Haushaltslage keineswegs zum Anlass genommen wird, um die Schulden systematisch zu reduzieren. Sondern dann hat man die Spendierhosen an und verteilt Wahlgeschenke, die man in schlechteren Zeiten dann wieder einkassieren muss. Dahinter steckt meines Erachtens das einzelwirtschaftliche Denken, das die meisten Politiker prägt."

    Abwarten – und Schulden machen?

    Dass der Haushalt grundsätzlich und strukturell saniert werden muss, befürworten auch Experten. Aber auf welche Art und Weise – und vor allem in welcher Zeitspanne? Bei der Antwort auf diese Frage kommen die Politiker derzeit zu anderen Schlüssen. Möglichst schnell soll nun ein Sparpaket geschnürt werden. Und obwohl angeblich keine Liste aus dem Giftschrank existiert, kursieren doch bereits einige konkrete Vorschläge.

    - Verkleinerung der Bundeswehr und Aussetzung der Wehrpflicht: 400 Millionen Euro
    - Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses verschoben: 440 Millionen Euro
    - Streichen der Steinkohlesubventionen: 1,7 Milliarden Euro
    - Streichen des Elterngeldes: zwei Milliarden Euro
    - Arbeitsmarktprogramme reduzieren: drei Milliarden Euro
    - Einführung einer Brennelementesteuer: eine Milliarde Euro.


    Die Liste der Grausamkeiten ist bislang ein willkürlicher Mix aus Kürzungen, Subventionsabbau und Steuererhöhungen. Das Entscheidende aber ist: Finanziell reicht dies noch lange nicht aus. Für die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – OECD - hat zwar das Verringern von Ausgaben Vorfahrt. Hier ist nach Auffassung des OECD-Sprechers Matthias Rumpf aber das vollständige Einsparpotenzial noch nicht ausgeschöpft:

    "Da ist einmal die Effizienz des öffentlichen Sektors, da gibt es eine ganze Reihe von Sachen, die man tun kann: angefangen von der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Es ist sicherlich so, dass nicht jede Behörde in dem Maße, wie sie existiert, notwendig ist. Da gibt es eine ganze Reihe von Einsparungsmöglichkeiten, die man nutzen sollte. Das Gleiche gilt bei den Sozialausgaben. Im Gesundheitsbereich gibt es Kosten, die man reduzieren kann. Dann gibt es den ganzen Bereich von Subventionen aus dem Bereich Verkehr, Bergbau, Landwirtschaft."

    In Krisenzeiten wird regelmäßig die Forderung laut, Steuervergünstigungen und Subventionen zu durchforsten, zu kürzen – oder am besten einmal rundum streichen. Frei nach dem Rasenmäher-Prinzip einmal über alle Vergünstigungen drüber fahren. Sparvolumen scheint hier gegeben, weist doch der jüngste Subventionsbericht der Bundesregierung eine Summe von mehr als 58 Milliarden Euro aus.

    Vor Kurzem haben Finanzwissenschaftler der Universität Köln und des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung im Auftrag des Bundesfinanzministeriums den Effekt der 20 größten steuerlichen Subventionen in Deutschland bewertet. Das Resultat ist ernüchternd: Nur fünf davon sind tatsächlich effizient und erreichen ihr Ziel – etwa der Sparerfreibetrag oder auch die steuerliche Förderung der privaten Altersvorsorge. Viele andere müssten überarbeitet werden, weil sie – wie beispielsweise die Steuererleichterungen für Handwerkerdienste – für Mitnahmeeffekte sorgen oder weil sie unsystematisch sind, etwa der ermäßigte Umsatzsteuersatz für den öffentlichen Nahverkehr, den es im Fernverkehr nicht gibt.

    Ein ernstes Problem besteht vor allem darin, dass steuerliche Subventionen – einmal etabliert – nur sehr schwer wieder rückgängig zu machen sind. Die Empfänger haben sich an die Förderung per Steuergeschenk gewöhnt; Pläne, sie abzuschaffen oder zu kürzen, stoßen stets auf große Widerstände. Staatsfinanz-Experte Wolfgang Scherf warnt außerdem vor anderen Nebenwirkungen:

    "Wenn Sie hingehen und Subventionen in vielen Bereichen zurückfahren, dann hat das isoliert gesehen auch einen ungünstigen Effekt für die Konjunktur. Sie können aber diesen ungünstigen Effekt zum Beispiel durch staatliche Investitionsprogramme neutralisieren und dennoch langfristig die Subventionskürzungen als Plus für den Haushalt verbuchen. So kann man versuchen, Sparpolitik auf längere Sicht mit den konjunkturpolitischen Erfordernissen unter einen Hut zu bekommen."

    In Sachen Subventionsabbau ist in den vergangenen Jahren bereits einiges passiert. So erarbeiteten der damalige NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück und Hessens Noch-Ministerpräsident Roland Koch eine Liste von Kürzungsmöglichkeiten. Damit wurden in den Folgejahren etwa die Steuerfreibeträge für Abfindungen sowie Heirats- und Geburtsbeihilfen und die komplette Eigenheimzulage abgeschafft. Andere Steuervergünstigungen wurden erheblich gekürzt. Die Koch-Steinbrück-Liste gilt als eine der erfolgreichsten Sparaktionen der Bundesrepublik.

    Methode Sparschwein – oder doch lieber Methode Staatssäckel?

    Ob es reicht, den Rotstift bei den Ausgaben und Steuerausnahmen anzusetzen, bleibt zweifelhaft. Schon wird laut über so manche Steuererhöhung nachgedacht. Und sei sie nur indirekt. Gerade die Umsatzsteuer bietet dafür große Angriffsflächen. Immerhin hat sich die Bundesregierung schon im Koalitionsvertrag auf die Agenda geschrieben, eine Kommission einzusetzen, um sämtliche Ermäßigungen und Ausnahmen bei der Umsatzsteuer zu sichten. Und auch der Bundesrat hat sich heute dafür ausgesprochen, das Umsatzsteuerrecht strukturell neu zu ordnen – und ein schlüssiges Gesamtkonzept vorzulegen, das der Bürger auch versteht. Denn warum Arzneimittel oder Mineralwasser regulär besteuert werden und Hauskaninchen, Zirkusvorführungen oder eben Hotelübernachtungen dem reduzierten Umsatzsteuersatz unterliegen, entzieht sich inzwischen jeglicher Systematik. Aber auch auf anderen Gebieten sind steigende Steuern derzeit kein Tabu mehr. Eine Logik, die nach Einschätzung des Finanzhistorikers Zschaler in jeder Krise greift:

    "Das alte Muster, das Muster der Vormoderne, ist die Einführung neuer oder die Erhöhung bestehender Steuern. Also, dass Steuern die wichtigste Finanzierungsquelle des Staates sind, hängt vor allem mit dieser Art von Staatsfinanznot zusammen. Auch im Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg ist die Mehrwertsteuer als allgemeine Umsatzsteuer in vielen europäischen Staaten eingeführt bzw. wiedereingeführt worden. Der Staat hat also auf Besteuerungstatbestände zurückgegriffen, die bis dahin nicht von Steuern erfasst gewesen sind."

    Das gilt heute noch – wenn auch für andere Bereiche. Die OECD kritisiert schon länger, dass der Faktor Arbeit in Deutschland stärker mit Steuern und Sozialabgaben belastet wird als anderswo, und sieht hier Handlungsbedarf. OECD-Sprecher Matthias Rumpf:

    "Aus unserer Sicht sollte die Einnahmenstruktur so umgestaltet werden, dass man die Steuern dort erhebt, wo man Wachstum am wenigsten gefährdet. Und da spielt die Besteuerung von Vermögen sicherlich eine Rolle, die ist in Deutschland im OECD-Vergleich relativ gering. Das liegt vor allem daran, dass in Deutschland der Grundbesitz relativ gering besteuert wird. Bei der Vermögensteuer ist das ein bisschen schwieriger, da ist das Aufkommen sicherlich gering. Wir denken, dass es überhaupt – wenn man sich die Einnahmenstruktur anschaut – dann sollte es um eine Verlagerung der Steuerbasis hin zu Grundbesitz und sicherlich auch Konsum gehen. Da ist die Mehrwertsteuer, aber auch Umweltsteuern spielen da eine größere Rolle."

    Tragfähige Konzepte oder Ablenkungsmanöver?

    Wenn es um die mittelfristige Sanierung der Staatsfinanzen geht, bleibt das Prinzip Steuererhöhung dennoch die Notlösung. Allerdings eine, die der Politik immer wieder leicht fällt, räumt der FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke ein:

    "Der Reflex, dann zu sagen, wie zeige ich denn jetzt den Bürgern, dass ich verstanden habe, dass wir sparen müssen, geht am besten dadurch, dass ich eine möglichst kleine Gruppe treffe, die nicht beliebt ist. Beispiel: Die Erhöhung der Tabaksteuer ist immer eine relativ einfache und populäre Maßnahme nach dem Motto Rauchen wollen wir ja sowieso nicht, ist ja eigentlich schädlich (wir verdienen aber trotzdem gern zehn Milliarden im Jahr daran). Und wenn man das dann erhöht, ist das gut. Und wenn wir dann noch so tun, als würden wir genau diese Steuereinnahmen für die Gesundheit benutzen, ist es doppelt gut."

    Aus diesem Grund lehnt Fricke jegliches Tabu im Bereich Sparen ab. Wie das gehen kann, machen dem Bund derzeit einige Länder vor. So beschäftigt sich in Hessen eine Regierungskommission mit der Haushaltsstruktur des Landes: Ausgabenblöcke werden auf den Prüfstand gestellt und mit anderen Bundesländern verglichen. So wollen die Experten Schwächen erkennen und die Effizienz der Ausgaben verbessern. Schleswig-Holstein ist schon einen Schritt weiter: Dort hat eine ähnliche Kommission einen Sparplan ausgearbeitet, der keinen Bereich ausnimmt. Weniger öffentliches Personal, höhere Pensionsgrenzen, Straßen werden nur noch ausgebessert und nicht mehr neu gebaut; Privatisierungserlöse dafür genutzt, Forschungseinrichtungen zu unterstützen.

    Ein Modell auch für den Bund? Zumindest das Prinzip, dass alle Ressorts Sparvorschläge vorlegen müssen, gilt auch hier. Denn wenn man nicht in der Lage ist, bei sich selbst zu sparen, werden das Andere für einen erledigen. Ob der Leidensdruck allerdings groß genug ist, dass der Sparmoment auch für nachhaltige Sanierung genutzt wird, ist noch fraglich. Der Chefvolkswirt des Bundesverbands der Volks- und Raiffeisenbanken, Andreas Bley:

    "Wir haben sehenden Auges die Schuldenquote erhöht, weil es konjunkturpolitisch nach dem Kollaps von Lehman Brothers 2008 richtig erschien. Und ich finde dass immer noch, dass die Entscheidung völlig richtig war, diese Konjunkturprogramme dann durchzuführen. Nur muss jetzt eben symmetrisch dann in die andere Richtung gearbeitet werden. Eine Konsolidierung konsequent in langsamen Schritten könnte sicherlich 20 Jahre dauern, bis wir wieder im grünen Bereich – also bei einer Verschuldung, die deutlich unterhalb der Marke von 60 Prozent liegt. Aber wenn wir so langsam vorgehen, langsam aber entschlossen, dann können wir diese Konsolidierung schaffen, ohne dass wir die Wirtschaft zu stark dabei belasten."

    Eine schwierige Strategie: sparen, aber eben nicht nur, wenn es die Not erfordert. Ohne Hektik, sondern mit langem Atem, gewissermaßen als haushalterisches Prinzip. Damit die öffentlichen Kassen nicht auf Dauer aus dem Ruder laufen. Vielleicht wäre der Augenblick für den Start in eine solche nachhaltige Finanzpolitik jetzt günstig.