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Sparflieger aus Plastik

Luftfahrt. - Mit einer riesigen Show präsentierte Boeing gestern in Everett im Bundesstaat Washington den "787 Dreamliner" der Öffentlichkeit. Der Clou von Boeings Hoffnungsträger: Der Dreamliner besteht zu weiten Teilen aus modernen und extrem leichten Verbundstoffen. Professor Elmar Breitbach vom Institut für Faserverbundleichtbau und Adaptronik beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Braunschweig erläutert Vor- und Nachteile im Gespräch mit Uli Blumenthal.

    Uli Blumenthal: Herr Professor Breitbach, Sie sind Leiter des Instituts für Faserverbundleichtbau und Adaptronik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Braunschweig. Wie groß sind die Herausforderungen, aber auch die Risiken, die Boeing durch Einsatz von Kunststoffen beim Dreamliner eingeht?

    Elmar Breitbach: Also im Wesentlichen sind das Fertigungsprobleme, die hier eine große Rolle spielen. Das Risiko liegt also in der Fertigung, und zwar in der Internationalisierung der Fertigung. Das heißt, Boeing spannt eine ganze Menge Zulieferer ein, die die einzelnen Segmente dieses gewickelten Rumpfes liefern. Und da spielt natürlich die Toleranz zwischen den einzelnen Liefergruppen eine ganz wesentliche Rolle und da gibt es auch die wesentlichen Probleme.

    Blumenthal: Sie haben den Begriff "gewickelten" Rumpf gerade angesprochen. Wie wird dieser Rumpf hergestellt, wie muss man sich seine Fertigung vorstellen?

    Breitbach: Sie müssen sich das so vorstellen, dass diese Röhre - als Ganzes natürlich in Längsrichtung in Segmente aufgeteilt - gewickelt wird. Das heißt also, es entstehen Teilröhren durch Wickeln, durch ein "Endlos-Aufwickeln" dieser Kohlenstofffasern, die natürlich getränkt sind mit Kunststoff. Und dieses Wickeln produziert dann nach dem Aushärten eine Rumpfröhre, die dann mit den anderen Rumpfröhren verbunden werden.

    Blumenthal: Wie unterscheidet sich das Verbinden dieser Rumpfröhren aus Kunststoff gegenüber dem traditionellen Verfahren des Nietens von Aluminium?

    Breitbach: Bei dem Nieten mit Aluminium sieht das so aus, dass Einzelschalen gefertigt werden. Diese Einzelschalen werden aneinander gefügt durch Nietung. Das ist also ein wesentlich einfacherer Prozess, wird aber hier verlassen aus Kostengründen. Man sagt also, man möchte sozusagen möglichst große Einzelteile in einem Stück fertigen. Übrigens geht diesen Weg auch Airbus mit der A350, nur dass nicht gewickelt wird, sondern große Segmente gefertigt und aneinander gefügt werden, die übrigens dann auch aus CFK, das heißt also aus Kohlenstofffaser verstärktem Kunststoff bestehen.

    Blumenthal: Und wie wird dieses Zusammenfügen dann realisiert?

    Breitbach: Im Wesentlichen liegt hier nahe, die Dinger aneinander zu kleben und das ist eigentlich das Mittel der Wahl, das heißt also, Klebetechnik spielt hier eine ganz wesentliche Rolle, obwohl natürlich die Erfahrung aus bisherigen Kohlenstofffaser verstärkten Bauteilen zeigt, das man immer noch so ein bisschen das Risiko scheut und so genannte "Angstniete" mit verarbeitet. Das heißt also, man macht so etwas wie "black metal" oder "schwarzes Metall", was heißt also, man behandelt die Kunststoffteile wie Metallteile. Das ist allerdings nicht das Mittel der Wahl, sondern in Zukunft muss das natürlich anders laufen.

    Blumenthal: Nun soll aber auch ein so sensibler Bereich wie die Flügel aus Kunststoff hergestellt werden. Wie groß ist das Risiko für einen Hersteller wie Boeing auf diesen sensiblen Bereich bei dieser großen Maschine einzugehen?

    Breitbach: Das Risiko ist natürlich auch bei dem Flügel gegeben, das ist auch relativ groß, ist aber im Prinzip nicht so groß wie beim Rumpf, weil im Flügel natürlich keine Passagiere sitzen. Der Rumpf ist das eigentlich kritische Bauteil, und das geht man jetzt erst an, das heißt im Grunde genommen mit dem Vorreiter Boeing und ganz nahe im Schlepptau die A350 von Airbus. Flügel, Leitwerke, Druckkalotten hat man alle schon in CFK gefertigt, und da verfügen beide Konkurrenten über einen ganz großen Erfahrungsschatz. Übrigens, wenn es um Flügel geht, der große Militärtransporter, die A400M von Airbus, bekommt einen schwarzen Flügel, das heißt also einen CFK-Flügel.

    Blumenthal: Wie etabliert sind die Prüfverfahren, um ein solches Flugzeug, wenn es gebaut ist, entsprechend zu prüfen und zulassen zu können?

    Breitbach: Da beginnt man mit Sicherheit auch nicht bei Adam und Eva, denn man hat ja eine ganze Menge sehr kritischer Bauteile, also zum Beispiel die Druckkalotte - das Ende des Druckrumpfes - bereits in CFK hergestellt und die entsprechenden Prüfverfahren sind mittlerweile durch die Zulassungsbehörden durch und sind voll akzeptiert. Das heißt also, man hat hier einen Erfahrungsschatz, der vorhanden ist, man beginnt nicht von null.

    Blumenthal: Und wie sieht es aus, um beispielsweise Mikrorisse im Flügel in den ersten Jahren des Betriebs festzustellen, gibt es entsprechende Messverfahren, um dort ganz klar auf der sicheren Seite zu sein?

    Breitbach: Das ist das so genannte "Health Monitoring", also ein automatisches Diagnoseverfahren, um die strukturelle Gesundheit der Struktur immer wieder nachzuprüfen, das heißt in Echtzeit und online. Und hier propagiert Boeing bereits den Einbau von solchen Materialien in den Flügel und in den Rumpf. Wieweit das aber tatsächlich realisiert wird, ist nach wie vor noch das Geheimnis von Boeing. Allerdings muss man sagen, auch Airbus arbeitet an dieser Technik.

    Blumenthal: Nun könnte man sich vorstellen, dass man intelligente Sensoren mit in diesen Rumpf oder diese Bauteile einlaminiert und dann ein regelrechtes Messnetz für diese Strukturen hat. Ist die Entwicklung so weit gehend schon?

    Breitbach: Man arbeitet sowohl mit Piezomaterialien als auch - sehr bevorzugt übrigens - mit Glasfasern, auf denen so genannte Präggitter angebracht sind. Und mit diesen Dingen ist man schon relativ weit, insbesondere in der Raumfahrt: man hat in der Raumfahrt solche Glasfasern in Strukturen eingebracht. Hier gibt es auch einen Erfahrungsschatz, den man direkt nutzen kann. Die Piezosensoren sind eine ganz andere Schiene, da ist man noch eher am Beginn der Entwicklung.

    Blumenthal: Welche Erfahrungen gibt es beispielsweise mit solchen Materialien wie CFK, was die Langzeitstabilität angeht? Welche Erfahrungen hat man bislang mit Kunststoffen bei Flugzeugen gesammelt?

    Breitbach: Die hohen Lasten, die es gibt an Seitenleitwerken beispielsweise und an Höhenleitwerken, die ja beide bereits in der Airbus-Familie aus CFK hergestellt werden, gehen ja einige Jahrzehnte schon fast zurück. Das heißt also, man hat hier großer Erfahrung, was die Langzeitstabilität, die Rissfestigkeit et cetera angeht, und hat mit den Kohlenfaser verstärkten Kunststoffen gute Erfahrungen gemacht. Im Grunde genommen ist es auch so, dass die Fasern sozusagen eingebaute Rissstopper sind im Gegensatz zu Material, wo die Risse sich sehr schnell in einem so genannten isotopen Material fortpflanzen - hat man hier kreuz und quer liegende Fasern, also mit einer ganz klaren Faserorientierung, null Grad, 90 Grad, plus minus 45 Grad angeordnete Fasern und Risse werden dort sozusagen gestoppt: sie laufen auf Fasern zu und machen dort halt. Das ist der große Vorteil - unter anderem - der Faserverbundtechnologie.

    Blumenthal: 50 Prozent des Dreamliners sollen aus Titan bestehen. Ist das ein Problem, dass man diese beiden verschiedenen Materialien miteinander kombiniert? Im Fahrradbau etwa bildet gerade die Kombination von Carbon und Titan oftmals Schwachstellen bei extremer Belastung.

    Breitbach: Das ist beim Flugzeug ganz genauso, warum soll es beim Flugzeug anders sein? Also diese hybriden Krafteinleitungsproblematiken, die man sich hier einfängt, sind natürlich echte Problematiken. Die Erfahrungen, die man in dem Bereich gesammelt hat, die bisher allerdings sich konzentrieren auf Leitwerke und deren Krafteinschlüsse, die müsste man jetzt umsetzen in Richtung Rumpf.