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Sparprojekt oder Bildungskonzept?

Wo ist mein Besteck? Wer möchte noch? Guten Appetit!...

Von Anja und Doris Arp |
    Punkt 13 Uhr gibt es Mittagessen in der Gemeinschaftsgrundschule am Mohrenkamp in Mülheim an der Ruhr. 25 der rund 100 Schüler werden hier über Mittag versorgt und nehmen auch an dem Nachmittags-Angebot der offenen Ganztagsgrundschule teil. Das dreigeschossige alte Schulgebäude liegt direkt neben dem Bahnhof, mitten in der Stadt. Ein sozialer Brennpunkt mit einem hohen Anteil an Ausländern. Sigrid Graf, Leiterin der Grundschule

    Der Ausländeranteil liegt mittlerweile bei 80 Prozent aus cirka 20 Nationen.

    Die relativ kleine Grundschule ist einzügig. Das heißt, für jede Jahrgangsstufe gibt es nur eine Klasse. Dem wichtigsten pädagogischen Anspruch der Ganztagsschule, nämlich der Verzahnung von Unterricht und Freizeit kommt man hier sehr nahe: Es gibt keine strikte Trennung von Unterricht am Vormittag und Sport und Spiel am Nachmittag. Deshalb gibt es an dieser Grundschule morgens nur noch fünf Stunden Unterricht. Und am Nachmittag bietet jeder Lehrer noch zwei bis drei Stunden Arbeitsgruppe oder Betreuung an, erklärt die Schulleiterin Sigrid Graf:

    Die Lehrer bieten an unserer Schule AGs an, allerdings für alle Schüler unserer Schule. Für die Kinder der offenen Ganztagsschule kommt noch hinzu die Angebote unserer Kooperationspartner, die am Nachmittag liegen. Diese Angebote liegen zwischen halb drei und vier. Da haben wir zweimal in der Woche den Stadt-Sportbund im Haus. An einem Nachmittag ist die Jugendmusikschule da, die bietet eine rhythmische Grundausbildung den Kindern aus dem ersten und zweiten Schuljahr an und an einem Nachmittag haben wir eine Kooperation mit der Landesarbeitsgemeinschaft für Musik, der Tanz anbietet für Kinder der dritten und vierten Schuljahre.

    Die rot-grüne Bundesregierung will den Ausbau von Ganztagsangeboten vorantreiben. Deshalb hat sie im vergangen Jahr ein Investitionsprogramm von vier Milliarden Euro aufgelegt. Bundesweit sind laut Bundesbildungsministerium bislang 2.200 Anträge für das Projekt Offene Ganztagsgrundschule gestellt worden. Während im Osten vor allem bereits bestehende Angebote ausgebaut und modernisiert werden, ist das Projekt für westdeutsche Schulen weitgehend Neuland.

    Der Grundgedanke, der sich hinter dem Konzept verbirgt: Das schulische Angebot soll in den nächsten Jahren auf den Nachmittag ausgedehnt und um Freizeitangebote ergänzt werden. Dadurch sollen Familien entlastet und Schüler besser gefördert werden. Einer der Väter der offene Ganztagsgrundschule ist Tassilo Knauf. Er ist Professor für Erziehungswissenschaften an der Universität Essen und Experte für Grundschulpädagogik:
    Aber das sollte nicht nur so eine quantitative Erweiterung der Verweildauer der Kinder in der Schule sein, sondern es sollte mehr Abwechslungen im Schulalltag realisiert werden können, damit Lernzeiten sich abwechseln können mit Entspannungszeiten, Bewegungszeiten und es sollte die Möglichkeit gegeben werden, dass auch Kinder ihren individuellen Bedürfnissen nach Entspannung Rechnung tragen können, denn jeder Mensch hat ja einen eigenen Rhythmus, wie er Anspannung und Entspannung ausbalanciert.

    Rhythmisierung heißt das pädagogische Konzept.

    Wir dürfen hier spielen und wir machen hier Hausaufgaben und malen und basteln tun wir auch. Frage: Und was habt ihr vorher gemacht, als es das Angebot noch nicht gab? Nach der Schule sind wir einfach nach Hause gegangen. /25:36/ Manchmal machen wir Musik. Wir haben AGs von halb drei bis vier Uhr, Musik-AG, Sport-AG oder Bastel-AG, haben wir ganz vieles da. /26:04/ (Es gibt auch Theater-AG und Entspannung ist leider nur von halb drei bis 3:15 Uhr.

    Es ist ja so, dass die Kinder bei uns ein Nachmittags-Angebot bekommen, gerade durch unsere Kooperationspartner, was sie sonst in ihrem Freizeitbereich nicht erreichen würden. Die Lage unserer Schule im sozialen Brennpunkt, der hohe Emigrations-Anteil unserer Schüler, es sind bildungsferne Familien, die unsere Schule besuchen, sodass wir den Kindern dadurch ein Bildungsangebot anbieten können, das sie sonst nicht nutzen würden.

    Schulleiterin Sigrid Graf ist überzeugt, dass dieses zusätzliche Nachmittags-Programm vor allem für viele benachteiligte Schüler eine echte Chance bedeutet:

    Denn eine Jugendmusikschule oder einen Sportverein sehen unsere Kinder nur selten oder nur wenige Kinder aus unserer Schule und ich denke schon, dass das ein wichtiger Schritt ist zu mehr Chancengleichheit, ein erster Schritt ist.

    Weil die Schule im sozialen Brennpunkt liegt und einen besonders hohen Ausländeranteil hat, arbeitet hier zusätzlich zu den Lehrern auch eine Sozialpädagogin. Sie hat sich vor allem dem Lernen im sozialen Bereich verschrieben. Deshalb wurde sie bei dem ehrgeizigen Projekt auch mit einbezogen.

    Ich bin zum einem im Vormittags-Bereich voll integriert mit jeweils einer Stunde sozialem Lernen, da führe ich im Moment ein Projekt durch zur Gewalt-Prävention, was entwickelt wurde von der Universität Heidelberg, das heißt ´Faust-Los, wo es darum geht, soziale Kompetenzen den Kindern zu vermitteln und bin auch einen Nachmittag da und sehe meine Funktion auch so ein bisschen als Bindeglied. Wir wollen halt nicht die Ganztagsschule neben dem normalen Schulbetrieb stehen lassen, sondern streben schon eine Verknüpfung an, der beiden Dinge und ich bin halt so ein Bindeglied.

    Zudem konnte noch ein neuer Arbeitsplatz geschaffen werden:

    Eine Erzieherin ist eingestellt worden, die am Nachmittag unsere Arbeit unterstützt, hinzu kommt auch noch, dass wir schon seit 13 Jahren an unserer Schule eine Stadtteilmaßnahme haben, zur Integration ausländischer Kinder und auch diese Stelle wurde in das neue Konzept mit einbezogen, sodass das Konzept offene Ganztagsschule an unserer Schule ein sehr umfangreiches und ein neue Gesamtkonzept ist dadurch entstanden an unserer Schule.

    Nordrhein-Westfalen engagiert sich hier besonders. Hier besucht momentan fast jeder zehnte Grundschüler nachmittags einen Hort. Nun sollen die Horte aber Zug um Zug geschlossen werden. Und ab 2007, so das Ziel der Rot-Grünen Landesregierung, soll dann jeder vierte Grundschüler ganztägig in er Schule betreut werden. Pro Kind und Jahr veranschlagt das Land dafür Kosten von 1.230 Euro veranschlagt. Zwei Drittel schießt das Land zu, den Rest müssen die Kommunen aufbringen. Das ist vergleichsweise wenig Geld. Für einen Hortplatz rechnet man rund 5.000 Euro pro Kind und Jahr. 1.230 Euro können also kaum für eine pädagogisch anspruchsvolle Nachmittags-Betreuung ausreichen.

    Momentan gibt es in Mülheim drei Ganztagsgrundschulen. Bis Ende des Jahres soll es dann insgesamt sechs solcher Grundschulen mit einem offenen Nachmittagsangebot für rund 200 Kinder geben. Und das lässt die Stadt sich einiges Kosten. Dabei muss man zunächst zwischen den laufenden und den einmaligen Kosten etwa für Umbaumaßnahmen unterscheiden. An denen beteiligt sich der Bund aus seinem Investitionsprogramm. Schul-Dezernent Hans-Theo Horn macht folgende Rechnung auf:

    Und die kann ich ihnen für die Grundschule am Mohrenkamp relativ exakt benennen. Und zwar belaufen sich die investiven Kosten auf rund 90.000 Euro. Dazu gibt es dann eine landesseitige Förderung und wenn ich die in Abzug bringe, dann bleiben immerhin bei der Stadt Mülheim an der Ruhr sozusagen hängen rund 15.000 Euro. Das sind gerundete Zahlen, aber das sind sehr zuverlässige Zahlen.

    Dann gibt es noch Zuschüsse vom Land für die laufenden Betriebskosten pro Schuljahr und die Elternbeiträge in Höhe von rund 35 Euro pro Monat:

    Wobei auf Grund der Struktur an dieser Schule die Einnahmen aus Eltern-Beiträgen relativ gering sind. Das hat damit was zu tun, dass die Eltern-Beiträge sich staffeln nach dem Einkommen der Eltern und das Einkommen der Eltern an dieser Schule ist nicht besonders auffällig hoch. Von daher ist die Einnahme aus den Eltern-Beiträgen relativ gering hier an zu setzen, aber man kann im Mittel sagen, dass die Gruppe hier an dieser Schule an laufenden Kosten sicherlich 30.000 Euro verursacht.

    Diese Summe, so der Dezernent, muss die Kommune alleine aufbringen. Doch das Geld ist für Hans-Theo Horn gut investiert:

    Eine Investition in die Zukunft. Man darf das nicht nur an diesen nackten Zahlen festmachen. Man muss auch wenn man so will den gesellschaftspolitischen, den familienpolitischen Mehrwert sehen, den diese Investition bringt.

    Seit nunmehr einem Jahr gibt es die Ganztagsgrundschule, die eine engere Verzahnung von Schule und Jugendhilfe anstrebt. Land auf Land ab sind dabei ganz unterschiedliche Umsetzungen vor Ort entstanden. Dieter Greese, Leiter des Kinderschutzbund NRW und jahrelanger Leiter des Jugendamtes in Essen:

    Das Schlechteste ist: Morgens Unterricht, nachmittags ist dann sozusagen Bespaßung, dann finden die anderen Dinge statt. Und die beste Form, die es sicher auch hin und wieder gibt, ist das was man die neue Rhythmisierung nennt: Es wird Unterricht und die anderen Erlebnis- und Lernformen miteinander verwoben und finden abwechselnd statt oder auch wirklich ineinander verzahnt, dass in einem Projekt sowohl der Stoff rüberkommt, als auch das Erleben am konkreten Gegenstand.

    Neben pädagogisch anspruchsvollen und vergleichsweise teuren Konzepten, gibt es auch Schulen, wo vor allem Eltern ehrenamtlich das Nachmittags-Programm gestalten oder der Hausmeister schon mal die Fußball-AG leitet. Die Qualität des Angebots ist offenbar äußerst unterschiedlich. Theorie und Praxis scheinen teilweise weit auseinander zu liegen.

    Wir erleben jetzt Veranstaltungen, wo Best-Practise-Modelle vorgeführt werden. Das heißt, einige haben es mit sehr viel ehrenamtlichen Engagement oder die Kommune war noch gut bei Kasse und hat sich zusätzlich engagiert und da sind gute Modelle rausgekommen, aber in der Menge der rund 240 Schulen, die es in NRW in dieser Art gibt, kann man nun nicht davon reden, dass alles Best-Praxis wäre, im Gegenteil wir haben noch sehr viel schlechte Praxis.

    Auch in Köln hat man inzwischen praktische Erfahrungen gesammelt. In der Stadt gibt es bislang fünf Grundschulen mit Nachmittags-Betrieb mit unterschiedlichen Konzepten. "IN VIA" ist ein Fachverband der Caritas, der als Träger in zwei Kölner Schulen aktiv ist. Karin Anders ist dort Fachbereichsleiterin für schulbezogene Sozialarbeit:

    Bei uns ist einfach das Zentrum der Arbeit die Basis-Gruppe. Ganz wichtig ist uns das personale Angebot. Uns ist wichtig, dass die Kinder feste Bezugspersonen haben, dass sie eine feste Anlaufstelle haben. Und von dort aus finden dann unterschiedliche Angebote statt. In der Basis-Gruppe bekommen die Kinder ein Mittagessen, nach dem Unterricht können sie da erst mal hingehen ihre Sachen da lassen, können sich auch den ganzen Tag da aufhalten, bekommen Angebote im kreativen Bereich, im spielerischen Bereich haben sehr viel Zeit auch zum Frei-Spiel, können also ihren Nachmittag so gestalten. Parallel dazu gibt es so genannte andere außer-unterrichtliche Angebote, das sind auch Angebote von Sportvereinen, Kunstschule und solche Dinge.

    Die Eltern-Beiträge liegen in Köln einkommens-unabhängig fest bei 37,50 Euro und für Sozialhilfeempfänger bei 20 Euro. Das Angebot der Ganztagsschule ist hier gut angenommen worden. Es gab wesentlich mehr Anfragen als Plätze. Nachdem der Start wohl recht chaotisch war, bilanziert Karin Anders nach fast einem Jahr:

    Man muss sagen, dass insgesamt hier doch noch sehr deutlich ein Nachbesserungs-Bedarf besteht, gerade auch im personellen Bereich. Das heißt, wir brauchen im Prinzip auch deutlich mehr Zuschüsse, um wirklich die Personal-Ausstattung noch mal aufzustocken. Wir sind da mit der Stadt in Verhandlungen, es wird im Prinzip vom Schulträger genauso gesehen. Alle anderen Träger sehen es auch so, denen reicht es auch nicht aus. Wir hoffen, dass wir im kommenden Schuljahr eine Aufstockung bekommen und sind auch mit der Stadt im Gespräch.

    Der Start in die offene Ganztagsgrundschule kam für alle Beteiligten recht plötzlich und stand teilweise auch unter einem schlechten Stern. So mangelt es vieler Orts an Geld, aber auch an ausgereiften Konzepten. Zudem haben viele Grundschulen die Bewilligung zur Ganztagsgrundschule erst kurz vor Schuljahres-Beginn bekommen, kritisiert Pädagogik-Professor Tassilo Knauf:

    Da sind dann zum Teil auch einige Notlösungen getroffen worden. Man musste ja Personal anwerben, man musste Strukturen schaffen, die geeignet sind und das ist nicht immer so optimal und es ist aber wichtig denke ich nicht zu erwarten, dass gleich aus dem Stand heraus ein 100 Prozent Ergebnis erzielt wird, sondern dass die Schulen dass sie auch bereit sind aus Fehlern zu lernen. Ich habe den Eindruck, dass das so weit ich das überblicken kann sehr ernst genommen wird, dass man auch aus den ersten Erfahrungen, die nicht überall so ganz rund waren, dass man da auch Konsequenzen zieht.

    Vergleichsweise milde Kritik. Schärfere Zungen vermuten, die offene Ganztagsgrundschule sei eigentlich eher ein Sparkonzept als ein Bildungskonzept. Dieter Greese vom NRW-Kinderschutzbund:

    Das kann man vielleicht so nicht sagen. Es ist der Versuch ein Bildungskonzept unter Sparbedingungen zu entwickeln und es ist ärgerlich genug, dass dabei eben am Anfang eine schlechte Qualität herauskommt und leider geht es ja hier nicht um die Produktion von Werkstücken, sondern um die Entwicklung von Menschen. Von daher sind wir relativ unglücklich, dass der Einstieg so relativ schwach nur stattfinden kann und hoffen sehr, dass die Proteste, die jetzt ja auch überall deutlich werden, dazu führen, dass man sich als bald besser finanziell engagiert. Es passiert auch viel ehrenamtliches Engagement, dass Fördervereine noch Geld aufbringen und in diese Aufgabe hineinstecken, damit überhaupt einen Menschen anstellen kann und bezahlen kann.

    Vielen ist zudem ein Dorn im Auge, dass die meisten Kinderhorte in den kommenden Jahren schließen sollen. Ab 2007 will das Land keinen Cent mehr zur Kinderbetreuung im Hort zuschießen. Seit Jahren schon werden keine neuen Plätze mehr eingerichtet, obwohl der Bedarf stetig steigt. Die Horte also ersatzlos streichen? Dieter Greese hielte das für falsch:

    Im Übrigen muss der Hort nicht grundsätzlich geschlossen werden. Es ist ja eine kommunale Pflichtaufgabe, während die Schule eine Landes-Pflichtaufgabe ist. Wenn ein kommunaler Träger sagt, das interessiert uns alles nicht, wir machen weiter, dann kann er das weitermachen auch weiter finanzieren, nur das Land wird sich dann nicht mehr beteiligen.

    Entsprechend stolz ist der Schuldezernent von Mülheim, dass die Stadt sich beide Angebote parallel leistet:

    Es ist so, dass wir im Zuge der Einrichtung von Ganztagsgrundschulen bislang keine Horte geschlossen haben. Es gibt auch einen Ratsbeschluss, der zum Inhalt hat, dass bis zum Jahr 2007 keine Horte geschlossen werden sollen.

    Ganz ähnlich sieht das Karin Andres. Ihr Arbeitgeber "IN VIA" engagiert sich als Träger der Jugendhilfe bei der Gestaltung der Ganztagsschule in Köln. Ihre Bilanz nach einem Jahr:

    Also ich denke grundsätzlich, dass die offene Ganztagsgrundschule ein guter Ansatz ist. Allerdings muss man schon sagen, dass es – man sollte es sehen als ein Angebot unter vielen. Also sehr kritisch sehen wir die Tatsache, dass also hier die Horte geschlossen werden sollen. Ich denke die offene Ganztagsgrundschule ist mit Sicherheit nicht das optimale Angebot für alle Kinder. Sondern wir finden es ganz wichtig, dass Angebote wie Horte nebenher bestehen bleiben.


    Die Ganztagsgrundschule soll Jugendhilfe und Schule enger verbinden und mehr Kinder erreichen. Ein guter Grundgedanke, urteilen die meisten. Doch stehen dem teilweise erhebliche Kompetenzstreitigkeiten und rechtliche Hindernisse im Weg. So ist das Kinder- und Jugendhilferecht ein Bundesgesetz, das vor Ort von unterschiedlichen Trägern umgesetzt wird. Schule ist dagegen Ländersache. Um dem Konzept gerecht zu werden, müssten hier eigentlich alle Beteiligten zusammenspielen und an einem Strang ziehen. Das ist aber nicht der Fall kritisiert Dieter Greese:

    Dass die Kinder- und Jugendhilfe noch viel zu wenig mit ihren Angeboten und Möglichkeiten in die Planung dieser Schule einbezogen wird. Der Schulträger ist ja ein Landesverantwortlicher und der kommunale Träger wird durch die kommunale Kinder- und Jugendhilfe-Planung vertreten, im Grunde müssten die sich an einen Tisch setzen und gemeinsam arbeiten, aber hier gibt es viele Friktionen und viele Eitelkeiten sag ich mal oder Zuständigkeits-Gerangel. Wir brauchten also eigentlich eine Struktur in der die Verantwortung vor Ort zusammengeführt werden kann.

    Manche Träger der Jugendhilfe befürchten auch, dass ihre Angebote künftig ganz von der Schule absorbiert werden könnten. Und manche Kritiker bemängeln, dass die Ganztagsgrundschule so zu sagen auf halbem Wege stehen bleibt. Denn im Sinne der Chancengleichheit, so Dieter Greese vom NRW-Kinderschutzbund, kann sie allenfalls ein Einstieg sein:
    Weil bei uns die Halbtagsschule die Regelschule ist entstehen ja diese großen sozialen Ungleichheiten. Die Eltern, die sich am Nachmittag noch engagieren können, fördern ihre Kinder optimal, die die das nicht können aus welchen Gründen auch immer werden immer weiter abgehängt. Das kann nur durch eine Ganztagsschule als Pflichtschule ausgeglichen werden, wenn man wirklich Chancengleichheit will. Von daher sehe ich das wirklich nur als einen Einstieg, der aber ähnlich wie beim Kindergarten irgendwann dazu führt, dass alle Leute sagen, oh ja das wollen wir auch. Unser Kind separat und isoliert am Nachmittag in die Musikschule zu schicken, wenn alle anderen Kinder toll was in der Gruppe machen, dann wollen wir doch lieber, dass unser Kind auch in die Gruppe geht.

    In einem sind sich alle Beteiligten einig: Das Projekt offene Ganztagsschule müsste eigentlich mit mehr finanziellen Mitteln ausgestattet werden, um ihrem Bildungsauftrag gerecht zu werden.

    Zum Beispiel reicht das Geld jetzt nicht, die Ferien abzudecken. Also in der Stadt Essen, in der ich lebe, die sich mit 7 Schulen beteiligt hat, ist im Augenblick das Problem, dass man nicht weiß, was man in den Ferien machen soll. Dafür reicht das Geld einfach nicht. Und bei drei Monaten Ferien für die Eltern klafft da ein riesiges Loch. Und da wird es einfach Zwänge geben, die dazu führen, dass man da neue Lösungen finden muss.

    Die finanzielle Ausstattung ist schon sehr knapp. Und es wird die Phantasie der Schulleitungen sehr herausgefordert, um den hohen Anspruch der offenen Ganztagsschule zu realisieren. Dann wünsche ich mir auch, dass die Professionalität von Erziehern mehr zum Zuge kommt. Und ich erhoffe mir auch, dass die Öffentlichkeit auch die Medien, die Intention der offenen Ganztagsschule beginnen zu verstehen, dass es nicht nur entweder um Bildungsangebote geht oder um Betreuung, sondern dass es gerade die Verzahnung geht, die gute Mischung von beidem, die macht dann auch die gute offene Ganztagsschule aus.