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Spazieren gegen das Vergessen

Medizin.- Wer sich regelmäßig bewegt, leidet seltener unter altersbedingten Gedächtnisverlusten als jemand, der es sich lieber auf dem Sofa gemütlich macht. Warum Bewegung dem Gehirn so gut tut und wie sie sich zur Therapie nutzen lässt haben amerikanische Wissenschaftler nun untersucht.

Von Kristin Raabe | 01.02.2011
    Er ist relativ klein, liegt in der Mitte unseres Gehirns und sieht einem Seepferdchen verblüffend ähnlich: Der sogenannte Hippocampus ist die Hirnstruktur, die für die Gedächtnisbildung verantwortlich ist. Lässt die Gedächtnisleistung mit zunehmendem Alter nach, zeigt sich das auch im Hippocampus. Dieses Phänomen hat der Psychologe Kirk Erickson an der Universität Philadelphia untersucht.

    "Im Mittel gibt es mit zunehmendem Alter einen Abbau in dieser Struktur. Aber das variiert auch stark. Bei einigen Menschen scheint der Hippocampus sehr stabil zu sein, während er bei anderen relativ schnell kleiner wird – er schrumpft. Das hängt aber damit zusammen, wie stark jemand körperlich aktiv ist."

    Der amerikanische Psychologe wollte herausfinden, ob regelmäßige Bewegung den Hippocampus bei älteren Menschen auch wieder wachsen lässt, wenn sie zuvor keinen Sport getrieben hatten. Dazu suchte er sich 120 Testpersonen im Alter zwischen 55 und 80 Jahren. Alle neigten eher zu einer bewegungsarmen Lebensweise und litten bereits unter altersbedingten Gedächtnisstörungen, waren aber nicht an Alzheimer erkrankt.

    "Wir haben sie in zwei Gruppen unterteilt: Die "Trainingsgruppe" kam an drei Tagen in der Woche in unser Labor und ging dann für 40 bis 45 in gemäßigtem Tempo auf einem Laufband. Es war schon anstrengend für sie, aber niemand musste sich dabei verausgaben oder kam auch nur stark ins Schwitzen. Das haben wir ein Jahr lang gemacht. Die Kontrollgruppe kam im selben Zeitraum ebenfalls dreimal wöchentlich in unser Labor. Mit ihr haben wir aber nur leichte Dehnungsübungen gemacht."

    Aus früheren Studien wussten die Forscher um Kirk Erickson, dass sich Dehnungsübungen nicht so positiv auf das Gehirn auswirken wie ein regelmäßiges Ausdauersportprogramm. Während des Trainingsjahres vermaßen die Wissenschaftler bei allen Testpersonen immer wieder das Volumen des Hippocampus mithilfe eines Kernspintomografen.

    "Bei dieser Studie haben wir herausgefunden, dass Ausdauersport den Hippocampus wieder wachsen lässt. Ich denke, es ist wirklich wichtig, dass wir jetzt wissen, dass regelmäßige Bewegung dem Schrumpfen des Hippocampus nicht nur vorbeugt, sondern einen bereits vorhandenen Abbau dieser Hirnstruktur wieder rückgängig machen kann."

    Für das Wachstum des Hippocampus ist wahrscheinlich ein Nervenwachstumsfaktor verantwortlich, der die Bildung von neuen Hirnzellen fördert. Ihn konnten die Forscher im Blut ihrer Testpersonen nachweisen. In der Ausdauergruppe stieg die Konzentration des Wachstumsfaktors während des Trainingsprogramms im selben Maße wie auch der Hippocampus wuchs. Und das scheint sich auch positiv auf die Gedächtnisleistung auszuwirken - wie einige Testergebnisse von Kirk Erickson zeigen konnten.

    "Wir haben herausgefunden, dass die Gedächtnisleistung während unseres Trainingsjahres tatsächlich zugenommen hat. Dabei korrelierte die Verbesserung der Gedächtnisleistung sehr gut mit dem Maß mit dem der Hippocampus gewachsen war."

    Die Ergebnisse der amerikanischen Forscher sollten all jene ermutigen, die bereits unter altersbedingten Gedächtnisstörungen leiden: Wer dreimal die Woche eine dreiviertel Stunde lang strammen Schrittes Spazieren geht, kann sein alterndes Gehirn wieder in Schwung bringen.