Archiv


"SPD-Beteiligung an Zeitungen nicht kritisch"

Heinlein: Am Telefon begrüße ich jetzt die Fraktionschefin der Grünen, Kerstin Müller. Guten Morgen!

    Müller: Guten Morgen.

    Heinlein: Frau Müller, wie kritisch ist aus Ihrer Sicht die publizistische Machtballung der Sozialdemokraten?

    Müller: Ich sehe das ehrlich gesagt auch nicht sehr kritisch. Wir sind wie die Kommission der Meinung, dass eine begrenzte unternehmerische Tätigkeit durchaus sinnvoll ist, dass man die auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht verbieten kann. Wichtig ist die Transparenz. Das ist das, was wir fordern, dass auch diese Verflechtungen und Verstrickungen offengelegt werden, so dass jeder Bürger weiß, wo Parteien wie viel Einfluss haben, ob es nun Zeitungen sind, also im Medienbereich, oder andere Unternehmen.

    Heinlein: Die SPD ist bundesweit an 20 Zeitungen beteiligt. Ihre Anteile liegen zwischen 10 und fast 60 Prozent. Ist dies noch eine begrenzte unternehmerische Tätigkeit?

    Müller: Ja, sicherlich. Angesichts der Vielzahl der Zeitungen und des Medienbereiches, die wir im Moment haben, angesichts dessen, dass das Medium Fernsehen oder Internet eine wesentlich stärkere Rolle spielt, auch noch als die verschiedenen Zeitungen - man muss ja auch mal sehen, was sind das für Zeitungen, was haben die für eine Auflage -, ist das mit Sicherheit eine begrenzte Tätigkeit.

    Heinlein: Dann nennen wir einige dieser Zeitungen: die "Neue Westfälische" in Bielefeld gehört zu 57 Prozent der SPD, die "Sächsische Zeitung" in Dresden zu 40 Prozent. Ich könnte Ihnen andere Zeitungen nennen. Wie gesagt, es sind insgesamt fast 20 Stück. Warum wollen Sie nichts gegen diese Machtkonzentration unternehmen?

    Müller: Weil das keine Machtkonzentration ist, weil ich das für eine begrenzte Zahl von Zeitungen halte, weil nun auch die "Neue Westfälische" nicht eine so großartige Auflage hat, sondern ganz andere Zeitungen meinungsbestimmend sind in der Bundesrepublik, und weil gegenüber den Zeitungen im Gegensatz - das muss man einfach heute sehen - Fernsehen, seien es die Privaten, seien es die Öffentlich-Rechtlichen, und das Internet eine größere Rolle spielen. Da spielt heute die Meinungsmache und doch nicht mehr bei verschiedenen Regionalzeitungen. Ich finde das völlig korrekt und wie gesagt, Sie müssten Ihrerseits mal sagen, wie Sie das denn verfassungsrechtlich begründen wollen, dass Parteien grundsätzlich nicht unternehmerisch tätig werden. Das könnte ja das einzige Argument sein; das kann ich nicht erkennen. Frau von Wedel hat ja gestern ausgeführt, wenn eine Partei nun noch als Deckmäntelchen benutzt würde, um unternehmerisch tätig zu sein, dann wäre das natürlich etwas anderes, aber ich glaube, dass es verfassungswidrig wäre, einfach generell den Parteien unternehmerische Tätigkeit zu verbieten. Sie zu begrenzen ist auch nicht möglich, lässt sich auch nicht rechtlich begründen.

    Heinlein: Es geht ja um die Verflechtung zwischen Parteien und dem Medienbereich, und dies ist ja nicht unbedingt durch das Grundgesetz gedeckt?

    Müller: Sicher ist es! Sie müssen mir sozusagen darlegen, wie Sie begründen wollen, dass Sie das verbieten.

    Heinlein: Frau Müller, sind die Vorschläge der Wedel-Kommission aus Ihrer Sicht insgesamt die richtige Antwort auf den CDU-Spendenskandal?

    Müller: Natürlich, das sind hervorragende Vorschläge, die von der Kommission hier gekommen sind. In vielen Punkten überschneiden sie sich mit den Vorschlägen, die meine Partei vorgelegt hat. So bin etwa auch ich nachdrücklich dafür, bei schwerwiegenden Verstößen gegen das Parteiengesetz hier auch einen Straftatbestand einzuführen. Es ist überhaupt nicht einzusehen, warum der normale Bürger, wenn er schon kleinere Vergehen begeht, strafrechtlich verfolgt, während sich ein Vorstand einer Partei nicht rechtfertigen muss. Wir sind insgesamt der Meinung, dass die Sonderprivilegien für Parteien abgeschafft werden müssen. Das heißt für Parteien müssen die gleichen Rechte und Pflichten gelten wie für Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger, also beim Rechtsverkehr, etwa Buchführungspflichten, Offenlegungspflichten, Pflichten zur staatlichen Kontrolle. Dazu gehört eben auch das Heranziehen der persönlichen Verantwortung. Man muss sich klar machen: Hätte es eine solche Vorschrift gegeben, dann wäre Kohl heute vorbestraft.

    Heinlein: Was erhoffen Sie sich denn von diesen Strafandrohungen, eine Art Abschreckung?

    Müller: Sicherlich ist das Strafrecht immer begrenzt, aber es ist eine Frage der Gerechtigkeit. Warum sollen normale Bürgerinnen und Bürger hier unter das Strafrecht fallen oder eben auch Vorstände von Unternehmen, Aufsichtsräte, die sehr wohl persönlich zur Verantwortung gezogen werden, aber Vorstände von Parteien nicht. Das ist eine Selbstbegünstigung der Politik, und wir sind als Grüne der Meinung, dass dies beendet werden muss. Es gibt natürlich auch noch andere Möglichkeiten und Wege, die wir prüfen wollen, dass etwa bei schweren Verstößen eine Kürzung der Versorgungsbezüge ins Auge gefasst wird oder ein befristetes Verbot, Ämter auszuüben. Das sind Maßnahmen, die wir auch aus anderen Ländern kennen. Wir werden diese Möglichkeiten prüfen. Wichtig, ganz wichtig ist einfach: Die Kommission hat zunächst mal festgestellt, dass das Parteiengesetz sich im Grunde bewährt hat. Die besten Gesetze, auch Strafgesetze und so weiter, helfen natürlich nichts, wenn man sich nicht daran hält. Kohl und die CDU haben ja wissend und sehenden Auges, bewusst und vorsätzlich gegen das Parteiengesetz verstoßen.

    Heinlein: Stichwort Mandatsverbot. Sie haben es gesagt, Sie fordern den vorübergehenden Entzug des passiven Wahlrechtes. Ihr Koalitionspartner SPD ist dort bisher zurückhaltender. Werden Sie an dieser Forderung festhalten, wenn es denn zu einem Gesetzentwurf kommt?

    Müller: Wie gesagt, wir werden das prüfen. Es gibt verschiedene Wege. Ich kann mir das sehr gut vorstellen, ein befristetes Verbot, Ämter auszuüben, aber auch eben Kürzung der Versorgungsbezüge. Das muss man prüfen, was dort sinnvoll ist. Wir sind über die Maßnahmen nicht festgelegt. Ich finde es nur wichtig, dass wir mit der Selbstbegünstigung Schluss machen und dass es künftig eine persönliche Verantwortung auch der Handelnden in den Vorständen der Parteien gibt.

    Heinlein: Ein Streitpunkt, Frau Müller, in der Kommission war die Einführung einer Spendenobergrenze. Nur eine Minderheit hat sich hier für eine Obergrenze von 250000 Mark ausgesprochen. Hätten Sie eine Beitragsbegrenzung lieber gesehen?

    Müller: Wir sind für die Einführung von Obergrenzen auf verschiedenen Ebenen. Mehr Transparenz bei Parteispenden ist glaube ich absolut zentral. Das jetzige Parteiengesetz geht da schon sehr weit, aber der Schwarz-Kassen-Skandal der CDU hat einfach gezeigt, dass wir noch mehr Transparenz brauchen. Wir sind der Meinung, dass die Veröffentlichungspflicht ab einer niedrigeren Grenze gelten soll, also etwa ab 6000 Mark. Die Grünen haben ja seinerzeit beim Verfassungsgericht durchgesetzt, dass sie jetzt bei 20000 Mark liegt. Wir wollen auch prüfen lassen, ob es nicht generell Grenzen für Spenden geben muss, Obergrenzen bei Einzelspenden bei 50000 Mark oder auch bei Beträgen eines Spenders pro Jahr nur bis 100000 Mark zuzulassen. Das Problem ist natürlich - darauf weist die Kommission hin -, dass dies Grenzen sind, die eben umgangen werden können. Sie spricht selber von sogenannten Strohmännern. Aber dennoch halten wir alles für richtig, was noch mehr Transparenz schafft und die Offenlegungspflichten ausweitet.

    Heinlein: Frau Müller, früher waren die Grünen durchaus eine Partei mit alternativen Ideen. Deshalb die Frage: Warum macht man nicht einfach einen radikalen Schnitt und verbietet zumindest anonyme Spenden von Unternehmen und Privatpersonen an Parteien? Halten Sie das völlig für abwegig?

    Müller: Generell finde ich das falsch, weil Sie müssen sehen: die Parteien haben auch wiederum anders als in anderen Ländern Europas einen Verfassungsrang. Sie haben die verfassungsrechtliche Aufgabe, am Meinungsbildungsprozess teilzunehmen. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich bin froh, dass wir nicht ein System wie in den USA haben, wo man nur Politik machen kann, ob nun als Partei oder als Einzelperson, wenn diverse Millionäre hinter einem stehen. Deshalb ist generell ein transparentes und klares Parteispendengesetz, nach dem die Parteien für Spenden sorgen können und darum werben können, sich darum bemühen können, wo dies aber transparent geschieht und in bestimmten Grenzen, und wo es auch eine Wahlkampfkostenrückerstattung gibt, das ist glaube ich sehr demokratisch und das hat dazu geführt, dass in der Bundesrepublik die Parteien unabhängig geblieben sind. Aber das muss man eben begrenzen!

    Heinlein: Die Fraktionschefin der Grünen, Kerstin Müller, zur Reform des Parteiengesetzes. - Frau Müller, ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören nach Berlin!

    Link: Interview als RealAudio