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SPD-Bildungspolitik
Was Martin Schulz anders machen würde

Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren, Investitionen in die Bildung, Förderungen von Schulen durch den Bund: SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat sich in Sachen Bildungspolitik viel vorgenommen. Doch unter anderem bei seinen Wahlkampfauftritten in Schulen wird klar: Lehrer, Schüler und Eltern kämpfen aktuell mit ganz anderen Problemen.

Von Claudia van Laak | 19.05.2017
    SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz spricht am 18.05.2017 in Berlin mit Gästen der Helene-Nathan-Bibliothek in Berlin-Neukölln über Bildungspolitik.
    Auch im Februar 2017 besuchte Martin Schulz bereits Schulen in Schleswig-Holstein - hier bei der Podiumsdiskussion im Coppernicus-Gymnasium in Norderstedt bei Hamburg (dpa/Michael Kappeler)
    Die Zahlen sprechen für sich: Vier von zehn Kindern in Neukölln kommen mit Sprachstörungen in die erste Klasse. Die Schule ist nicht in der Lage, diese Nachteile auszugleichen - fast jeder siebte verlässt die Schule ohne Abschluss. Die SPD hat also für die Rede von Martin Schulz zur Bildungspolitik den richtigen Ort ausgesucht.
    "Dieser Satz: Herkunft darf kein Schicksal sein, muss bei uns in der Bildungspolitik beherzigt werden."
    Diese Aussage erwartet man von einem Kanzlerkandidaten der Sozialdemokratischen Partei, die schon immer viel Wert darauf gelegt hat, dass Bildung gleichbedeutend ist mit gesellschaftlichem Aufstieg.
    "Ich persönlich hab zur Bildung einen besonderen Bezug, ich bin im traditionellen Bildungssystem gescheitert, ich war ein ganz schlechter Schüler, ich musste von der Schule abgehen. Aber Bildung hat mein Leben gerettet, die Berufsbildung."
    Bildungspolitik zwischen Wunschvorstellung und Realität
    Vor Regalen mit Englisch-, Französisch und Latein-Lehrbüchern präsentiert der gelernte Buchhändler und Kanzlerkandidat Martin Schulz 13 Thesen zur Bildungspolitik. Das Publikum vor ihm: in der Mehrzahl SPD-Mitglieder und Sympathisanten, viele Journalisten, einzelne Lehrer, Schüler, Eltern. Auffällig: Migrantinnen und Migranten, die das Straßenbild Neuköllns prägen, sind kaum vertreten. Martin Schulz fällt es schwer, den Bogen zu schlagen zur Lebensrealität Neuköllns. Die Lehrerin Heidi Sow muss ihm auf die Sprünge helfen.
    "Also ich habe einen Schüler, der schreibt so, dass ich es nicht lesen kann. Den habe ich jetzt angesprochen und gesagt, ob er zum Alphabetisierungskurs in die Volkshochschule gehen könnte, um das nachzuholen. Da wollte der mich eigentlich schlagen."
    Heidi Sow klagt darüber, dass sie keine Zeit habe, sich um solche Problemschüler zu kümmern. Viel zu große Klassen, kaum Schulsozialarbeiter:
    "Der Druck auf uns ist so groß, dass wir viele Dinge, die wir früher gemacht haben, auch Werte vermitteln, nicht mehr umsetzen können. Und ich muss sagen, dass die meisten Lehrer darunter leiden, dass die Stundenzahlen so erhöht wurden, dass sie nur noch zuhause sitzen am Schreibtisch, korrigieren."
    Rückkehr zum Abis nach 13 Schuljahren
    Martin Schulz möchte Lehrern, Schülern und Eltern mehr Zeit geben – er hält 13, nicht zwölf Jahre bis zum Abitur für den richtigen Weg. Er habe nichts zur Inklusion gesagt, kritisiert ein Schüler im Publikum. Ein anderer fordert mehr Mitsprache – es ist Franz Kloth aus dem Vorstand der Bundesschülerkonferenz.
    "Dass wir auch ein festes Gremium erhalten und ein Rederecht in der Kultusministerkonferenz, als Schüler, aber auch als Lehrer und Eltern, die wir in der Bildungspolitik viel Erfahrung gesammelt haben. Auch ein Rederecht in den Ausschüssen, Gremien und Ministerien auf Bundesebene, da würde ich mich sehr freuen."
    Franz Kloth übergibt einen Forderungskatalog. Schulz bleibt freundlich- unverbindlich.
    "Ich schau's mir an, dann reden wir noch mal. "
    Der Bund soll Schulen künftig mitfinanzieren dürfen – das Kooperationsverbot wird fallen, wenn ich Kanzler werde, verspricht Martin Schulz. Massive Investitionen des Bundes in die Bildung – ein weiteres Versprechen. Der Lehrer René Beator will es genau wissen.
    "Sie können meine Stimme jetzt gewinnen, nennen Sie eine Zahl."
    Doch jetzt verheddert sich Martin Schulz in den Zahlen. Zunächst nennt er ein Plus von zehn bis zwölf Milliarden im Bundeshaushalt, um auf den Schnitt der OECD-Länder zu kommen. Später wird ihm ein Zettel gereicht – es sind 30 Milliarden.
    "Dazu brauche ich eine Mehrheit. Auch der Lehrer. Ich kenne ein paar. Gut."
    Am Ende stellen SPD-Mitarbeiter klar – Martin Schulz habe sich nicht genau festgelegt, wie viele Milliarden mehr für die Bildung man ausgeben wolle. Dieser Aufschlag ist nicht ganz gelungen. Ob nun zehn oder 30 Milliarden – die Eltern hier in der Neuköllner Stadtbibliothek plagen andere Sorgen – sie wären schon froh über saubere Schulen.