Donnerstag, 28. März 2024

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SPD-Bildungspolitiker Heil
"Wir kommen endlich voran, das ist die gute Nachricht"

Der SPD-Bildungspolitiker Hubertus Heil sieht Deutschland kurz vor Ende der Koalitionsverhandlungen auf dem Weg zu einer neuen Form des Bildungsföderalismus. Wichtige Schritte seien etwa neue Investitionsmöglichkeiten des Bundes und ein geplanter nationaler Bildungsrat, sagte er im Dlf.

Hubertus Heil im Gespräch mit Stephanie Gebert | 06.02.2018
    SPD-Bildungspolitiker und -Unterhändler Hubertus Heil
    SPD-Bildungspolitiker und -Unterhändler Hubertus Heil (picture alliance / Kay Nietfeld/dpa)
    Stephanie Gebert: Großer Wurf, Meilenstein – es waren mächtige Worte, die Union und SPD für ihre Einigung in der Bildungspolitik verwendet haben. Noch warten wir auf einen endgültigen Vertrag. Aber, seit einigen Tagen ist bekannt: Rund zehn Milliarden Euro zusätzlich will die mögliche künftige Koalition für Schulen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen ausgeben. Zehn Seiten füllt die Liste der Versprechungen. Um mal drei wichtige Ausgabenposten zu nennen: die Ganztagsgarantie für Grundschüler, der Digitalpakt für die Schulen und die Einrichtung eines Bildungsrats. Mit verhandelt hat Hubertus Heil von der SPD.
    Ein großes Thema, das uns hier bei Campus und Karriere regelmäßig beschäftigt, ist der Lehrkräftemangel. Jetzt wollen Sie die Ganztagsbetreuung an Grundschulen ausbauen – welches Personal soll die Schülerinnen und Schüler denn da betreuen?
    Hubertus Heil: Wir brauchen eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bund, Ländern und Kommunen, alle Ebenen müssen ran. Das ist jetzt auch möglich, weil wir das Grundgesetz ändern. Das heißt, der Bund kann jetzt investieren in die schulische Infrastruktur, und natürlich müssen Länder, und das tun sie auch, die Ausbildungskapazitäten hochfahren – wenn man zum Beispiel so was wie den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung erfüllen will. Da ist viel zu tun. Da kann der Bund ein bisschen was tun, zum Beispiel bei der Unterstützung der Ausbildungskapazitäten. Aber es ist nach wie vor und bleibt Aufgabe der Länder, dort ihrer Aufgabe auch gerecht zu werden.
    Gebert: Das heißt, da sehen Sie sich nicht an erster Stelle. Kritiker sehen ja die Gefahr, dass Kinder eher verwahrt werden als von qualifiziertem Personal dann gut betreut, wie die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig versprochen hatte.
    Heil: Deshalb müssen wir uns, wie gesagt, gemeinsam aufmachen. Die gute Nachricht ist, dass wir jetzt mit der Änderung des Grundgesetzes die Möglichkeit haben, dass der Bund direkt in die Schulen investieren kann. Das war in den letzten Jahren nicht möglich. Das tun wir auch, dafür stehen zwei Milliarden Euro zur Verfügung für den Ausbau von Ganztagsschulen, fünf Milliarden Euro für Digitale Bildung, und es muss zwischen Bund und Ländern auch über die laufenden Kosten dann gesprochen werden. Das ist auch im Koalitionsvertragsentwurf verhandelt, dass wir eine faire Kostenteilung hinbekommen, damit Ganztagsschulen tatsächlich nicht nur der Ausbau von Gebäuden sind, sondern auch die notwendige Personalausstattung bekommen.
    Fünf Milliarden Euro vom Bund für Digitalisierung
    Gebert: Sie haben jetzt den Digitalpakt schon angesprochen. Fünf Milliarden Euro sollen in die Digitalisierung gesteckt werden in den nächsten fünf Jahren. Wie sicher ist es denn, dass diese Summe auch tatsächlich fließt?
    Heil: Das ist der Fortschritt, das haben wir jetzt konkret vereinbart. Das ist im Text drin, dass wir dafür sorgen, dass das Geld fließt, konkret 3,5 Milliarden bis 2021, und insgesamt fünf Milliarden bis 2023, in dem Fünfjahresprogramm. Und das ist der Unterschied zur jetzigen Situation. Die Bundesministerin Wanka hatte das ja immer versprochen, hat aber das Geld nicht besorgt und hat auch das Grundgesetz nicht geändert. Sie wollte das nicht. Die Grundgesetzänderung, Stichwort Aufhebung des Kooperationsverbots ist auch notwendig, damit wir auch an dieser Stelle investieren können. Und wir können schnell loslegen, weil Bund und Länder die Rahmenbedingungen für diesen Digitalpakt schon verhandelt haben. Da kann es jetzt richtig losgehen, und das ist wirklich ein großer Erfolg, damit Kinder und Jugendliche auf das digitale Zeitalter auch gut vorbereitet werden.
    Gebert: Über diesen Erfolg würde ich gern noch mal sprechen. Bleiben wir beim Geld. Forscher der Bertelsmann-Stiftung haben nämlich mal ausgerechnet, wie weit man mit fünf Milliarden Euro kommt, um die rund 40.000 Schulen mit Servern, Netzanbindung und Schulcomputern auszustatten. Das Ergebnis: Nicht besonders weit. Eigentlich bräuchte man da das Dreifache. Das heißt, es wäre ein Tropfen auf den heißen Stein, was Sie da vereinbart haben.
    Heil: Nein, das ist aber ein bisschen kurz gerechnet, weil das allein die fünf Milliarden sind, die der Bund zur Verfügung stellt. Das heißt, wir heben natürlich bei Schulträgern, den Kommunen und Ländern mit diesen fünf Milliarden noch mal ein Vielfaches dessen, was an Investitionen notwendig ist. Also, die fünf Milliarden beziehen sich auf den Bundesanteil, und ich halte das für ein richtig dickes Paket. Im Einzelnen ist vereinbart, dass alle Ebenen ihren Beitrag leisten. Das heißt, der Bund schafft die technischen Voraussetzungen – Breitbandanschlüsse, einheitliche Lernformen, Plattformen, Schul-Clouds, Weiterbildungsplattformen für Lehrkräfte – und beteiligt sich auch an der Wartung und dem Erhalt. Die Länder sind verpflichtet, dafür zu sorgen, dass tatsächlich die Lehrpläne überarbeitet werden, und wir müssen gleichzeitig dafür sorgen, dass die Länder kooperieren, was die Lehrerfortbildung beispielsweise betrifft und auch die Nutzung und Qualitätssicherung von Open Education Ressources. Also, es ist eine ganze Menge schon vereinbart, und wir kommen damit endlich voran, und das ist die gute Nachricht.
    Neuer kooperativer Bildungsföderalismus
    Gebert: Ebenfalls nicht ganz unumstritten ist die Schaffung eines nationalen Bildungsrates. Auch das steht in Ihren Plänen. Schaffen Sie da jetzt aber nicht ein Gremium in Konkurrenz zur Kultusministerkonferenz, oder wie soll das Hand in Hand gehen?
    Heil: Nein, in Ergänzung. Der Unterschied ist, dass die Kultusministerkonferenz sich tatsächlich auf den Kultusbereich konzentriert. Der Nationale Bildungsrat soll sich die gesamte Bildungskette angucken. Und es ist eine gemeinsame Veranstaltung von Bund und Ländern, in der man wie beim Wissenschaftsrat mit zwei Kammern arbeitet. Das heißt, eine Kammer, in der die politischen Entscheider sitzen, aber eben auch eine Kammer, in der zum Beispiel Wissenschaft vorhanden ist, Stichwort Bildungsforschung. Und ich halte das für eine notwendige Ergänzung, damit wir langfristig wirklich vorankommen, was qualitativ hochwertige Bildungsstandards in ganz Deutschland betrifft. Ich halte das für einen Riesenschritt, und gemessen an dem, was wir jetzt haben, sind die Änderungen des Grundgesetzes, damit der Bund investieren kann, und der Bildungsrat zwei wesentliche Schritte für eine neue Form des kooperativen Bildungsföderalismus, den wir in Deutschland brauchen, Stichwort Bund und Land, Hand in Hand.
    Gebert: Wie muss denn dieser Nationale Bildungsrat ausgestattet sein, damit er nicht zum zahnlosen Tiger und einfach nur teuer wird?
    Heil: Wir haben uns darauf verständigt im Text, was die Aufgabe sein soll, die habe ich eben beschrieben. Die genaue Ausgestaltung müssen jetzt Bund und Länder miteinander besprechen. Aber wenn Sie sich das Vorbild des Wissenschaftsrates – nach dem Vorbild soll das ja kreiert werden – anschauen, dann ist der Wissenschaftsrat ein sehr gutes Gremium, um miteinander im Sinne von wissenschaftlichen Erkenntnissen auch Meinungen auszutauschen, die man dann umsetzt. Der Wissenschaftsrat macht Empfehlungen, die werden in vielen Bereichen auch aufgegriffen. Das kann auch dem Bildungssystem nur gut tun.
    Bildungspolitischer Aufbruch
    Gebert: Wenn der Koalitionsvertrag vielleicht heute Abend oder im Lauf des Tages steht, müssen Ihre Mitglieder in einem Votum abstimmen. Wo ist der Stolperstein bei den Bildungsthemen, wo die Genossinnen und Genossen vielleicht sagen werden, nee, können wir nicht mitgehen?
    Heil: Da kann ich guten Gewissens sagen, da gibt es keinen, weil wir tatsächlich, gemessen an dem, was wir in unserem Wahl- und Regierungsprogramms hatten, die Punkte durchgesetzt haben. Wenn man das im Sinne einer Checkliste macht, haben wir da wirklich ein großes Paket geschnürt. Da kann die SPD sehr zufrieden sein. Aber vor allen Dingen freue ich mich, dass wir in Deutschland jetzt einen bildungspolitischen Aufbruch organisieren können, den unser Land dringend braucht.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.