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SPD hat keine Bedenken zum Wechsel von Staatssekretär Tacke

Silvia Engels: Eine Personalie sorgt derzeit für Unruhe. Wirtschaftsstaatssekretär Alfred Tacke will Ende des Jahres von der Politik in die freie Wirtschaft wechseln. Er soll Vorstand der Essener Kraftwerkkonzerns Steag werden. Schön für ihn, könnte man meinen, doch die Angelegenheit hat einen Beigeschmack, den Tacke hat in seiner Amtszeit ausgesprochen freundlich für die Energiekonzerne agiert. Vor zwei Jahren hat er in Vertretung des damaligen Wirtschaftsministers Werner Müller die Ministererlaubnis zur Übernahme der RuhrGas AG durch den Energieriesen eon gestatten. FDP und CDU üben nun harte Kritik an diesem Amtswechsel, morgen soll sich der Wirtschaftsausschuss des Bundestags in einer Sondersitzung damit befassen. Am Telefon ist nun der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses Rainer Wend von der SPD. Guten Morgen.

    Wend: Schönen guten Morgen, Frau Engels.

    Engels: Ist dieser Jobwechsel von Herrn Tacke für Sie in Ordnung?

    Wend: Ja, ich sehe keine Anhaltspunkte dafür, dass das nicht in Ordnung sein sollte. Sie sagten, er habe in seiner Amtszeit durch die Ministererlaubnis freundlich für die Energiekonzerne entschieden, ich glaube, das trifft es nicht ganz, sondern er hat im Interesse der deutschen Wirtschaft insgesamt entscheiden und vor allen Dingen auch des Wirtschaftstandortes Deutschland, denn in der Energieversorgung müssen wir uns breiter aufstellen, wenn wir die internationale Wettbewerbssituation sehen etwa mit den Franzosen oder auch dem russischen Markt, dann ist es richtig, dass die Ministererlaubnis gegeben wurde. Das war einfach eine rationale vernünftige Entscheidung.

    Engels: Alfred Tacke wird nun Chef der Steag, das ist eine Tochter des Energiekonzerns RAG und der Vorstandsvorsitzende der RAG ist ausgerechnet der frühere Wirtschaftsminister Werner Müller. Das riecht doch geradezu nach Postenvergabe an frühere treue Mitarbeiter.

    Wend: Aber wenn man ein bisschen darüber weiß, wie respektiert Staatssekretär Tacke in der Wirtschaft ist und wenn man weiß, dass er bereits das eine oder andere Angebot aus der Wirtschaft hatte und ausgeschlagen hat, dann glaube ich, ist der Verdacht der Postenschieberei unbegründet und er brauchte weiß Gott niemanden, der ihm in der Wirtschaft einen Job verschafft. Alfred Tacke hat einen interessanten Berufsweg hinter sich. Er war einige Jahre bei den Gewerkschaften, beim wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Institut beschäftigt, dann lange Zeit im öffentlichen Dienst und nun nimmt er einen Posten in der freien Wirtschaft an. Das ist eigentlich etwas, wo man darüber nachdenken sollte, ob man das nicht viel häufiger tun sollte. Da Pendeln zwischen Wirtschaft, Verbänden und öffentlichem Dienst finde ich eine vernünftige Sache und man sollte nun nicht versuchen, daraus einen Skandal zu machen. Ich fände es interessant, wenn es mehr Persönlichkeiten gäbe, die einen solchen Weg gingen.

    Engels: Aber gerade im Energiebereich stehen doch die großen Energiekonzerne in Deutschland wegen ihrer geplanten Preiserhöhungen stark in der Kritik. Sie haben gesagt, der Energiemarkt, da muss Deutschland auch mit größeren Konzernen arbeiten, aber die Folge davon sind die hohen Preise. Müsste nicht da gerade die Politik und die Wirtschaft besonders getrennt sein?

    Wend: Ich finde, Sie sprechen völlig zurecht das Thema der Preispolitik an und es hat auch für mich einen etwas unangenehmen Beigeschmack gegenwärtig. Wir stehen vor einer gesetzlichen Regelung im Energiewirtschaftsgesetz, wie wir mit Preiskontrollen umgehen sollen und wenn es da im Vorfeld zu deutlichen Preiserhöhungen kommt, dann muss es schon zum Nachdenken Anlass geben. Auf der anderen Seite wollen wir uns unabhängiger machen vom Öl. Das wird uns nur gelingen, wenn wir ganz erhebliche Investitionen im Kraftwerksbereich in Deutschland machen, wir brauchen auch die notwendigen finanziellen Mittel dafür. Das ist das Kräftefeld, in dem wir uns bewegen und das sehe ich überhaupt nicht in einem Zusammenhang mit Personalentscheidungen, das sind einfach rationale Dinge, bei denen wir darauf aufpassen müssen, dass die Verbraucher nicht über den Tisch gezogen werden und gleichzeitig, dass unsere großen Unternehmen den finanziellen Spielraum haben, um Investitionen durchzuführen, um auch den Energiestandort Deutschland und die Unabhängigkeit vom Öl zu gewährleisten.

    Engels: Nun prüft die Union einen Gesetzesentwurf, der den Wechsel von politischen Beamten in Unternehmen für eine gewisse Zeit verhindern soll, wenn diese Unternehmen in vorangegangenen Entscheidungen oder Subventionszahlungen begünstigt waren. Was halten Sie davon?

    Wend: Ich würde es nicht von vornherein für unsinnig halten, ich habe aber zwei Anmerkungen dazu. Das eine ist die Betroffenheit. Sie kann manchmal nicht nur positiv sondern auch negativ sein bei bestimmten Entscheidungen, die Verwaltungen etwa auf Bundesebene treffen, so dass man sehen muss, wie man die Betroffenheit in einem solchen Gesetzesentwurf wirklich hinbekommt. Das zweite ist: nehmen wir mal an, man müsste eine zweijährige Pause nehmen, bevor man in die Wirtschaft wechselt - was macht man in diesen zwei Jahren? Muss man raus aus dem öffentlichen Dienst, wer finanziert dann, wie ist das in einer Lebensplanung unterzubringen? Und vielleicht noch ein Drittes ...

    Engels: Nun, aber als beamteter Wirtschaftsstaatssekretär hat er ja noch Anspruch auf Fortzahlungen, diese Problematik würde ihm keine Sorgen machen.

    Wend: Ihm nicht. Meine Sorge ist auch nicht der Staatssekretär, der darunter fallen würde, sondern der Steuerzahler, der eine solche Pause, die er machen müsste, finanzieren soll. Und ob man das immer gutfinden kann? Wir neigen in letzter Zeit dazu, immer sehr schnell, wenn ein echter oder vermeintlicher Skandal da ist, über einen Schnellschuss ein Gesetz zu machen und glauben, es damit regeln zu können. Ich fürchte, damit überfordern wir uns. Die Wahrheit dürfte sein: Auch jeder Betroffene muss sehr sensibel und genau aufpassen, ob das jetzt geht, was er macht oder wird das von der Öffentlichkeit zurecht nicht akzeptiert und darüber eine Debatte zu führen und ein commitment in unserer Gesellschaft zu finden, das finde ich dringend geboten. Ob da jetzt ein Gesetz schnell aus der Hüfte anlässlich eines Falles richtig ist, da bin ich eher skeptisch, aber wenn es einen konkreten Vorschlag der Union gibt, muss man sich dem natürlich zuwenden und ich verschließe mich da nicht völlig, darüber auch eine konstruktive Debatte zu führen. Aber es scheint mir eher so ein bisschen auch politisch motiviert zu sein, was die CSU jetzt macht, die meint, populistisch ein Thema ausschlachten zu können, wenn sie sich an einen Gesetzesentwurf macht, wird die merken, dass es sehr schwer sein wird, den praktisch zu fassen.

    Engels: Aber es ist ja nicht unbedingt ein Einzelfall. Vor einigen Jahren sorgte der Fall um den damaligen Industriekommissar Bangemann für Furore. Der FDP-Politiker wollte damals direkt aus Brüssel zu einem spanischen Telekommunikationsunternehmen Telefonica wechseln. Das sorgte für Empörung, auch bei der SPD, da alle vermuteten, Bangemann werde Interna preisgeben. Ist diese Gefahr beim Fall Tacke nicht gegeben?

    Wend: Ich glaube schon, dass man diese beiden Fälle ein stückweit vergleichen kann, aber das zeigt ja schon, dass es in der Tat Einzelfälle sind. Ich weiß es nicht mehr genau, aber ich glaube, Bangemann liegt über zehn Jahre zurück...

    Engels: ...1999...

    Wend: ...ja, gut, dann sind es jetzt fünf Jahre, aber auch das ist eine Größenordnung, die darauf hinweist, dass es Einzelfälle sind.

    Engels: Aber es bleibt ja problematisch.

    Wend: Ich bin einverstanden, wenn wir Wege finden und glauben, sie können dann auch rational gelöst werden, die mögliche Interessenkollision vermeiden, bin ich offen, aber Tacke war in seiner Zeit als Wirtschaftsstaatssekretär beispielsweise zuständig für die Vorbereitung des Bundeskanzlers auf die Wirtschaftsgipfel. Er hat Kontakte zu vielen Unternehmen in Deutschland gehabt, die seine Kompetenz sehr schätzen und ich glaube, man sollte aus so einer Situation heraus, dass es am Ende nun die Steag geworden ist, nicht zu viel konstruieren. Ich habe jedenfalls bisher keine Anhaltspunkte dafür, dass über Insiderwissen und ähnliche Dinge dort Nachteile für Wetterweber entstehen werden.

    Engels: Wäre es da nicht auch hilfreich für die verbeamteten Staatssekretäre oder andere Politiker, die in die Wirtschaft wechseln wollen, wenn hier einmal klare Regelungen festgelegt werden, möglicherweise auch ein SPD-Entwurf dazu, damit sie eben nicht in diesen Ruch kommen, damit klar ist, was sie annehmen können, was sie weitergeben dürfen und was nicht?

    Wend: Ich glaube, dass gegenwärtig die Fluktuation zwischen Politik, Verwaltung und Wirtschaft in Deutschland eher zu wenig als zu viel ist. Wir können immer voneinander lernen. Dass es dann auch zu denkbaren Interessenkollisionen kommen kann, ist auch wahr. Ob man das über einen Gesetzesentwurf verhindern kann, da bin ich skeptisch, denn da müssten ja konkrete Fälle der möglichen Interessenkollision fassen, von denen ich Zweifel habe, ob es überhaupt fassbar ist. Ich bin unsicher, ob wir dann immer sofort nach dem Gesetzgeber rufen sollten. Falls es wirklich kluge Ideen gibt, wie man das Gesetzgeberisch formulieren könnte, darf man sich nicht verschließen. Ich persönlich bin eher skeptisch.

    Engels: Der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses Rainer Wend von der SPD.