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SPD in Frankfurt am Main
Wohnungen bauen und bei Fluglärmgegnern übernachten

Die Bundes-SPD kann von ihren Genossen in Frankfurt am Main lernen, wie man das Vertrauen der Wähler gewinnt. Mit konsequentem Einsatz für die sozial Schwachen und mit glaubwürdigem Personal. Mit Frontleuten, denen der intensive Kontakt zu Bürgergruppen im Zweifel wichtiger ist als der Sektempfang im Rathaus. Mit jungen Spitzenkräften, die geglückte Integration von Einwanderern verkörpern.

Von Ludger Fittkau |
    Der Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann (l., SPD) und der Spitzenkandidat der Frankfurter SPD, Mike Josef
    Der Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann (l., SPD) und der Spitzenkandidat der Frankfurter SPD, Mike Josef (dpa)
    "Schönen guten Tag, meine lieben Freunde und Genossen – ich bin froh, dass ihr heute so zahlreich erschienen seid."
    Ortsvereinsvorsitzender Stephan Zilcher begrüßt rund ein Dutzend Sozialdemokraten in Frankfurt-Fechenheim zum Jahreshaupttreffen. Die Stimmung im Versammlungslokal ist gut, denn nach zehn Jahren Schwarz-Grün wird die SPD wieder an der Regierung der Stadt Frankfurt beteiligt sein. Im Kleine-Leute-Stadtteil Fechenheim im Osten der Mainmetropole erzielte die Partei bei den Kommunalwahlen im März mit fast 30 Prozent ein Ergebnis, von dem sie im Bund momentan nur träumen kann. Stadtverordneter Jan Klingelhöfer:
    "Es gibt viel Schwung, dass wir jetzt wieder beteiligt sind an der Stadtregierung. Und das wir unsere Themen wie Wohnen auch umsetzen können."
    Wie wichtig Wohnungspolitik für die Bürger ist, hat die SPD in Fechenheim schon lange verstanden. So hat die Partei unlängst eine Mieterversammlung mitorganisiert und einen Großvermieter im Stadtteil dazu gebracht, eine Wohnung für Gemeinschaftsaktivitäten zur Verfügung zu stellen. Denn der soziale Zusammenhalt in der Siedlung war durch einige rücksichtslose Mieter gefährdet, erinnert sich Ortsvereinsvorsitzender Stephan Zilcher:
    "Weil die Menschen nicht mehr weiterwussten. Da war eine Dame dabei, die hat berichtet, wie die Situation ist. Die ist in Tränen ausgebrochen und konnte nicht mehr reden. Das sind schlimme Zustände. Normalerweise ist das Sache von Mietern und Vermietern. Aber das war etwas, was den ganzen Stadtteil betroffen hat. Deswegen haben wir das aufgegriffen, haben diese Mieterveranstaltung gemacht und haben den Mietern dann auch geholfen und das weiterverfolgt."
    Dass die SPD ein so brennendes Thema wie Wohnen und Mieten nicht mehr aus dem Blick verliert, liegt auch am Frankfurter SPD-Oberbürgermeister Peter Feldmann. Mit ihm begann vor Jahren die personelle und inhaltliche Erneuerung der SPD am Main. So beschreibt es Andreas Heusinger von Waldegge, der Geschäftsführer des SPD-Unterbezirks Frankfurt:
    "Das hat angefangen 2012 mit der Oberbürgermeisterwahl, zu der wir ja wie die Jungfrau zum Kinde gekommen sind durch den Rücktritt von Petra Roth. Und es eigentlich hier keiner machen wollte, bis auf einen. Und der war so der Antityp des Politikers. Der nicht den Sprech drauf hatte wie der CDU-Gegenkandidat Boris Rhein, und zu den Leuten hingegangen ist. Das Hauptrezept waren Hausbesuche. Hingehen, bei den Fluglärmgegnern mal eine Nacht zu übernachten. Sich das einfach mal anzuhören. Es ging gar nicht darum zu sagen, ich schaffe das alles ab, sondern sich das anzuhören und zu versprechen, ich kümmere mich drum."
    Peter Feldmann bleibt konsequent
    Peter Feldmann blieb konsequenterweise dem ersten Spatenstich für das neue Terminal 3 am Frankfurter Flughafen genauso fern wie manchem Sektempfang im Frankfurter Rathaus, dem Römer. Darüber sei die Stadtgesellschaft zunächst durchaus irritiert gewesen, so Andreas Heusinger von Waldegge:
    "Das ist genau der Punkt: Was ist die Stadtgesellschaft? Ist die Stadtgesellschaft die 2:500 Leute im Römer, um den Römer drum rum? Ich habe mal gesagt: die am Hofe. Oder sind es die Menschen hier draußen? Und wenn man da jetzt sagt, ich gehe nicht auf jeden Empfang und was soll ich da? Ich gehe doch lieber in einen Stadtteil und mache etwas mit einem Verein. Das stößt natürlich bei denen, die das immer machen, auf Kritik. Aber da haben sie sich glaube ich die Zähne dran ausgebissen.2
    Schließlich präsentierte die SPD Frankfurt am Main zur Kommunalwahl im März 2016 den 33 Jahre alten Spitzenkandidaten Mike Josef. Ein eloquenter Politikwissenschaftler, der als Kind mit seiner Familie aus Syrien nach Deutschland geflohen war. Die Fechenheimer Sozialdemokraten Rene Schindler und Magdalene Grana sind begeistert über den neuen Frontmann der Stadtpartei:
    Rene Schindler:
    "Definitiv. Mike Josef vereint die Gruppe der Jungen, er hat einen Migrationshintergrund, er ist ein sehr fundierter Kenner auch der SPD, schon jahrelang aktiv. Ich kenne ihn noch aus Juso-Zeiten. Und er hat Glaubwürdigkeit, das ist meiner Ansicht nach sein stärkstes politisches Kapital.2
    Magdalene Grana:
    "Ich finde, der Mike Josef bringt Leben in die Partei rein. Und er ist auch ein ehrlicher Mensch. Und sehr zuverlässig, ich glaub, das macht viel aus."
    Spitzenkandidat mit syrischen Wurzeln
    Mike Josef leitet seit Wochen als Parteivorsitzender die laufenden Koalitionsverhandlungen mit CDU und Grünen. Weil die bis morgen, Freitag früh abgeschlossen sein sollen, stand er für ein Interview mit dem Deutschlandfunk diese Woche nicht zur Verfügung. Mike Josef wird in der neuen Stadtregierung das Planungsdezernat übernehmen und auch für die Wohnungspolitik zuständig sein.
    Parteigeschäftsführer Andreas Heusinger von Waldegge weiß, wie viel Verantwortung auf den Nachwuchsstar der Frankfurter SPD zukommt. Es müssen viele tausend neue bezahlbare Wohnungen gebaut werden. Die künftigen Koalitionsparteien streiten noch darüber, ob dafür neue Stadtteile auf der grünen Wiese entstehen sollen - oder in Altbausiedlungen nachverdichtet werden soll.
    Heute wird die Nacht durchverhandelt, bis morgen Abend soll der Koalitionsvertrag stehen. Zeit, heute Abend das wichtige Fußball-Relegationsspiel der Frankfurter Eintracht gegen Nürnberg zu gucken und auch dadurch Fühlung zur Frankfurter Bevölkerung aufzunehmen, bleibe da leider nicht, so Andreas Heusinger von Waldegge:
    "Ich werde irgendwann morgens um sechs im Büro ankommen, schnell was sortieren und dann geht es um 12 Uhr wieder weiter. Schön wäre es, das Frankfurt spiel zu gucken, aber das werden wir uns so per Internet zu Gemüte führen."