Donnerstag, 28. März 2024

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SPD-Ortsverband in NRW
Hadern mit der GroKo

SPD-Chef Martin Schulz will heute nach Nordrhein-Westfalen reisen und bei den Genossen im SPD-Stammland für die Große Koalition werben. In den Ortsverbänden wurde schon das ganze Wochenende diskutiert. Auch im Kreis Warendorf im Münsterland - wo die Stimmung angespannt und die Skepsis groß ist.

Von Lena Sterz | 15.01.2018
    Horst Seehofer (CSU), Angela Merkel (CDU) und Martin Schulz (SPD) informieren die Medien über die Ergebnisse der Sondierungsgespräche
    Nach den Sondierungsgesprächen zwischen CSU, CDU und SPD informieren Horst Seehofer, Angela Merkel und Martin Schulz über die Ergebnisse. An der SPD-Basis treffen diese nicht nur auf Zustimmung. (Imago)
    "So Genossinnen und Genossen, ich sag mal so: Es geht in den nächsten Wochen sowohl um die SPD als auch um das Land. Das sind zwei Seiten einer Medaille. Wir sind, was die SPD angeht, durchaus in einer schwierigen Situation."
    Schwierig ist die Situation nicht nur für die SPD, sondern sie wird es gleich auch für Bernhard Daldrup selbst. Noch sieht der SPD-Bundestagsabgeordnete frisch aus in legerem Jackett, weißem Hemd und dunkler Hose. Er steht in einem alten Landgasthof in seinem Wahlkreis Warendorf. Dicht gedrängt hören an die 100 SPD-Mitglieder aus der Umgebung angespannt "ihrem" Abgeordneten zu. Der versucht, die Punkte aus dem Sondierungspapier rauszupicken, die seinen Genossen gefallen könnten.
    "Wir haben auch die Abschaffung der Abgeltungssteuer drin, die, wie ihr wisst, eine Erleichterung für die Vermögenden ist. Auch sie wird auslaufen. Also da gibt es Licht und Schatten, das muss man klar und deutlich sagen."
    Bernhard Daldrup, Bundestagsabgeordneter in der SPD Fraktion 
    Der SPD -Bundestagsabgeordnete Bernhard Daldrup (dpa / Michael Kappeler)
    Gegenwind der Genossen
    SPD-Mann Daldrup zählt vor allem das auf, was aus seiner Sicht auf der Pro-GroKo-Liste stehen sollte: Erhöhung des Kinderzuschlags, Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule, der Soli nur für hohe Einkommen. Trotzdem ist der Gegenwind der Genossen stark:
    "Ich will ja gar nicht noch mal zur Bürgerversicherung kommen. Damit haben wir groß geworben im Wahlkampf. Davon steht nix drin. Null. Abgeschafft. Die Kosmetik da, damit, dass wir jetzt die zusätzlichen Beiträge in der Krankenversicherung - Leute, das ist Kosmetik. Aber ganz sicherlich kein Big Point. Also so kann man ein Sondierungspapier von meiner Warte her ganz sicher nicht unterstützen."
    Erneuerung der SPD gefordert
    Aber es wird schnell klar: Es geht hier nicht nur um Big Points oder um Pro- und Kontra-Listen. Den westfälischen Genossen an den langen Tischen geht es um etwas viel Größeres: Um eine Erneuerung der SPD und um Köpfe, die immer noch die alten sind. Sigmar Gabriel zum Beispiel:
    "Und jetzt reist der wieder durch die ganze Weltgeschichte und tut so, als wenn er damit nix zu tun hätte. Ist der tolle Weltpolitiker, kriegt tolle Bilder in der Tagesschau. Die Werte steigen und schon denken wir wieder, die Sonne geht auf."
    Bei Abstimmung gegen die GroKo
    Abgeordneter Daldrup hört sich das an, setzt sich einen Moment lang hin und sagt dabei kaum hörbar: "Ich kann das hier gar nicht gewinnen." Die westfälische Skepsis scheint überall im Saal zu sein. Wie sie bei einem möglichen Mitgliederentscheid abstimmen, haben viele schon entschieden.
    "Ich werde mein Kreuz ganz sicher nicht bei der GroKo setzen. Die Inhalte sind nicht schlecht. Es geht vielmehr um die Erfahrung, die wir mit der CDU, mit der CSU gemacht haben."
    "Der Bereich der Flüchtlingspolitik vor allem, diese versteckte Obergrenze, das ist für mich ein großer Punkt. Auch die Dinge zum Arbeitsmarkt, die da drin stehen."
    "Gerade die Bürgerversicherung. Das wär was gewesen, was gut wäre."
    Überzeugungsarbeit trotz eigener Skepsis
    Nach drei Stunden Anreden gegen die Münsterländer Mitglieder hat der Abgeordnete Bernhard Daldrup es geschafft. Das Ringen mit der Basis ist vorbei und er kann einen Moment lang durchatmen. Und auf die Frage, wie der Privatmensch Bernhard Daldrup eigentlich das Papier sieht, eine ehrliche Antwort geben:
    "Ich bin selber skeptisch gegenüber einer solchen Variante der großen Koalition, das will ich gar nicht verhehlen. Ich glaube, dass das nicht nur Chancen bietet, sondern auch erhebliche Risiken."
    "Aber hier mussten Sie ja die Rolle spielen, dass Sie das verteidigen."
    "Das ist in der Tat wahr, ja. Diese Rolle muss man spielen, ja, Aber Spielen ist vielleicht auch falsch, weil ich genau weiß, dass diese Leute, die da sondiert haben - ich kenn die ja, dass die das alle ernsthaft gemacht haben und in dem Bemühen, möglichst viel an sozialdemokratischer Programmatik reinzubringen. Und das ist natürlich etwas, was nicht jedes Mitglied in gleicher Weise nachvollzieht wie ich, weil ich das unmittelbar mitbekommen habe. Also insofern ist es keine Rolle, die ich spiele, sondern eine Aufgabe, die ich habe, und die nehme ich ernst, auch gegenüber den Leuten."
    Eine Aufgabe, die SPD-Mann Daldrup in den nächsten Wochen noch viel Kraft kosten wird: den Genossen an der Basis klar machen, warum Koalitionsverhandlungen mit der Union trotz allem eine gute Sache sein könnten.