Sichtlich bewegt sagte Brandenburgs Ministerpräsident, die Entscheidung für den Rücktritt sei die schwerste seines Lebens gewesen. Und dann nutzte er den Parteitag, um den Genossen Mut zu machen. Die SPD müsse keine Angst vor anstehenden Erneuerungen haben. Schließlich habe sie sich im Laufe ihrer langen Geschichte immer wieder gewandelt, um zukunftsfähig zu bleiben, und das habe sie bisher gut geschafft. Dabei solle sie auch weiter eine Partei der kleinen Leute bleiben und das Ziel haben, die Lebensverhältnisse der großen Mehrheit zu verbessern. Dafür sei Kurt Beck genau der Richtige.
"Unser Genosse Kurt Beck wird ein herausragender Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands sein. Ein Vorsitzender, der in seiner Person alle Eigenschaften mitbringt, die jetzt an der Spitze unserer Partei gebraucht werden. Ich bin froh, und ich bin dankbar, das sage ich hier auch von Mensch zu Mensch, dass Kurt Beck mein Nachfolger wird. Ich bin mir sicher, bei ihm – und das gilt auch für Jens Bullerjahn als neuer Stellvertreter – ist unsere Partei in den denkbar besten Händen."
Kurt Beck hat eine anstrengende Zeit vor sich: Seine Partei regiert in der großen Koalition im Bund und muss dennoch ein ganz eigenes Profil erkennen lassen. Dafür braucht die Partei ein neues Programm. Das alte so genannte Berliner Programm stammt von 1989. Da stand noch nicht einmal fest, ob das geteilte Deutschland wieder zusammenwachsen würde, wie es sich Willy Brandt so sehr wünschte. Das Selbstverständnis der Sozialdemokraten hat sich seitdem erheblich verändert. Und jetzt wollen sie unter Leitung von Kurt Beck in einem neuen Programm festschreiben, wofür Sozialdemokratie heute stehen kann und soll.
"Unser Genosse Kurt Beck wird ein herausragender Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands sein. Ein Vorsitzender, der in seiner Person alle Eigenschaften mitbringt, die jetzt an der Spitze unserer Partei gebraucht werden. Ich bin froh, und ich bin dankbar, das sage ich hier auch von Mensch zu Mensch, dass Kurt Beck mein Nachfolger wird. Ich bin mir sicher, bei ihm – und das gilt auch für Jens Bullerjahn als neuer Stellvertreter – ist unsere Partei in den denkbar besten Händen."
Kurt Beck hat eine anstrengende Zeit vor sich: Seine Partei regiert in der großen Koalition im Bund und muss dennoch ein ganz eigenes Profil erkennen lassen. Dafür braucht die Partei ein neues Programm. Das alte so genannte Berliner Programm stammt von 1989. Da stand noch nicht einmal fest, ob das geteilte Deutschland wieder zusammenwachsen würde, wie es sich Willy Brandt so sehr wünschte. Das Selbstverständnis der Sozialdemokraten hat sich seitdem erheblich verändert. Und jetzt wollen sie unter Leitung von Kurt Beck in einem neuen Programm festschreiben, wofür Sozialdemokratie heute stehen kann und soll.
Baustelle Sozialdemokratie
Nicht nur das Leben ist eine Baustelle, sondern auch die Zukunft der deutschen Sozialdemokratie – der neue SPD-Parteivorsitzende Kurt Beck bemühte in seiner Antrittsrede die Erinnerung an ein Gespräch mit seinem Vater, der sich als Maurer mit Baustellen auskennt und hofft, dass sein Sohn einige der Erfahrungen auch bei seinen künftigen Aufgaben als oberster Lenker der SPD gebrauchen könnte. Diese Ratschläge nahm sich Kurt Beck zu Herzen und machte auf dem Sonderparteitag deutlich, dass auf der Baustelle Parteizukunft die soziale Marktwirtschaft oberste Priorität haben muss:
"Wir, die Sozialdemokratie in Deutschland, sind die Partei der Sozialen Marktwirtschaft, einer erneuerten, einer fortgeschriebenen Sozialen Marktwirtschaft. Uns fällt die Aufgabe zu, die soziale Dimension in unserer Gesellschaft lebendig zu halten, liebe Genossinnen und Genossen."
Dass Soziale Marktwirtschaft und soziale Gerechtigkeit eng zusammen gehören – das soll für den 57-Jährigen eines der Grundprinzipien seiner künftigen Arbeit sein. Ohne Verteilungsgerechtigkeit keine Chancengerechtigkeit, so Beck.
"Wir stehen in der konkreten Gefahr in Deutschland, dass unsere Gesellschaft auseinanderdriftet: in Arbeitsplatzbesitzer und Arbeitslose, in Kinder aus reichen und Kinder aus armen Familien, in Erfolgsverwöhnte und Chancenlose. Wir werden aber nicht zulassen, dass diese Gesellschaft auseinanderfällt in diejenigen, die drinnen sind und in die draußen, ohne Chance hineinzukommen. Dagegen kämpfen wir an. In diesem Sinne, liebe Genossinnen und Genossen, lasst uns für eine gerechtere Gesellschaft kämpfen."
Er wolle nicht, dass ein Arbeitnehmer fünf Jobs brauche, um seine Familie durchzubringen und gab sich in seiner Wortwahl bodenständig. Der gelernte Elektromechaniker legte ein Bekenntnis für Tarifverträge, für die Arbeit der Gewerkschaften und für die Mitbestimmung der Arbeitnehmer ab. Mit Spannung wurde jedoch erwartet, wie sich Kurt Beck die Finanzierung der Chancengerechtigkeit vorstellt. Wiederholt forderte Beck einen "handlungsfähigen Staat" – und der sei ohne eine solidarische Steuerpolitik nicht zu machen, ein Bekenntnis damit auch zur Reichensteuer:
"Es geht einfach darum, dass, wenn diejenigen, die in dieser Gemeinschaft mit ihrem Geld sehr haushälterisch umgehen, schon zur Kasse gebeten werden müssen, leider gebeten werden müssen, dass diejenigen, die Spitzeneinkommen haben, nicht einfach außen vor bleiben können. Das ist Teil einer vernünftigen Politik."
Neben der Einführung der Reichensteuer solle die für 2008 geplante Unternehmensteuerreform ohne eine Mehrbelastung der öffentlichen Haushalte vollzogen werden, so Beck. Dazu gehöre jedoch auch, der Union in der großen Koalition ein verlässlicher Partner zu sein.
"Verlässlichkeit werden wir auch hinsichtlich dessen, was in der Koalitionsvereinbarung der großen Koalition hier in Berlin für die Bundespolitik steht, bieten. Aber liebe Genossinnen und Genossen, wir werden auch erkennbar bleiben, und wir können dies, weil in dieser Koalitionsvereinbarung so viel drinsteht von unserer Handschrift, dass es überhaupt keinen Grund gibt, dass wir fürchten müssten, dass wir dort an die Seite gedrängt werden."
Um das eigene Profil zu schärfen, müsse ein wichtiges Augenmerk auf ein neues Grundsatzprogramm der Partei gelegt werden. Dabei wolle die Partei offen sein für Vorschläge von außen, man müsse den Dialog suchen mit Kultur, Kirche oder Wohlfahrtsverbänden. Vorgaben machte Beck in seiner rund 90-minütigen Rede allerdings bereits mit einem Rundumschlag zur Integrations-, Bildungs-, Familien oder zur Gesundheitspolitik. So hat er eine klare Zielvorstellung für die Großbaustelle Gesundheitsreform:
"Jeder wird versichert sein, jede natürlich auch. Jeder und jedem werden die Gesundheitsleistungen in vollem Umfang zur Verfügung stehen und zwar sowohl jetzt als auch in der Zukunft. Jede und jeder wird vom gesundheitlichen Fortschritt profitieren können. Wir verbinden in der Gesundheitsreform Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität miteinander, denn zu Kosten wird jeder nach seiner Leistungsfähigkeit auch in Zukunft herangezogen werden."
Worte, die Wirkung zeigten bei den Delegierten, vor allem die klare und volksnahe Sprache von Kurt Beck kam an, unter anderem bei dem Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler:
"Dieser Begriff 'Erkennbarkeit' war wichtig, auch ein bisschen die stärkere Betonung der sozialdemokratischen Wurzeln und das Ganze präsentiert mit so wunderbaren einfachen Bildern, die jeder versteht. Der Vater, der Maurer ist und 84 Jahre, der sagt, Junge, du gehst auf eine große Baustelle. Oder der Baggerführer, der nur eines seiner Kinder zum Studium schicken kann wegen der Studiengebühren und dann gar nicht mehr könnte, das sind so eindringliche Sachen. Das sind die Stärken von Kurt Beck, sozusagen große Politik auf verständliche Bilder umzusetzen, und das wird uns, glaube ich, viel helfen."
Volksnah, erkennbar, sozial gerecht – so soll die Arbeit der Partei unter der Führung des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck aussehen. Ihm zur Seite stehen wird der Finanzminister von Sachsen-Anhalt. Mit knapp 85 Prozent der Stimmen wurde der 43-jährige Jens Bullerjahn zum neuen Stellvertreter gewählt. Und die Hoffnung SPD ist groß, dass die neue Spitze ihre Geschäfte weitaus länger führen wird als die ihres Vorgängers Matthias Platzeck.
Nicht weniger als achtmal gab es in den vergangenen 19 Jahren einen Führungswechsel bei der SPD, seit dem Amtsantritt von Hans-Jochen Vogel blieb keiner mehr länger als vier Jahre. Ob jetzt "der Provinzler" aus der Pfalz die Zeit hat, bei den wichtigen Sitzungen in Berlin dabei zu sein, präsent zu sein, wenn es um das Profil seiner Partei geht? Schließlich hatte er bereits vorher mehr als genug zu tun: Ministerpräsident und SPD-Landeschef. Und daran will er auch festhalten, er hängt an seiner Heimat und an den Leuten. Und er nimmt ihre Sorgen ernst. Der Literatur-Nobelpreisträger Günther Grass sagte neulich, er erwarte von Beck, dass er zuhöre. Und das kann er, das ist sein Erfolgsrezept, den Menschen zuhören und vor Ort Probleme lösen. Als ersten Wohnsitz könne er höchstens den Dienstwagen angeben, wird gespottet. Und wie er dieses rastlose Reisen in der Pfalz jetzt alles noch zusammen mit dem Bundesvorsitz der SPD unter einen Hut bekommen will?
"Wir, die Sozialdemokratie in Deutschland, sind die Partei der Sozialen Marktwirtschaft, einer erneuerten, einer fortgeschriebenen Sozialen Marktwirtschaft. Uns fällt die Aufgabe zu, die soziale Dimension in unserer Gesellschaft lebendig zu halten, liebe Genossinnen und Genossen."
Dass Soziale Marktwirtschaft und soziale Gerechtigkeit eng zusammen gehören – das soll für den 57-Jährigen eines der Grundprinzipien seiner künftigen Arbeit sein. Ohne Verteilungsgerechtigkeit keine Chancengerechtigkeit, so Beck.
"Wir stehen in der konkreten Gefahr in Deutschland, dass unsere Gesellschaft auseinanderdriftet: in Arbeitsplatzbesitzer und Arbeitslose, in Kinder aus reichen und Kinder aus armen Familien, in Erfolgsverwöhnte und Chancenlose. Wir werden aber nicht zulassen, dass diese Gesellschaft auseinanderfällt in diejenigen, die drinnen sind und in die draußen, ohne Chance hineinzukommen. Dagegen kämpfen wir an. In diesem Sinne, liebe Genossinnen und Genossen, lasst uns für eine gerechtere Gesellschaft kämpfen."
Er wolle nicht, dass ein Arbeitnehmer fünf Jobs brauche, um seine Familie durchzubringen und gab sich in seiner Wortwahl bodenständig. Der gelernte Elektromechaniker legte ein Bekenntnis für Tarifverträge, für die Arbeit der Gewerkschaften und für die Mitbestimmung der Arbeitnehmer ab. Mit Spannung wurde jedoch erwartet, wie sich Kurt Beck die Finanzierung der Chancengerechtigkeit vorstellt. Wiederholt forderte Beck einen "handlungsfähigen Staat" – und der sei ohne eine solidarische Steuerpolitik nicht zu machen, ein Bekenntnis damit auch zur Reichensteuer:
"Es geht einfach darum, dass, wenn diejenigen, die in dieser Gemeinschaft mit ihrem Geld sehr haushälterisch umgehen, schon zur Kasse gebeten werden müssen, leider gebeten werden müssen, dass diejenigen, die Spitzeneinkommen haben, nicht einfach außen vor bleiben können. Das ist Teil einer vernünftigen Politik."
Neben der Einführung der Reichensteuer solle die für 2008 geplante Unternehmensteuerreform ohne eine Mehrbelastung der öffentlichen Haushalte vollzogen werden, so Beck. Dazu gehöre jedoch auch, der Union in der großen Koalition ein verlässlicher Partner zu sein.
"Verlässlichkeit werden wir auch hinsichtlich dessen, was in der Koalitionsvereinbarung der großen Koalition hier in Berlin für die Bundespolitik steht, bieten. Aber liebe Genossinnen und Genossen, wir werden auch erkennbar bleiben, und wir können dies, weil in dieser Koalitionsvereinbarung so viel drinsteht von unserer Handschrift, dass es überhaupt keinen Grund gibt, dass wir fürchten müssten, dass wir dort an die Seite gedrängt werden."
Um das eigene Profil zu schärfen, müsse ein wichtiges Augenmerk auf ein neues Grundsatzprogramm der Partei gelegt werden. Dabei wolle die Partei offen sein für Vorschläge von außen, man müsse den Dialog suchen mit Kultur, Kirche oder Wohlfahrtsverbänden. Vorgaben machte Beck in seiner rund 90-minütigen Rede allerdings bereits mit einem Rundumschlag zur Integrations-, Bildungs-, Familien oder zur Gesundheitspolitik. So hat er eine klare Zielvorstellung für die Großbaustelle Gesundheitsreform:
"Jeder wird versichert sein, jede natürlich auch. Jeder und jedem werden die Gesundheitsleistungen in vollem Umfang zur Verfügung stehen und zwar sowohl jetzt als auch in der Zukunft. Jede und jeder wird vom gesundheitlichen Fortschritt profitieren können. Wir verbinden in der Gesundheitsreform Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität miteinander, denn zu Kosten wird jeder nach seiner Leistungsfähigkeit auch in Zukunft herangezogen werden."
Worte, die Wirkung zeigten bei den Delegierten, vor allem die klare und volksnahe Sprache von Kurt Beck kam an, unter anderem bei dem Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler:
"Dieser Begriff 'Erkennbarkeit' war wichtig, auch ein bisschen die stärkere Betonung der sozialdemokratischen Wurzeln und das Ganze präsentiert mit so wunderbaren einfachen Bildern, die jeder versteht. Der Vater, der Maurer ist und 84 Jahre, der sagt, Junge, du gehst auf eine große Baustelle. Oder der Baggerführer, der nur eines seiner Kinder zum Studium schicken kann wegen der Studiengebühren und dann gar nicht mehr könnte, das sind so eindringliche Sachen. Das sind die Stärken von Kurt Beck, sozusagen große Politik auf verständliche Bilder umzusetzen, und das wird uns, glaube ich, viel helfen."
Volksnah, erkennbar, sozial gerecht – so soll die Arbeit der Partei unter der Führung des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck aussehen. Ihm zur Seite stehen wird der Finanzminister von Sachsen-Anhalt. Mit knapp 85 Prozent der Stimmen wurde der 43-jährige Jens Bullerjahn zum neuen Stellvertreter gewählt. Und die Hoffnung SPD ist groß, dass die neue Spitze ihre Geschäfte weitaus länger führen wird als die ihres Vorgängers Matthias Platzeck.
Nicht weniger als achtmal gab es in den vergangenen 19 Jahren einen Führungswechsel bei der SPD, seit dem Amtsantritt von Hans-Jochen Vogel blieb keiner mehr länger als vier Jahre. Ob jetzt "der Provinzler" aus der Pfalz die Zeit hat, bei den wichtigen Sitzungen in Berlin dabei zu sein, präsent zu sein, wenn es um das Profil seiner Partei geht? Schließlich hatte er bereits vorher mehr als genug zu tun: Ministerpräsident und SPD-Landeschef. Und daran will er auch festhalten, er hängt an seiner Heimat und an den Leuten. Und er nimmt ihre Sorgen ernst. Der Literatur-Nobelpreisträger Günther Grass sagte neulich, er erwarte von Beck, dass er zuhöre. Und das kann er, das ist sein Erfolgsrezept, den Menschen zuhören und vor Ort Probleme lösen. Als ersten Wohnsitz könne er höchstens den Dienstwagen angeben, wird gespottet. Und wie er dieses rastlose Reisen in der Pfalz jetzt alles noch zusammen mit dem Bundesvorsitz der SPD unter einen Hut bekommen will?
Der volksnahe Landesvater
Der Ministerpräsident trägt Polo-Shirt, gibt sich locker. Jeden zweiten Sonntag empfängt er Delegationen von Vereinen und Kommunalpolitikern sowie einzelne Bürger zur Sprechstunde in der Dachkammer eines Wohnhauses in seinem Heimatort Steinfeld. In dem 2000-Einwohner-Dorf nahe dem Elsass wuchs Kurt Beck als Sohn eines Maurers auf, besuchte zwischen 1955 und '63 die Volksschule und machte eine Lehre zum Elektromechaniker. Realschulabschluss auf dem zweiten Bildungsweg, 1972 Eintritt in die SPD. 1973 zog Beck in den Kreistag Südliche Weinstraße ein, sechs Jahre später in den Mainzer Landtag. 1989 - Zeit der Wende in Ostdeutschland - eine Wende anderer Art vollbrachte Kurt Beck hier im tiefen Westen zwischen Weinreben und Wald. Steinfeld war bis dahin fest in CDU-Hand, erinnert sich Christine Kornmann, Mitarbeiterin in Becks Wahlkreisbüro:
"Ja, er hat es geschafft, das schwarze Dorf zu wenden, er ist der erste sozialdemokratische Bürgermeister hier in Steinfeld, und selbst die 'Schwarzen' haben ihm ihre Stimme gegeben."
Die Tür zur Dachkammer öffnet sich, für die Kicker eines deutsch-türkischen Fußballvereins in Germersheim ist die Sprechstunde zu Ende, ihre Sorgenfalten sind verschwunden. Der Ministerpräsident hat zugesichert, die längst fällige Renovierung ihrer Sportstätte zu unterstützen, damit der Verein auch weiterhin Kinder aus Migrantenfamilien für den Fußball und ganz nebenbei für soziale Integration gewinnen kann.
"Ich war überrascht, wie konkret der Herr Ministerpräsident auf die Sache reagiert hat, und wir nehmen eigentlich viel Gutes mit."
"Also er hat uns zwei Lösungswege aufgezeigt, er hat gesagt, er will da was organisieren. Es wird ein Gespräch geben - alle Beteiligten an einen Tisch und dass man da versucht, Nägel mit Köpfen zu machen, und ich denke, da sind wir ein schönes Stück weiter."
"Wir haben wertvolle Tipps bekommen, es war ein sehr konstruktives Gespräch, und wir gehen mit zufriedenen Gesichtern nach Hause, und das zeichnet ihn aus","
fällt ein christdemokratischer Kommunalpolitiker in das Lob ein. Als SPD-Bundesvorsitzender wird Kurt Beck wohl die ein oder andere Sprechstunde ausfallen lassen. Grundsätzlich aber will er an der Institution festhalten, das Gespräch mit Otto-Normalverbrauchern ist das Elixier für seinen pragmatischen Politikstil. Hier kann er im Kleinen vorexerzieren, was ihm nun auch auf höchster Ebene abverlangt wird: Runde Tische organisieren, dann Nägel mit Köpfen machen, ohne alles durch die Parteibrille zu sehen. In Rheinland-Pfalz ist das Becks Rezept, landauf, landab auch Landräte und Bürgermeister anderer politischer Couleur zum Schwärmen zu bringen. Wo er auch hinkommt, der Ministerpräsident kennt Hinz und Kunz beim Vornamen, klopft Schultern, schüttelt Hände. Bodenständigkeit und Volksnähe sind für den Mann mit dem Mecki-Schnitt längst Markenzeichen geworden. Thomas Leif, SWR-Chefreporter, begleitet Beck journalistisch seit vielen Jahren:
""Es gibt diese schöne Anekdote, dass er überhaupt nicht gerne in Berlin ist und dass ihm dieses ganze Tamtam und der Trubel in Berlin eigentlich eher auf die Nerven geht. Das heißt, Politik als Show und Wichtigtuerei ist nicht seine Sache, in der Zeit geht er lieber zum Dürkheimer Wurstmarkt oder spricht mit Panzergrenadieren um 13 Uhr irgendwo in der Nordeifel und fährt abends in die Südpfalz und spricht dann mit irgendwelchen Reservisten."
In den vergangenen zwölf Jahren war auch das weitgehend konfliktfreie Bündnis mit den Liberalen eine Becksche Spezialität, und FDP-Landeschef Rainer Brüderle pflegte stets zu behaupten:
"Kurt Beck wäre ein anderer Kurt Beck, wenn nicht die FDP als starker Koalitionspartner mit im Boot sitzen würde."
Doch die eher konservativen Rheinland-Pfälzer entschieden bei den Landtagswahlen im März, dass die Beck-SPD kein liberales Korrektiv mehr braucht und verschafften den Sozialdemokraten eine glanzvolle absolute Mehrheit. Offensichtlich trauen die Wähler den Genossen einen wirtschafts- und mittelstandfreundlichen Kurs auch im Alleingang zu. Kurt Beck versichert stets, dass er diese Erwartung nicht enttäuschen will. Ministerpräsident, SPD-Landeschef und jetzt auch noch Bundesvorsitzender seiner Partei. Bebel, Brandt, Beck – da fällt Glanz zurück auf die Provinz. So denkt man auf dem Mainzer Marktplatz darüber:
"Finde ich in Ordnung, ja."
"Oh, ich habe so ein bisschen die Angst, dass er sich ein bissel überfordert sieht. Ministerpräsident ist das Amt, wo ich glaube, dass er das noch gut bewältigen konnte. Und jetzt einmal das, was an großen Aufgaben damit verbunden ist, das wird ihn überfordern und auch die Vielzahl der Ämter."
"Deswegen ist er ja wahrscheinlich mit der Mehrheit wiedergewählt worden, weil wir von ihm sehr viel halten. Er ist volksnah, und das gefällt halt hier den ganzen, Mainzern sowieso."
"Der hätte in Rheinland-Pfalz genug zu tun. Der soll hier bleiben, das ist besser für ihn."
"Der macht des schon, der packt des."
Der packt’s, sagen die Wähler. Kurt Beck steht an der Spitze einer Partei, die sich neu erfinden will und wohl auch muss. Der Politikwissenschaftler Lord Dahrendorf hat gesagt, die Sozialdemokratie sei eine Partei des 20. Jahrhunderts. Seit sechs Jahren schreiben wir aber das 21. Jahrhundert. Und die SPD gibt es noch, aber ihre Mitglieder fragen sich, was sie tun müssen, damit die SPD kein Auslaufmodell wird.
"Ja, er hat es geschafft, das schwarze Dorf zu wenden, er ist der erste sozialdemokratische Bürgermeister hier in Steinfeld, und selbst die 'Schwarzen' haben ihm ihre Stimme gegeben."
Die Tür zur Dachkammer öffnet sich, für die Kicker eines deutsch-türkischen Fußballvereins in Germersheim ist die Sprechstunde zu Ende, ihre Sorgenfalten sind verschwunden. Der Ministerpräsident hat zugesichert, die längst fällige Renovierung ihrer Sportstätte zu unterstützen, damit der Verein auch weiterhin Kinder aus Migrantenfamilien für den Fußball und ganz nebenbei für soziale Integration gewinnen kann.
"Ich war überrascht, wie konkret der Herr Ministerpräsident auf die Sache reagiert hat, und wir nehmen eigentlich viel Gutes mit."
"Also er hat uns zwei Lösungswege aufgezeigt, er hat gesagt, er will da was organisieren. Es wird ein Gespräch geben - alle Beteiligten an einen Tisch und dass man da versucht, Nägel mit Köpfen zu machen, und ich denke, da sind wir ein schönes Stück weiter."
"Wir haben wertvolle Tipps bekommen, es war ein sehr konstruktives Gespräch, und wir gehen mit zufriedenen Gesichtern nach Hause, und das zeichnet ihn aus","
fällt ein christdemokratischer Kommunalpolitiker in das Lob ein. Als SPD-Bundesvorsitzender wird Kurt Beck wohl die ein oder andere Sprechstunde ausfallen lassen. Grundsätzlich aber will er an der Institution festhalten, das Gespräch mit Otto-Normalverbrauchern ist das Elixier für seinen pragmatischen Politikstil. Hier kann er im Kleinen vorexerzieren, was ihm nun auch auf höchster Ebene abverlangt wird: Runde Tische organisieren, dann Nägel mit Köpfen machen, ohne alles durch die Parteibrille zu sehen. In Rheinland-Pfalz ist das Becks Rezept, landauf, landab auch Landräte und Bürgermeister anderer politischer Couleur zum Schwärmen zu bringen. Wo er auch hinkommt, der Ministerpräsident kennt Hinz und Kunz beim Vornamen, klopft Schultern, schüttelt Hände. Bodenständigkeit und Volksnähe sind für den Mann mit dem Mecki-Schnitt längst Markenzeichen geworden. Thomas Leif, SWR-Chefreporter, begleitet Beck journalistisch seit vielen Jahren:
""Es gibt diese schöne Anekdote, dass er überhaupt nicht gerne in Berlin ist und dass ihm dieses ganze Tamtam und der Trubel in Berlin eigentlich eher auf die Nerven geht. Das heißt, Politik als Show und Wichtigtuerei ist nicht seine Sache, in der Zeit geht er lieber zum Dürkheimer Wurstmarkt oder spricht mit Panzergrenadieren um 13 Uhr irgendwo in der Nordeifel und fährt abends in die Südpfalz und spricht dann mit irgendwelchen Reservisten."
In den vergangenen zwölf Jahren war auch das weitgehend konfliktfreie Bündnis mit den Liberalen eine Becksche Spezialität, und FDP-Landeschef Rainer Brüderle pflegte stets zu behaupten:
"Kurt Beck wäre ein anderer Kurt Beck, wenn nicht die FDP als starker Koalitionspartner mit im Boot sitzen würde."
Doch die eher konservativen Rheinland-Pfälzer entschieden bei den Landtagswahlen im März, dass die Beck-SPD kein liberales Korrektiv mehr braucht und verschafften den Sozialdemokraten eine glanzvolle absolute Mehrheit. Offensichtlich trauen die Wähler den Genossen einen wirtschafts- und mittelstandfreundlichen Kurs auch im Alleingang zu. Kurt Beck versichert stets, dass er diese Erwartung nicht enttäuschen will. Ministerpräsident, SPD-Landeschef und jetzt auch noch Bundesvorsitzender seiner Partei. Bebel, Brandt, Beck – da fällt Glanz zurück auf die Provinz. So denkt man auf dem Mainzer Marktplatz darüber:
"Finde ich in Ordnung, ja."
"Oh, ich habe so ein bisschen die Angst, dass er sich ein bissel überfordert sieht. Ministerpräsident ist das Amt, wo ich glaube, dass er das noch gut bewältigen konnte. Und jetzt einmal das, was an großen Aufgaben damit verbunden ist, das wird ihn überfordern und auch die Vielzahl der Ämter."
"Deswegen ist er ja wahrscheinlich mit der Mehrheit wiedergewählt worden, weil wir von ihm sehr viel halten. Er ist volksnah, und das gefällt halt hier den ganzen, Mainzern sowieso."
"Der hätte in Rheinland-Pfalz genug zu tun. Der soll hier bleiben, das ist besser für ihn."
"Der macht des schon, der packt des."
Der packt’s, sagen die Wähler. Kurt Beck steht an der Spitze einer Partei, die sich neu erfinden will und wohl auch muss. Der Politikwissenschaftler Lord Dahrendorf hat gesagt, die Sozialdemokratie sei eine Partei des 20. Jahrhunderts. Seit sechs Jahren schreiben wir aber das 21. Jahrhundert. Und die SPD gibt es noch, aber ihre Mitglieder fragen sich, was sie tun müssen, damit die SPD kein Auslaufmodell wird.
Interview mit dem Politikwissenschaftler Gero Neugebauer
"Die SPD hat zur Zeit gar keine Wahl, wenn man sich die Personaldecke anschaut und sieht, wer ist denn in der Lage, solche Kriterien zu erfüllen wie politisch erfolgreich gewesen zu sein, eine Integrationsfigur darstellen zu können, selbst aber nicht solche Ambitionen zu haben, dass sie gleich wieder die Partei auseinander reißt, dann kommen Sie auf Kurt Beck. Es bleibt niemand anderes übrig."
Sie haben ja die Rede von Kurt Beck verfolgt, er hat viele Punkte angesprochen, Kraft durch Erneuerung war die zentrale Botschaft. Reicht das, um die SPD zukunftsfähig zu halten?
"Nein, das reicht nicht, und das weiß Kurt Beck auch. Aber er ist in einer Situation, in der er bedenken muss, dass die SPD zurzeit relativ desorientiert ist. Es fehlen ihr die politischen Erfolge, sie hat mehrere Führungsfunktionen auswechseln müssen. Sie weiß eigentlich gar nicht – er hat ja auch seinen Vater erwähnt mit dem Hinweis auf die Baustelle – er meint, er befindet sich auf einer Baustelle. Man könnte natürlich auch sagen, eine Baustelle muss einen Plan haben, einen Architekten und ähnliches mehr. Und ich habe nicht den Eindruck, dass das alles schon da ist. Das heißt er muss – und daher auch so ein bisschen bei ihm immer diese Rückführung in die Vergangenheit - er muss die Partei erst einmal vergewissern, auf welchen Fundamenten sie steht. Aber was darauf aufgebaut wird, das ist völlig unklar."
Wird er denn mit diesen Fundamenten arbeiten können? Ist er eine starke Führungsperson, die diese Fundamente nutzen kann, um darauf ein Haus zu bauen?
""Ich denke doch. Und zwar deshalb, weil er einmal als Führungsfunktion angibt, er will alles zusammenbringen, er will integrieren, und er will eine Perspektive geben. Das zweite: Er ist in seiner Person auch etwas, was man einen Führer nennen kann. Man sollte sich nicht täuschen, er ist ziemlich energisch. Leute, die mit ihm arbeiten, und zwar eng zusammenarbeiten sagen, gut, er höre zwar zu und er achte Argumente und er suche auch Argumente, aber wenn er entschieden hat, dann setzt er durch, dann wird er ungeduldig, wenn man ihm nicht folgt, und er ist auch immer sehr belesen, das heißt, er weiß über die Sachen gut Bescheid und lässt sich nichts erklären, also erzählen. Insofern ist er auch jemand, der sich durchsetzen kann, wenn er dann auch entsprechend den Apparat der SPD selbst die nötige Ruhe gibt. Und das tut er. Er hat den Generalsekretär bisher nicht ausgewechselt.""
Kurt Beck hat ja auch von Anfang an deutlich gemacht, wovon er sich abgrenzen will mit der SPD. Und dazu gehört die Linkspartei. Mit der will er nichts zu tun haben. Die Abgrenzung von dieser Partei ist ein zentraler Akzent in der Programmdebatte und wird es sein. Wo sollte denn Kurt Beck da zuallererst ansetzen in der Abgrenzung von der Linkspartei?
"Die Linkspartei ist ja noch im Werden. Nehmen wir mal jetzt an, wir reden von der Linkspartei, was sich im Westen darstellt als Linkspartei, also auch in den Wahlen in Rheinland-Pfalz. Die Wähler sind ja Wähler gewesen, die bei den vorangegangen Wahlen nie Linkspartei.PDS gewählt haben, die jetzt WASG gewählt haben. Und das sind häufig welche, die von der Sozialdemokratie enttäuscht worden sind, das heißt, er muss also ansetzen bei Themen, die diese Wähler interessiert, und zwar auch bei einer Orientierung, mit der er diese Wähler auch wieder für die SPD mobilisieren kann. Das bedeutet einerseits, er kann natürlich schon sagen, bestimmte Personen wie Lafontaine sind für ihn nicht akzeptabel, aber er darf nicht von vorneherein sagen, dass das, was in der Orientierung dieser Wähler liegt, wofür die Wähler sich interessieren, sei für ihn uninteressant. Das ist eine interessante Gratwanderung, weil ihm auf der einen Seite auch einfallen muss, wie er Modernisierung verbindet mit bestimmten traditionellen Elementen, und dass er soziale Gerechtigkeit nicht nur modern buchstabiert, sondern auch in einer Art und Weise, die diese bisher sich vernachlässigt Fühlenden auch verstehen."
Kurt Beck hat das Wort von der Chancengerechtigkeit geprägt. Alle Menschen müssen die gleichen Chancen haben in der Gesellschaft. Liegt er denn damit richtig in der Abgrenzung, reicht das?
"Nein, das reicht nicht. Denn dazu verbindet man ja meist immer die Vorstellung vom vorsorgenden Staat, das heißt, der Staat, der die Chancengerechtigkeit macht, dass er Bildungschancen schafft, aber er darf nicht jene vergessen, die keine Chancen haben, wenn es aus Gründen, die nicht bei ihm liegen, nicht reicht, um beispielsweise nicht arm zu werden im Alter oder trotz Qualifikation aber wegen einer Behinderung keinen Job zu kriegen. Das heißt, nicht die Vorsorge allein, auch die Nachsorge muss da sein. Die Analyse, die er gemacht hat von der Gesellschaft, die ist sehr korrekt. Aber wenn man dann schaut und sagt, hat er auch alle Schlüsse daraus gezogen, dann bin ich etwas skeptisch."
Sie haben ja die Rede von Kurt Beck verfolgt, er hat viele Punkte angesprochen, Kraft durch Erneuerung war die zentrale Botschaft. Reicht das, um die SPD zukunftsfähig zu halten?
"Nein, das reicht nicht, und das weiß Kurt Beck auch. Aber er ist in einer Situation, in der er bedenken muss, dass die SPD zurzeit relativ desorientiert ist. Es fehlen ihr die politischen Erfolge, sie hat mehrere Führungsfunktionen auswechseln müssen. Sie weiß eigentlich gar nicht – er hat ja auch seinen Vater erwähnt mit dem Hinweis auf die Baustelle – er meint, er befindet sich auf einer Baustelle. Man könnte natürlich auch sagen, eine Baustelle muss einen Plan haben, einen Architekten und ähnliches mehr. Und ich habe nicht den Eindruck, dass das alles schon da ist. Das heißt er muss – und daher auch so ein bisschen bei ihm immer diese Rückführung in die Vergangenheit - er muss die Partei erst einmal vergewissern, auf welchen Fundamenten sie steht. Aber was darauf aufgebaut wird, das ist völlig unklar."
Wird er denn mit diesen Fundamenten arbeiten können? Ist er eine starke Führungsperson, die diese Fundamente nutzen kann, um darauf ein Haus zu bauen?
""Ich denke doch. Und zwar deshalb, weil er einmal als Führungsfunktion angibt, er will alles zusammenbringen, er will integrieren, und er will eine Perspektive geben. Das zweite: Er ist in seiner Person auch etwas, was man einen Führer nennen kann. Man sollte sich nicht täuschen, er ist ziemlich energisch. Leute, die mit ihm arbeiten, und zwar eng zusammenarbeiten sagen, gut, er höre zwar zu und er achte Argumente und er suche auch Argumente, aber wenn er entschieden hat, dann setzt er durch, dann wird er ungeduldig, wenn man ihm nicht folgt, und er ist auch immer sehr belesen, das heißt, er weiß über die Sachen gut Bescheid und lässt sich nichts erklären, also erzählen. Insofern ist er auch jemand, der sich durchsetzen kann, wenn er dann auch entsprechend den Apparat der SPD selbst die nötige Ruhe gibt. Und das tut er. Er hat den Generalsekretär bisher nicht ausgewechselt.""
Kurt Beck hat ja auch von Anfang an deutlich gemacht, wovon er sich abgrenzen will mit der SPD. Und dazu gehört die Linkspartei. Mit der will er nichts zu tun haben. Die Abgrenzung von dieser Partei ist ein zentraler Akzent in der Programmdebatte und wird es sein. Wo sollte denn Kurt Beck da zuallererst ansetzen in der Abgrenzung von der Linkspartei?
"Die Linkspartei ist ja noch im Werden. Nehmen wir mal jetzt an, wir reden von der Linkspartei, was sich im Westen darstellt als Linkspartei, also auch in den Wahlen in Rheinland-Pfalz. Die Wähler sind ja Wähler gewesen, die bei den vorangegangen Wahlen nie Linkspartei.PDS gewählt haben, die jetzt WASG gewählt haben. Und das sind häufig welche, die von der Sozialdemokratie enttäuscht worden sind, das heißt, er muss also ansetzen bei Themen, die diese Wähler interessiert, und zwar auch bei einer Orientierung, mit der er diese Wähler auch wieder für die SPD mobilisieren kann. Das bedeutet einerseits, er kann natürlich schon sagen, bestimmte Personen wie Lafontaine sind für ihn nicht akzeptabel, aber er darf nicht von vorneherein sagen, dass das, was in der Orientierung dieser Wähler liegt, wofür die Wähler sich interessieren, sei für ihn uninteressant. Das ist eine interessante Gratwanderung, weil ihm auf der einen Seite auch einfallen muss, wie er Modernisierung verbindet mit bestimmten traditionellen Elementen, und dass er soziale Gerechtigkeit nicht nur modern buchstabiert, sondern auch in einer Art und Weise, die diese bisher sich vernachlässigt Fühlenden auch verstehen."
Kurt Beck hat das Wort von der Chancengerechtigkeit geprägt. Alle Menschen müssen die gleichen Chancen haben in der Gesellschaft. Liegt er denn damit richtig in der Abgrenzung, reicht das?
"Nein, das reicht nicht. Denn dazu verbindet man ja meist immer die Vorstellung vom vorsorgenden Staat, das heißt, der Staat, der die Chancengerechtigkeit macht, dass er Bildungschancen schafft, aber er darf nicht jene vergessen, die keine Chancen haben, wenn es aus Gründen, die nicht bei ihm liegen, nicht reicht, um beispielsweise nicht arm zu werden im Alter oder trotz Qualifikation aber wegen einer Behinderung keinen Job zu kriegen. Das heißt, nicht die Vorsorge allein, auch die Nachsorge muss da sein. Die Analyse, die er gemacht hat von der Gesellschaft, die ist sehr korrekt. Aber wenn man dann schaut und sagt, hat er auch alle Schlüsse daraus gezogen, dann bin ich etwas skeptisch."