Christine Heuer: Und wir fügen diesen Reaktionen jetzt gleich noch eine wichtige hinzu, die Stimme nämlich von Karl Lauterbach. Mit dem SPD-Parlamentarier und Gesundheitsexperten seiner Partei bin ich in Berlin verbunden. Guten Tag, Herr Lauterbach.
Karl Lauterbach: Guten Tag.
Heuer: Sie haben sich ja zuletzt auch recht kritisch zur Gesundheitsreform geäußert. Ist jetzt alles gut? Sind Sie zufrieden mit dem Kompromiss, der heute Nacht gefunden wurde?
Lauterbach: Zunächst einmal muss man einräumen, die Reform hat positive und negative Seiten. Das Positive ist, es verändert sich ja einiges bei der Qualität der Versorgung, Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Versorgung gesetzlich Versicherter, das ist richtig, mehr Vorbeugung, das also konnte durchgesetzt werden, diejenigen, die sich regelhaft an der Vorbeugung beteiligen, müssen weniger Zuzahlungen erbringen, auch das ist ein Schritt in die richtige Richtung, auch mehr Wettbewerb auf dem Pharmamarkt. Das zentrale Problem bleibt, dass der Gesundheitsfonds eigentlich gedacht war, die Privatversicherten in die Solidarität mit einzubeziehen. Sie sollten sozusagen mit in diesen Topf einzahlen, so dass also die Beitragsbasis für die gesetzliche Krankenversicherung verbreitert wird. Das wäre gerecht und nachhaltig gewesen. Das hat aber die Union nicht mittragen wollen, sie hat sich hier klar zum Anwalt der privaten Krankenversicherungsunternehmen machen lassen. Und daher muss mittelfristig erreicht werden, dass in den Fonds, wenn der Fonds dann kommt, auch mehr Steuermittel einfließen und die Privatversicherten sich beteiligen.
Heuer: Also das ist ja aber heute Nacht eben nicht gelungen, und das ist ja ein Kompromiss, den auch die SPD mit trägt. Wenn ich Sie richtig verstehe, Herr Lauterbach, würden Sie eher dem DGB zustimmen und sagen, das ist eher Murks als Reform.
Lauterbach: Es ist auf jeden Fall ein Zwischenschritt, aus meiner Sicht. Also wenn der Fonds kommt, und wie gesagt, zum jetzigen Zeitpunkt bin ich nach wie vor nicht überzeugt, dass wir den Fonds benötigen, dann kann der Fonds mittelfristig nur Sinn machen, wenn die Union mitzieht und den Fonds seiner Funktion überführt, nämlich, dass in das Solidarsystem alle einbezahlen.
Heuer: Wenn dieser Kompromiss, Herr Lauterbach, nur ein Zwischenschritt ist, wann soll denn dann der letzte Schritt gegangen sein, der Weg zu Ende sein also? Noch in dieser Legislaturperiode? Muss jetzt noch einmal nachgebessert werden?
Lauterbach: Nein, der Fonds kommt ja jetzt erst im Jahr 2009. Die Verschiebung ist auf jeden Fall eine gute Nachricht, weil dann wenigstens der morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich, also dieser Finanzausgleich zwischen den Krankenkassen, schon am Platz ist. Daher ist diese Verschiebung richtig. Und wenn wir dann in 2009 sind, dann muss ganz offen, auch in den dann anstehenden Wahlkämpfen, klargemacht werden, wie ist das Solidarsystem mittelfristig zu sichern? Also die SPD muss dafür kämpfen, wenn der Fonds einmal da ist, dass dann auch alle einzahlen, dass der Steueranteil steigt. Das ist sowohl gerechter als auch zukunftsfähiger. Also der Faktor Arbeit wird über das bestehende System nach 2009 zu stark belastet und die Solidarität, das ist eine immer kleinere Gemeinde. Es macht keinen Sinn, dass ausgerechnet diejenigen mit einem sicheren Arbeitsplatz, diejenigen, die gut verdienen, diejenigen, die oberhalb von Beitragsbemessungsgrenzen verdienen, dass die sich an diesem System nicht beteiligen.
Heuer: Aber über die Steuern, Herr Lauterbach, werden ja nun wieder alle Bürger beteiligt. Der Finanzminister muss möglicherweise einspringen, wenn es um diesen Finanzausgleich geht, der ja auch noch nicht geregelt zu sein scheint. Unter dem Strich ist das doch nur Stückwerk.
Lauterbach: Es ist tatsächlich auf der Strukturseite eine unterschätzte Reform und auf der Einnahmenseite ist es aus meiner Sicht eine Zwischenstufe. Die zentralen Probleme, muss man ganz offen so einräumen, die zentralen Probleme, Alterung der Bevölkerung, Rückgang der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, also kleinere Solidargemeinde, Kostensteigerung durch technischen Fortschritt - diese Probleme müssen dann gelöst werden, wenn die Frage geklärt wird, wer alles und wie viel in den Fonds einzahlt. Und das wird die Aufgabe für die nächste Legislaturperiode sein.
Heuer: Und trotzdem sagt Ulla Schmidt heute schon, es handele sich um eine wirklich große Reform. Augenwischerei?
Lauterbach: Also Ulla Schmidt ist in den letzten Wochen in Bezug auf das, was sie durchsetzen konnte, für die Versicherten, beim Wettbewerb, bei der Qualität also Versorgung, Unrecht getan worden. Da wird das, was sie erreicht hat, unterschätzt.
Heuer: Herr Lauterbach, ja, aber ist es eine wirklich große Reform?
Lauterbach: Auf der Finanzierungsseite würde ich sagen Nein, auf der Strukturseite würde ich sagen Ja. Also bei der Strukturseite hat sich einiges bewegt, das wird unterschätzt. Und auf der Finanzierungsseite ist es aus meiner Sicht keine große Reform, eben weil die Union verhindert hat, dass die Einkommensstärksten und auch nennenswerte Steuermittel in den Fonds einfließen. Somit, der Fonds verteilt die zur Verfügung stehenden Mittel neu, die Aufgabe war es aber, mehr Mittel zur Verfügung zu stellen. Und an dieser Aufgabe muss weiter gearbeitet werden.
Heuer: Und zum Schluss, Herr Lauterbach, wenn Ihr Parteichef Kurt Beck sagt, es gebe keine zusätzliche Belastung der Versicherten, spricht er da die Wahrheit?
Lauterbach: Es kommt darauf an, an wen er hier denkt, das ist ganz klar. Vermieden werden konnten Leistungsausgrenzungen. Ich glaube, darauf wird sich Kurt Beck hier beziehen. Die Union wollte ja ganze Leistungspakete, wie den Zahnersatz oder so etwas, ausgliedern. Und das konnte vermieden werden.
Heuer: Aber für die Patienten wird es insgesamt teurer.
Lauterbach: Die Beitragssätze werden steigen, das ist ohne Wenn und Aber richtig. Sie wären auch ohne diese Reform gestiegen, aber die Reform hat eben den Beitragssatzanstieg nicht abwenden können und noch nicht einmal dämpfen können.
Heuer: Karl Lauterbach, SPD-Parlamentarier und Gesundheitsexperte seiner Partei. Herr Lauterbach, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Lauterbach: Ich danke Ihnen.
Karl Lauterbach: Guten Tag.
Heuer: Sie haben sich ja zuletzt auch recht kritisch zur Gesundheitsreform geäußert. Ist jetzt alles gut? Sind Sie zufrieden mit dem Kompromiss, der heute Nacht gefunden wurde?
Lauterbach: Zunächst einmal muss man einräumen, die Reform hat positive und negative Seiten. Das Positive ist, es verändert sich ja einiges bei der Qualität der Versorgung, Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Versorgung gesetzlich Versicherter, das ist richtig, mehr Vorbeugung, das also konnte durchgesetzt werden, diejenigen, die sich regelhaft an der Vorbeugung beteiligen, müssen weniger Zuzahlungen erbringen, auch das ist ein Schritt in die richtige Richtung, auch mehr Wettbewerb auf dem Pharmamarkt. Das zentrale Problem bleibt, dass der Gesundheitsfonds eigentlich gedacht war, die Privatversicherten in die Solidarität mit einzubeziehen. Sie sollten sozusagen mit in diesen Topf einzahlen, so dass also die Beitragsbasis für die gesetzliche Krankenversicherung verbreitert wird. Das wäre gerecht und nachhaltig gewesen. Das hat aber die Union nicht mittragen wollen, sie hat sich hier klar zum Anwalt der privaten Krankenversicherungsunternehmen machen lassen. Und daher muss mittelfristig erreicht werden, dass in den Fonds, wenn der Fonds dann kommt, auch mehr Steuermittel einfließen und die Privatversicherten sich beteiligen.
Heuer: Also das ist ja aber heute Nacht eben nicht gelungen, und das ist ja ein Kompromiss, den auch die SPD mit trägt. Wenn ich Sie richtig verstehe, Herr Lauterbach, würden Sie eher dem DGB zustimmen und sagen, das ist eher Murks als Reform.
Lauterbach: Es ist auf jeden Fall ein Zwischenschritt, aus meiner Sicht. Also wenn der Fonds kommt, und wie gesagt, zum jetzigen Zeitpunkt bin ich nach wie vor nicht überzeugt, dass wir den Fonds benötigen, dann kann der Fonds mittelfristig nur Sinn machen, wenn die Union mitzieht und den Fonds seiner Funktion überführt, nämlich, dass in das Solidarsystem alle einbezahlen.
Heuer: Wenn dieser Kompromiss, Herr Lauterbach, nur ein Zwischenschritt ist, wann soll denn dann der letzte Schritt gegangen sein, der Weg zu Ende sein also? Noch in dieser Legislaturperiode? Muss jetzt noch einmal nachgebessert werden?
Lauterbach: Nein, der Fonds kommt ja jetzt erst im Jahr 2009. Die Verschiebung ist auf jeden Fall eine gute Nachricht, weil dann wenigstens der morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich, also dieser Finanzausgleich zwischen den Krankenkassen, schon am Platz ist. Daher ist diese Verschiebung richtig. Und wenn wir dann in 2009 sind, dann muss ganz offen, auch in den dann anstehenden Wahlkämpfen, klargemacht werden, wie ist das Solidarsystem mittelfristig zu sichern? Also die SPD muss dafür kämpfen, wenn der Fonds einmal da ist, dass dann auch alle einzahlen, dass der Steueranteil steigt. Das ist sowohl gerechter als auch zukunftsfähiger. Also der Faktor Arbeit wird über das bestehende System nach 2009 zu stark belastet und die Solidarität, das ist eine immer kleinere Gemeinde. Es macht keinen Sinn, dass ausgerechnet diejenigen mit einem sicheren Arbeitsplatz, diejenigen, die gut verdienen, diejenigen, die oberhalb von Beitragsbemessungsgrenzen verdienen, dass die sich an diesem System nicht beteiligen.
Heuer: Aber über die Steuern, Herr Lauterbach, werden ja nun wieder alle Bürger beteiligt. Der Finanzminister muss möglicherweise einspringen, wenn es um diesen Finanzausgleich geht, der ja auch noch nicht geregelt zu sein scheint. Unter dem Strich ist das doch nur Stückwerk.
Lauterbach: Es ist tatsächlich auf der Strukturseite eine unterschätzte Reform und auf der Einnahmenseite ist es aus meiner Sicht eine Zwischenstufe. Die zentralen Probleme, muss man ganz offen so einräumen, die zentralen Probleme, Alterung der Bevölkerung, Rückgang der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, also kleinere Solidargemeinde, Kostensteigerung durch technischen Fortschritt - diese Probleme müssen dann gelöst werden, wenn die Frage geklärt wird, wer alles und wie viel in den Fonds einzahlt. Und das wird die Aufgabe für die nächste Legislaturperiode sein.
Heuer: Und trotzdem sagt Ulla Schmidt heute schon, es handele sich um eine wirklich große Reform. Augenwischerei?
Lauterbach: Also Ulla Schmidt ist in den letzten Wochen in Bezug auf das, was sie durchsetzen konnte, für die Versicherten, beim Wettbewerb, bei der Qualität also Versorgung, Unrecht getan worden. Da wird das, was sie erreicht hat, unterschätzt.
Heuer: Herr Lauterbach, ja, aber ist es eine wirklich große Reform?
Lauterbach: Auf der Finanzierungsseite würde ich sagen Nein, auf der Strukturseite würde ich sagen Ja. Also bei der Strukturseite hat sich einiges bewegt, das wird unterschätzt. Und auf der Finanzierungsseite ist es aus meiner Sicht keine große Reform, eben weil die Union verhindert hat, dass die Einkommensstärksten und auch nennenswerte Steuermittel in den Fonds einfließen. Somit, der Fonds verteilt die zur Verfügung stehenden Mittel neu, die Aufgabe war es aber, mehr Mittel zur Verfügung zu stellen. Und an dieser Aufgabe muss weiter gearbeitet werden.
Heuer: Und zum Schluss, Herr Lauterbach, wenn Ihr Parteichef Kurt Beck sagt, es gebe keine zusätzliche Belastung der Versicherten, spricht er da die Wahrheit?
Lauterbach: Es kommt darauf an, an wen er hier denkt, das ist ganz klar. Vermieden werden konnten Leistungsausgrenzungen. Ich glaube, darauf wird sich Kurt Beck hier beziehen. Die Union wollte ja ganze Leistungspakete, wie den Zahnersatz oder so etwas, ausgliedern. Und das konnte vermieden werden.
Heuer: Aber für die Patienten wird es insgesamt teurer.
Lauterbach: Die Beitragssätze werden steigen, das ist ohne Wenn und Aber richtig. Sie wären auch ohne diese Reform gestiegen, aber die Reform hat eben den Beitragssatzanstieg nicht abwenden können und noch nicht einmal dämpfen können.
Heuer: Karl Lauterbach, SPD-Parlamentarier und Gesundheitsexperte seiner Partei. Herr Lauterbach, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Lauterbach: Ich danke Ihnen.