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SPD
Schulz beschert den Genossen Frühlingsgefühle

Mit Martin Schulz als SPD-Kanzlerkandidaten könnte eine richtige Wechselstimmung entstehen, meinen Experten. Schulz beschert den Sozialdemokraten aktuell einen Mitgliederboom und auch im ARD-Deutschlandrend mehr Prozentpunkte als der Union. Auch weil er die richtigen Themen anspricht: beispielsweise eine Reform der Agenda 2010.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 24.02.2017
    Martin Schulz (SPD) reckt beide Daumen in die Höhe
    Daumen hoch für die SPD: Mit Martin Schulz als Kanzlerkandidaten steigen für die Sozialdemokraten die Umfragewerte und Mitgliederzahlen stetig. (dpa/picture alliance/Kay Nietfeld)
    350.000 Nutzer folgen Martin Schulz beim Kurznachrichtendienst Twitter. Angela Merkel zeigt hingegen Mut zur Lücke: Sie besitzt nicht einmal ein Zwitscher-Konto. Doch dass die Kanzlerin und ihre Partei in den Umfragen derzeit so viel schlechter abschneiden als die SPD, hat einen ganz anderen gewichtigen Grund, meint Politikberater Michael Spreng, einstmals Wahlkampf-Stratege der Union im SWR:
    "Es gibt eine latente Merkel-Müdigkeit und die ist durch Herrn Schulz virulent geworden, ausgebrochen. Insofern könnte auch eine richtige Wechselstimmung entstehen. Es ist jetzt an der CDU, klar zu machen, warum ein Wechsel falsch wäre und da fehlen noch ein paar Argumente von der CDU."
    Je müder die Union in diesen Tagen wirkt, umso wacher zeigt sich der SPD-Kanzlerkandidat. Der neueste ARD-Deutschlandtrend von Infratest dimap gibt ihm zusätzlichen Rückenwind. Die Genossen verzeichnen einen neuen Mitgliederboom. Und: 65 Prozent der Deutschen befürworten eine Reform der Agenda 2010. Unter Jubel seiner Parteifreunde hatte Schulz Anfang der Woche Korrekturen angekündigt. Unter anderem sollen Arbeitslose, anstatt Hartz-IV-Empfänger zu werden, länger Geld vom Staat erhalten:
    "Darum werden wir die Möglichkeit, der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen abschaffen, wenn ich nach dem 24. September Bundeskanzler bin."
    "Dass ich die SPD glücklich mache, das macht mich glücklich"
    Dieses Selbstbewusstsein fällt Martin Schulz nicht schwer, angesichts der Umfragen. Erstmals seit über zehn Jahren liegt die SPD wieder vor der Union. Infratest dimap ermittelte diese Woche 31 Prozent für CDU und CSU, das sind drei Prozentpunkte weniger im Vergleich zum Deutschlandtrend Anfang Februar. Die SPD legt hingegen um vier Prozentpunkte zu. Frühlingsgefühle bei den Genossen: Martin Schulz: "Dass ich die SPD glücklich mache, das macht mich glücklich."
    Michael Spreng analysiert: "Er macht keinen Wahlkampf für Hartz-IV-Empfänger oder für Abgehängte, sondern für diejenigen, die Arbeit haben und diejenigen, die Angst haben, die Arbeit zu verlieren. Das ist ja der Kern, auf den er sich konzentriert. Und da ist das nur konsequent auch das Thema Arbeitslosengeld I wieder in die Debatte einzuführen."
    Der Politikberater legt zugleich den Finger in die Wunde der Union und erinnert an Lockerungen in der Hartz-IV-Gesetzgebung, die zuletzt ein Christdemokrat initiierte:
    "Ich erinnere dran, dass die letzte Verlängerung der Bezugsdauer 2008 beschlossen wurde von der Großen Koalition, auf Initiative damals des CDU-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers. Also insofern tut sich die CDU auch ein bisschen schwer, jetzt Herrn Schulz zur Abrissbirne zu erklären."
    Kellner: Kämpfen und raus aus der Blase
    Die Linkspartei freut sich einerseits über die Wechselstimmung. Gefragt nach einem klaren Bekenntnis zu Rot-Rot-Grün und der Haltung der Linken zur NATO, weicht Parteichefin Katja Kipping im ARD-Morgenmagazin allerdings aus:
    "Es gibt ja auch andere internationale Abkommen. Zum Beispiel, dass wir die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit endlich deutlich erhöhen, um weltweit auch was gegen Hungertod bei Kindern zu tun."
    Doch die Linke ist derzeit in der Defensive. Im Deutschlandtrend verharrt sie bei sieben Prozent. Und seit der Diskussion um die Hartz-IV-Reformen, geht bei der Linkspartei die Angst um, dass ihr schärfstes Schwert gegen die SPD, also die Kritik an der Agenda 2010, stumpf wird. Schließlich die Grünen: Ihre Umfragewerte weisen seit Monaten steil nach unten, bei Infratest dimap kommt die Ökopartei aktuell auf acht Prozent.
    Dagegen hilft nur eines, meint Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner:
    "Also kämpfen und raus aus der Blase – das ist eine Aufgabe, für die nächsten Wochen und Monate. Auch mit unserem Wahlprogramm. Und der zweite Punkt ist: Wir müssen ins Gespräch mit den Leuten kommen."
    Stirnrunzeln auch bei den anderen kleinen Parteien. Die FDP liegt im Deutschlandtrend unverändert bei sechs Prozent. Die Afd kommt auf elf Prozent und verliert einen Prozentpunkt.