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SPD-Vize Olaf Scholz
In Lauerstellung

Olaf Scholz ist erfolgreich als Bürgermeister von Hamburg. Er ist beliebt - auch wenn er nicht mehr alleine regieren kann. Doch auch darüber hinaus ist Scholz umtriebig: in Bundesratsinitiativen und auch in der SPD-Spitze. Warum greift er also nicht zu bei der SPD-Kanzlerkandidatur?

Von Axel Schröder | 19.05.2016
    Olaf Scholz beim Hamburger Presseball.
    Olaf Scholz kann warten - auf die Kanzlerschaft oder auf die Austern "Sylter Royal" auf dem Hamburger Presseball 2016 (Deutschlandradio/Axel Schröder)
    Olaf Scholz kann fast alles. Am 1. Mai marschiert der Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg solidarisch mit den Arbeitern und Angestellten durch die Straßen. In Jeans und Regenjacke:
    "Ich bin fast immer hier beim 1. Mai dabei gewesen! Und als Bürgermeister habe ich das nicht anders gehalten."
    Und Olaf Scholz kann auch ganz festlich. Zum Beispiel bei Schiffstaufen im Hafen, im Smoking, vor schwerreichen Reedern, deren Schiffe Hamburg bitte treu bleiben sollen:
    "Welcome, Mr. Olaf Scholz! The First Mayor of the Free and Hanseatic City of Hamburg!"
    "Ladies and gentlemen! Christening a ship is always a very special occasion!"
    Olaf Scholz gehört zur Führungstruppe der Sozialdemokraten, er ist Partei-Vize, und natürlich fühlte er sich angesprochen, als der Vorsitzende Sigmar Gabriel jüngst Abnehmer für die Kanzlerkandidaten-Bürde gesucht hatte. Kurz und knapp ließ Olaf Scholz ihn wissen: Nein, er stehe als Kandidat nicht zur Verfügung, das sei doch Sache des Parteichefs. Obwohl - eigentlich ist der Erste Bürgermeister gar nicht abgeneigt, Kanzler zu werden. In ein Mikrofon sprechen würde Olaf Scholz das sicher nicht, auch in Hintergrundgesprächen macht er lieber einen Bogen um das Thema. An Selbstzweifeln kann das nicht liegen:
    "Er hält sich im Prinzip natürlich für kanzlerkandidatengeeignet. Und auch für kanzlergeeignet. An Selbstbewusstsein mangelt es ihm da nicht."
    "Der Scholz traut sich alles zu! Alles! Bundeskanzler sowieso!"
    Kein Zufall, sondern Strategie
    Peter Ulrich Meyer und Herbert Schalthoff berichten seit Jahren über die Politik des Bürgermeisters, der eine für das Hamburger Abendblatt, der andere für den TV-Sender Hamburg 1. Für beide ist klar: Olaf Scholz nutzt das politische Spielfeld, das sich ihm bietet, maximal aus: Am Koalitionsvertrag auf Bundesebene hat Olaf Scholz maßgeblich mitgeschrieben. Über Dutzende Bundesratsinitiativen versucht der Hamburger deutschlandweit zu wirken, zum Beispiel bei der Mietpreisbremse, zum Beispiel bei der Reform des Sexualstrafrechts. Als SPD-Vorstandsmitglied redet Olaf Scholz in der Parteispitze mit, und im Februar waren der britische Premier David Cameron und die Kanzlerin Gäste im Hamburger Rathaus. Erst letzte Woche sorgte sein Positionspapier zum Umgang mit der AfD für Debatten. Diese Umtriebigkeit des Olaf Scholz ist kein Zufall, sondern Strategie, analysiert Abendblatt-Redakteur Peter Ulrich Meyer:
    "Das sind alles Initiativen, mit denen er deutlich macht, dass ein Hamburger Bürgermeister eben auf mehreren Ebenen spielen muss. Das tut er aus Überzeugung und anders als manche seiner Vorgänger. Denen Hamburg genug war."
    Die Menschen an der Elbe schätzen seine spröde Art
    Aber warum greift der Mann dann nicht zu? Warum schlägt er Sigmar Gabriels Offerte - freiwillige Kanzlerkandidatenanwärter vor! - dann postwendend aus? Grund Nummer 1 für das Zögern des Bürgermeisters nennt Herbert Schalthoff:
    "Er findet das schön, diese Stadt zu regieren! Er hat das noch schöner gefunden, als er es alleine konnte. Ohne Koalitionspartner. Aber er findet es jetzt auch immer noch schön mit so einem einfachen Koalitionspartner weiter zu regieren. Das macht ihm ja keine Mühe!"
    Die Menschen an der Elbe schätzen seine spröde Art. Die Beliebtheitswerte des Olaf Scholz sind stabil auf hohem Niveau, gibt Peter Ulrich Meyer zu bedenken:
    "Und das schmeichelt einem wie ihm mächtig! Das Gefühl, beliebt zu sein, gemocht zu werden, war für ihn 2011, 2012, als er hier ins Amt kam, ein neues!"
    Aber es gibt noch einen zweiten Grund, warum der Hamburger Bürgermeister eine Kanzlerkandidatur ausschlägt: Olaf Scholz kennt die Umfragewerte der Bundes-SPD:
    "Auf aussichtslose Rennen, auf aussichtslose Geschichten lässt er sich meiner Überzeugung nach nicht ein."
    Sven Michael Veit arbeitet als politischer Korrespondent für die "taz Hamburg". Und teilt diese Einschätzung:
    "Er ist niemand, der vor dem Kanzleramt rumhüpfen würde mit den Worten "Ich will hier rein!" Wenn sich die Gelegenheit ergibt, die reelle Chance, dann wird er sie ergreifen. Wenn es die reelle Chance aber nicht gibt, dann würde er aber auch kein Wort darüber verlieren. Sprich: Einen vorhersehbar zu verlierenden Wahlkampf würde er gar nicht führen."
    "Er braucht den Ruf als jemand, der den Laden noch mal rettet"
    Und den Wahlkampf 2017 wird, jedenfalls aus heutiger Sicht, die SPD krachend verlieren. Der Zeitplan des Olaf Scholz lautet also - so hat er es selbst angekündigt: 2020, bei der nächsten Bürgerschaftswahl wieder antreten - und dann, ja dann, gibt es 2021 wieder eine Bundestagswahl. Vielleicht muss Scholz aber - gegen seinen Willen - auch schon früher ran, nach den Wahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern im September, so der Hamburger Parteienforscher und Politikberater Elmar Wiesendahl:
    "Er lauert! Denn es kann schon im Herbst eine Situation eintreten, dass Gabriel hinwirft. Und dann ist Not am Mann. Und aus der Situation heraus würde er gebeten werden. Er braucht den Ruf. Als jemand, der den Laden noch mal rettet - für die Rolle steht er bereit."
    Denn Olaf Scholz, so Elmar Wiesendahl, sei eben nicht nur ein erfahrener Stratege, sondern auch Parteisoldat. Einer, der auch den Gang von Berlin nach Hamburg getan hat, um die einst verzweifelt zerstrittene und erfolglose Landes-SPD wieder aufzubauen. Aber schon bald als Vorsitzender nach Berlin zurückzukehren, um die Bundes-SPD wieder stark zu machen, dass dürfte ungleich schwerer werden.