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"SPD weigert sich aus ideologischen Gründen"

Der FDP-Politiker Andreas Pinkwart hat die Blockadehaltung der Sozialdemokraten bezüglich des von der Union vorgeschlagenen Stipendienprogramms für Studierende kritisiert. "Damit verwehren sie jungen Menschen zusätzliche Verbesserungen ihrer Studienfinanzierung", sagte Pinkwart.

Andreas Pinkwart im Gespräch mit Jörg Biesler |
    Jörg Biesler: Der Bildungsgipfel beschäftigt uns weiter. Einer, der vor dem Treffen konkrete Ergebnisse forderte, war der nordrhein-westfälische Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart. Guten Tag, Herr Pinkwart!

    Andreas Pinkwart: Guten Tag!

    Biesler: Wie zufrieden sind Sie mit den Ergebnissen?

    Pinkwart: Es ist ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zum Zehn-Prozent-Ziel und zur Bildungsrepublik, aber es liegt auch noch eine ganz wichtige Wegstrecke vor uns. Wir brauchen noch mehr Verlässlichkeit in den jeweiligen Finanzierungsbeiträgen von Bund und Ländern, und wir brauchen Verlässlichkeit, was die Maßnahmen anbetrifft.

    Biesler: Aber nicht Wenige sagen ja auch, da ist gestern falsch abgebogen worden auf dem Weg zum Gipfel. Erstens ist von 60 Milliarden, wie im vergangenen Jahr, keine Rede mehr, und zweitens werden selbst die geringer kalkulierten Kosten jetzt - das ist ja durch das gesunkene Bruttoinlandsprodukt ohnehin eine geringere Summe, die zehn Prozent ausmachen würde, was das Ziel war, was vereinbart worden ist -, da werden jetzt auch unglaublich viele Sachen reingerechnet, die mit Bildung nur entfernt was zu tun haben.

    Pinkwart: Ja, deswegen hatte ich ja schon vor der Zusammenkunft deutlich gemacht, als Zahlen im Raum standen in der Größenordnung von 13 bis 15 Milliarden Euro, dass das nur die Hälfte dessen sein kann, was aus meiner Sicht bis 2015 pro Jahr mindestens notwendig ist. Ich sehe das eher bei 25 Milliarden als Mindestgröße. Deswegen ist auch hier eine weitere Anstrengung notwendig. Aber auf der anderen Seite muss man sehen, dass leider die Länder, mehrere Länder jedenfalls, nach wie vor sehr zurückhaltend agieren, und deshalb sind die Vereinbarungen auch so schwer nur zustande zu bringen, was ich sehr bedauere.

    Es ist zwar richtig, dass die Länder auch ein höheres Engagement des Bundes einfordern. Da ist ein klares Signal jetzt gesetzt worden. Aber umgekehrt müssen sich auch die Länder in den nächsten Jahren auf eine weitere Prioritätensetzung für Bildung verständigen.

    Biesler: Was sagen Sie denn Margret Wintermantel, der Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, die heute formuliert, die Bildung werde mal wieder auf die lange Bank geschoben, oder Rolf Dobischat vom Deutschen Studentenwerk, der sagt, die Studierenden werden wieder vertröstet? Dem ging richtig die Hutschnur hoch.

    Pinkwart: Ja, das darf auch nicht passieren. Wir haben ja hier klare Verabredungen auch getroffen. Wir müssen die Zeit jetzt nutzen und dürfen sie auf keinen Fall verstreichen lassen, um zum einen bei der Bildungsfinanzierung daran zu arbeiten, Verbesserungen zu erreichen. Hier geht es um die BAföG-Gesetzgebung auf der einen Seite und das nationale Stipendienprogramm auf der anderen Seite.

    Hier wird in den nächsten Wochen mit Hochdruck daran gearbeitet, damit wir es zum Wintersemester 2010/2011 schon in Kraft treten lassen können und hier müssen einige Länder dann auch noch konstruktiver mitwirken, die schon seit zwei Jahren, was das Stipendienprogramm etwa anbetrifft, auf der Bremse stehen und das erneut blockieren wollen. Hier geht es jetzt in den nächsten Monaten darum, dass wir beides zusammenbringen können und dass wir dann schon zum Sommer auch zu einer Entscheidung finden können.

    Biesler: Es scheint ja noch ein bisschen zu knarzen im Gebälk sozusagen, also, das funktioniert noch nicht so ganz einvernehmlich alles. Kann man es soweit konkretisieren - die eine wollen eine BAföG-Erhöhung, die anderen wollen das Stipendienprogramm und jeder …

    Pinkwart: Nein, nein, nicht die einen und die anderen. Wir wollen ja, ... Das ist falsch. FDP und CDU, CSU wollen beides, und wir wollen auch beides vernünftig finanzieren.

    Biesler: Und die SPD?

    Pinkwart: Und die SPD weigert sich aus ideologischen Gründen, das muss man ganz klar sagen, das Stipendienprogramm mitzugehen, weil sie sagen, das wäre ... dann ginge ihr das letzte Argument gegen Studienbeiträge verloren. Ich finde, das ist eine absolut unseriöse Haltung in der Bildungspolitik, damit verwehren sie jungen Menschen zusätzliche Verbesserungen ihrer Studienfinanzierung, denn wir wollen ja das Stipendium endlich auch Fachhochschulstudierenden eröffnen.

    Wir wollen es auch zusätzlich zum BAföG jedem geben, die über eine schlechte Einkommenssituation im Elternhaus verfügen, aber aufgrund ihrer Begabungen nach unserem Eindruck besser gefördert werden sollten. All jenen jungen Menschen verbaut die SPD seit zwei Jahren eine bessere Förderung in Deutschland und das muss sie schleunigst mal überwinden.
    Biesler: Aber das Argument ist ja, dass das Geld im BAföG-Topf noch viel besser aufgehoben wäre, weil man dann wirklich die erreicht, die vielleicht ein Studium sich gar nicht leisten können, weil das Elternhaus nicht ausreichend Geld hat. Und durch dieses Stipendiensystem könnte ja nun auch jemand in den Genuss eines Stipendiums kommen und sich davon vielleicht ein schickes Auto zulegen, der das Geld eigentlich für das Studium gar nicht braucht.

    Pinkwart: Das ist, finde ich, eine Arroganz, die da zum Ausdruck kommt, die finde ich bemerkenswert. Schauen Sie mal, es haben bei uns 20, 22 Prozent der Studierenden einen BAföG-Anspruch. Alle anderen, also mehr als drei Viertel, haben keinen und müssen trotzdem sehen, dass sie das Studium finanziert bekommen.

    Das sind nicht alles Kinder von Millionären, sondern das sind ganz überwiegend junge Menschen aus Familien mit mittleren, kleinen und mittleren Einkommen, die knapp keinen BAföG-Anspruch haben. Und wenn deren Kinder sich besonders angestrengt haben und über besondere Begabungen verfügen und jetzt eine Chance bekommen, wenigstens mit 300 Euro gefördert zu werden, dann halte ich das auch unter sozialen Gesichtspunkten für außerordentlich gerecht. Das verwehrt die SPD den jungen Menschen, weil sie eine ganz andere Debatte damit führen will, und das bedauere ich außerordentlich und hier muss die SPD endlich ihre Vorbehalte über Bord werfen.

    Biesler: Also, Sie wollen beim BAföG auch deutlich draufsatteln?

    Pinkwart: Ja, natürlich, wir wollen, dass die Bedingungen so sind, dass keiner aufgrund der Herkunft und der Einkommenssituation der Eltern an der Aufnahme eines Studiums in unserem Land gehindert wird.

    Biesler: Wie hoch müssten die Freibeträge dann erhöht werden?

    Pinkwart: Ja, gut, wir werden das entsprechend der BAföG-Anhebungen, die wir beim letzten Mal vorgenommen haben, die einen viel längeren Zeitraum leider überwinden musste, auch vornehmen, sowohl bei den Freibeträgen als auch bei den Sätzen.

    Biesler: Und konkret, wie viel Prozent?

    Pinkwart: Ja, gut, das muss vorgetragen werden, dafür gibt es die Zuständigkeit beim Bund, der wird eine Vorlage dazu machen aufgrund der Einkommensentwicklung, aufgrund der Preisentwicklung vor allen Dingen, die wir haben, und dann werden wir das in den entsprechenden Gremien beraten und gerne beschließen.

    Biesler: Andreas Pinkwart, der nordrhein-westfälische Wissenschaftsminister, zu den Ergebnissen des Bildungsgipfels gestern bei Angela Merkel. Vielen Dank!

    Pinkwart: Ganz herzlichen Dank!