Heuer: Gerhard Schröder sagt, die Stufenlösung, die jetzt von Toll Collect vorgeschlagen wurde, sei vertretbar. Finden Sie das auch?
Nickenig: Dem Prinzip nach haben wir gegen dieses neue Stufenmodell nichts einzuwenden, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.
Heuer: Welche?
Nickenig: Zum Beispiel muss auf jeden Fall gesichert sein, dass das System unter Volllast zuverlässig funktioniert. Das, was wir bisher erlebt haben, das war ein Betrieb mit Fehlern. Sie wissen alle, dass rund hundert große, grobe Fehler vorhanden waren und, wie man aus der Presse gehört hat, um tausend kleine Fehler. Es muss in einem ausreichend langen Testbetrieb gesichert sein, dass das System echt unter Volllast, sprich etwa einer Million Lkw, die mautpflichtig sind, das ganze System vertragen.
Heuer: Wann sollte denn dieser Testbetrieb beginnen?
Nickenig: Dieser Testbetrieb kann erst beginnen, wenn das Bundesamt für Güterverkehr auch festgestellt hat, dass das ganze Konzept auch richtig ist. Also darauf, wann der Testbetrieb beginnt, hat das Gewerbe keinerlei Einfluss. Unsere Forderung geht nur dahin, dass dieser Testbetrieb, der Probelauf ausreichend lang sein muss und da meinen wir, dass er mindestens ein halbes Jahr laufen muss.
Heuer: Das heißt, die Sache müsste Mitte des Jahres beginnen?
Nickenig: Das müsste Mitte des Jahres in etwa beginnen, wenn es Ende des Jahres dann als Vollbetrieb starten soll.
Heuer: Herr Nickenig, nun ist ja aber nicht die Rede von einem Vollbetrieb Ende des Jahres, sondern die Maut soll in zwei Stufen eingeführt werden. Das bedeutet für die Spediteure auch eine zweimalige Aufrüstung der Lkw. Macht Ihnen das keine Sorgen?
Nickenig: Das haben wir so nicht verstanden aus diesen Pressnotizen. Wir haben ja selber das entsprechende Konzept nicht vorliegen, aber aus den Pressenotizen entnehmen wir, dass diese abgespeckte Version, diese Lightversion, wie Sie sie genannt haben, darin besteht, dass nur ein Autobahnnetz an einem bestimmten Stichtag in die ganze EDV-Ausstattung eingegeben wurde und Änderungen, die sich ja im Laufe des kommenden Jahres dann noch ergeben, können nicht berücksichtigt sein. Weiterhin soll man auch nur einen einzigen Mautsatz eingeben können. Insofern, die Grundlage des Stufenmodells ist dann eine richtige Mauterhebung. Konsequenz daraus: es muss auch alles funktionieren.
Heuer: Wenn das so einfach ist, warum ist man auf diese Lösung nicht schon viel früher gekommen?
Nickenig: Das wissen wir auch nicht. Keine Ahnung.
Heuer: Die Spediteure, Herr Nickenig, haben in den vergangenen Monaten darüber geklagt, dass schon der Einbau, der dann sich ja als fehlerhaft erweisenden Boardunits, - so heißen diese Geräte, die in den Lkw installiert werden müssen -, dass schon dieser Einbau sehr teuer gewesen ist. Welche Verluste haben Sie denn da gemacht?
Nickenig: Das waren in etwa 300 Euro. Mindestens 300 Euro mussten pro Einbau des Gerätes bezahlt werden. Das ging alles auf Kosten des einzelnen Unternehmens. Konsequenz daraus ist die Forderung, dass wir sagen, jetzt diese neue Ausrüstung, nämlich wie wir gehört haben, sollen die alten Geräte nicht mehr verwertbar sein, mit der Konsequenz, dass diese ausgebaut werden müssen, unsere Forderung geht nun dahin, dass Toll Collect für diesen Ausbau der alten Geräte und den Einbau der neuen Geräte voll die Kosten übernehmen muss.
Heuer: Herr Nickenig, nun haben die Spediteure aber auch ziemlich viel Geld dadurch gespart, dass die Lkw-Maut nicht mehr erhoben wurde und die neue, die satellitengestützte Lkw-Maut nicht gekommen ist. Fühlen Sie sich da nicht in der Pflicht auch selber einmal einzuspringen?
Nickenig: Das ist so viel Geld auch wieder nicht. Für einen Euro II – Lkw hat die Jahresgebühr sage und schreibe 1250 Euro betragen für das ganze Jahr. Und wenn Sie das mal umrechnen auf den Kilometer, nämlich ein im Fernverkehr eingesetzter Lkw fährt im Jahresdurchschnitt rund 100.000 Kilometer auf der Autobahn. 1250 dividiert durch die 100.000 Kilometer ergibt 1,25 Cent pro Kilometer. Soviel ist es also nicht, was die Eurovignette die Spediteure gekostet hätte, beziehungsweise Ihre Frage war ja nach den eingesparten Kosten.
Heuer: Das ist eine komplizierte Rechnung, der Bund macht eine weitere Rechnung auf. Er rechnet nämlich bis Ende 2004 mit einem Einnahmeausfall von rund 2,8 Milliarden Euro.
Nickenig: Das stimmt. Aber dafür ist ja nicht das Verkehrsgewerbe verantwortlich. Wir haben von Anfang an unsere Bedenken sowohl Toll Collect wie auch dem Verkehrsministerium vorgetragen, dass dieses Konzept nicht funktioniert. Wir haben frühzeitig auch jede Menge Fehler aufgelistet und vorgetragen und daraus die Forderung erhoben, den zuerst vorgesehenen Einführungstermin, 31. 8., auf frühestens 1.1.2004 zu verschieben. Aber unsere Bedenken wurden nicht zur Kenntnis genommen.
Heuer: Und jetzt müssen die anderen zahlen?
Nickenig: Die anderen müssen zahlen, so ungefähr. Aber auch das Gewerbe, Sie haben es ja selber schon gesagt, hat ja schon etliches an Kosten zu ertragen und zu tragen gehabt.
Heuer: Herbert Nickenig, der stellvertretenden Hauptgeschäftsführer des deutschen Speditions- und Logistikverbandes. Ich danke Ihnen für das Gespräch.
Nickenig: Vielen Dank, Frau Heuer.
