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"Speedbird Seven folgt Two Tango"

Heute fliegen Reisende mal eben an einem Tag um die Welt. Keine Selbstverständlichkeit: Nur ein hochkomplexes Netzwerk garantiert einen reibungslosen Flugverkehr – und viele Menschen, die sich täglich darum kümmern, dass wir von schönen Reiseerlebnissen berichten können.

Von Rita und Rudi Schneider |
    Das Reisen in Flugzeugen können wir trotz einer Jahrtausende alten Geschichte, oder noch besser, "Reisegeschichte" erst seit guten Hundert Jahren. Seit dem hat die Entwicklung dieses Reisegefährts eine wahrhaft explosive Entwicklung genommen. Die Flüge der Pioniere wie beispielsweise von Charles Lindbergh waren regelrechte Schubhilfen für diese Reiseart. Oder der Weltumrundungsflug von Dick Rutan Jeana Yaeger, ohne zu landen und zu tanken. Dick Rutan erinnert sich sehr emotional als er nach 40.212 km und neun Tagen wieder zur Landung auf der Edwards Airforce Base in Kalifornien ansetzte.

    Auch dieser Legendenflug war eine Schubhilfe für die Entwicklung der Luftfahrt. Sein Flugzeug hatte er mit seinem Bruder Burt aus Kohlefaserverbundwerkstoffen gebaut, die heute auch in Verkehrsflugzeugen zum Einsatz kommen, besonders im neuen Dreamliner von Boeing. Oder, Prof. Bose hatte besondere lärmschützende Kopfhörer für Dick Rutan für den langen Flug entwickelt. Solche aktiven lärmabsorbierenden Kopfhörer gibt es mittlerweile auch für die Passagiere in der Kabine. Und was die Reichweite betrifft, ein Airbus A380 schafft es faktisch mit nur zwei Tankstops in zwei Tagen auch rund um die Erde.

    Das war die Ansage der Purserette auf dem Taufflug des 2. Airbus A380 der Lufthansa. Heute, nach Hundert Jahren Verkehrsfliegerei ist das Straßennetz in der Luft möglicherweise umfangreicher als das Autobahnnetz auf der Erde und sie verbinden weltweit ca. 44.000 Flughäfen. Atlanta in den USA ist mit jährlich 95 Millionen Passagieren mit Abstand der verkehrsreichste Flughafen der Erde. Die Luftstraßen, auf denen die Flieger unterwegs sind, führen über definierte Wegpunkte oder Funkfeuer am Boden. Über den Ozeanen sind es die Kreuzungen von Längen und Breitengraden. Diesen gigantischen Verkehr regeln die Fluglotsen der "Air Traffic Control".

    Die Kommunikation zwischen den Piloten und den Fluglotsen hat eine genau festgelegte Phraseologie in der die Anweisungen der Lotsen kurz und knapp sind und von den Piloten wiederholt werden müssen, um sicherzustellen, dass alles exakt verstanden wurde. Gerade hebt eine Boeing 737 der British Airways in Düsseldorf ab und der Pilot meldet sich bei Abflugkontrolle mit der Information, dass er "Airborne" sei, also abgehoben habe und dem Ablfugprofil "Rekken Two Tango" folge. Er meldet sich mit seinem Rufzeichen "Speedbird Seven Five Delta Lima"

    Der Fluglotse bestätigt, dass die Speedbird Seven Five Delta Lima auf seinem Bildschirm identifiziert sei, und gibt den Steigflug bis zum Flightlevel 160 frei, das sind 16.000 Fuß. Bei hohem Verkehrsaufkommen wie beispielsweise im Anflugsektor in San Francisco sind die Anweisungen sehr gebündelt:

    Die Fluglotsin wies den Piloten des Fluges 224 der US-Air gerade an: Sie befinden sich 15 Meilen von EXPO, steuern Sie nach links Kurs 310 Grad, halten Sie die Höhe von 4000 Fuß bis zum ILS-Gleitpfad, freigegeben für einen ILS Anflug auf die Landebahn 28 Rechts, Geschwindigkeit 180 Knoten. ILS steht für "Instrument Landing System". Das elektronische Instrumenten-Landesystem sendet 2 Funklinien etwa 40 km weit, einmal die Landbahn-Mittellinie und den idealen Gleitpfad für den Sinkflug. Die Funklinie für den Gleitpfad berührt etwa 300 Meter nach dem Landebahnbeginn in der Aufsetzzone praktisch den Boden. Im Cockpit kann diese elektronische Landehilfe mit einem speziellen Instrument zu einem präzisen Anflug auch bei schlechtesten Sichtverhältnissen benutzt werden.

    Für jeden Flug in der Verkehrsluftfahrt muss ein Flugplan bei der Flugsicherung eingereicht und genehmigt werden. Der Flugplan enthält unter anderem: Daten des Flugzeuges, Name des verantwortlichen Kapitäns, Beladung des Flugzeuges inklusiv Passagiere und Fracht, Treibstoffberechnung, Ausweichflughäfen, die exakte Flugstrecke mit Luftstraßen, Höhen, Winden. Wie diese Informationen im Cockpit verarbeitet werden weiß Michael Hanné, Leiter des Bereichs "Operations" am Düsseldorfer Flughafen.

    "Die Planung und auch die Flugvorbereitung laufen heute über elektronische Systeme, die direkt in der Flugzeugkanzel angedockt sind. Und da werden dann die Informationen mit dem Flightdispatcher was das Wetter angeht, was den Flugplan angeht, was die Beladung angeht ausgetauscht. Danach tippt der Pilot oder der Copilot einfach nur die errechneten Daten in seinen Flugcomputer und dann kann es eigentlich losgehen."

    Oliver Ruhberg sitzt vor seinen Bildschirmen im Kontrollturm des Flughafens und überwacht die Bodenbewegung auf dem Vorfeld. Eigentlich arbeitet er den Tagesflugplan der Ankünfte und Abflüge ab. Die Herausforderung liegt aber mehr in den Abweichungen vom Planmäßigen. An dieser Stelle sind Organisationstalente gefragt.

    "Den Tagesflugplan können Sie sich so vorstellen: 50 Prozent Schach und 50 Prozent 'Mensch ärger Dich nicht'. Das was wir hier planen, muss nicht immer eintreffen. Wir sind an diesem Platz, um die Großluftfahrt und die Allgemeine Luftfahrt zu überwachen, eventuelle Änderungen sofort zu überprüfen oder zu checken und dann einzugreifen."

    Organisationstalente sind auch auf dem Boden gefragt. In Düsseldorf sind bereits in der ersten Stunde des Tages zwischen sechs und sieben Uhr mehr als 4000 Gepäckstücke eingecheckt und an die 3000 Koffer sind angekommen. Die einen suchen ihren Weg zum Flugzeug, die anderen auf die Kofferbänder im Ankunftsbereich.

    Unsichtbar für die Fluggäste arbeitet eine riesige Maschinerie aus Mitarbeitern und automatischen Gepäckförderanlagen dafür, dass alle Gepäckstücke ihr Ziel finden. In den Mittelstreckenflugzeugen ist das Verladen der Koffer noch richtige Handarbeit erzählt Dietmar Kersting, der für die Gepäckabfertigung zuständig ist.

    "Da kniet ein Mitarbeiter im Flugzeugrumpf, stehen ist unmöglich, weil dieser Laderaum höchstens 60- 70 cm hoch ist. Der muss händisch wirklich noch packen. Da fließt viel Schweiß. Wir schätzen mal, dass so ein Mitarbeiter pro Tag zwischen 15 und 20 Tonnen an Gepäck bewegt und der hat am Ende des Tages einen krummen Rücken und kaputte Knie."

    Im Zeitfenster der Bodenzeit greift ein Rad ins andere. Die Passagiere gehen von Bord, das Gepäck wird entladen, die Kabine wird gereinigt und aufgeräumt, die Küche für den nächsten Flug neu mit Speisen und Getränken bestückt und bevor die neuen Fluggäste an Bord kommen, wird der Flieger wieder aufgetankt. So eine Tankfüllung für einen Transatlantikflug nach Atlanta beläuft sich beispielsweise auf ca. 90.000 Liter und die Tankrechnung beträgt je nach Tagespreis um die 60.000 Euro. Damit dieses Räderwerk auch bei schwierigen Wetterbedingungen rund läuft, sind an der Landebahn neben der elektronischen Landehilfe ILS auch optische Landehilfen eingebaut.

    "Wir haben auf einer unserer Pisten Kategorie IIIb. Das ist also eine Minimalsicht von Null Metern auf der Landebahn und 30 Meter Horizontalsicht, wenn der Luftfahrtzeugführer die entsprechende Lizenz besitzt und - oder das Luftfahrtzeug für diese Art von Landungen technisch ausgerüstet ist."

    Und das sind heutzutage nahezu alle Verkehrsmaschinen. Wenn der Tag zu Ende geht in Düsseldorf sind mehr als 55.000 Fluggäste angekommen oder abgeflogen. Die Positionslichter der letzten Maschine entschwinden in den sternenklaren Nachthimmel über der Rheinmetropole und der Lotse übergibt sie an den nächsten Kontrollbereich. Und während im Tower die Anflugbefeuerung der beiden Landebahnen für die Nacht ausgeschaltet wird, sind die ersten Frühmaschinen nach Düsseldorf bereits über Neufundland unterwegs um den Atlantik zu überqueren.