Archiv


Speerspitze gegen Afghanistan

Im Mai 1998 wird die Welt mit einem Schlag auf eine mögliche neue Gefahr für den Weltfrieden aufmerksam gemacht: Am 11. Mai unternimmt Indien drei unterirdische Atombomben-Tests und zwei Tage später zwei weitere. Diese ersten Nukleartests seit 1974 bringen vor allem in Pakistan Demonstranten auf die Strasse. Sie fordern, dass auch ihr Land die Entwicklung und Erprobung von Atomwaffen vorantreibe, denn man fühle sich bedroht durch den Erzfeind Indien, mit dem man im Dauerkonflikt über Kaschmir liegt und mit dem es bereits drei offene Kriege gegeben hat.

Peter Philipp |
    Pakistans Führung lässt sich nicht lange drängen: Noch vor den indischen Tests hatte man eine Mittelstrecken-Rakete erprobt, die in der Lage wäre, atomare Sprengköpfe zu transportieren. Am 28. Mai lässt Islamabad fünf Atomtests unternehmen, zwei Tage später einen weiteren. Internationale Appelle und auch Druck auf Regierungschef Nawaz Sharif haben nichts gefruchtet. Die Furcht vor einer atomaren Konfrontation zwischen Indien und Pakistan steigt, vor allem aber auch die Furcht vor der "islamischen Atombombe", denn Pakistans Tests drohen auch den Iran dazu zu verleiten, seine Anstrengungen um atomare Bewaffnung zu verstärken.

    Die USA - einst enger Verbündeter Pakistans - sowie Japan und Europa belegen beide Länder mit Sanktionen und es dauert Monate, bis indische und pakistanische Vertreter sich zu ersten Gesprächen treffen und bis Delhi und Islamabad versichern, künftig wieder den Atomteststopp-Vertrag zu respektieren.

    Die Sanktionen bleiben aber intakt. Bis zum letzten Wochenende, als US-Präsident George Bush ihre Aufhebung verkündet. Zwar hatte es bereits in den Monaten vor der Krise um Afghanistan und Osama Bin Laden Kontakte zur Beendigung der Sanktionen gegeben, jetzt aber ist es das Gebot der Stunde: In seinem Kampf gegen den Terrorismus braucht Washington die Unterstützung Pakistans. Mehr als vielleicht jedes anderen Landes. Präsident Pervez Musharraf hat diese Hilfe zugesagt, dies stößt bei islamistisch-radikalen Gruppen und Parteien im Lande aber auf Widerstand und Musharraf muss der Bevölkerung demonstrieren können, dass seine Entscheidung für Washington sich positiv für die weitere Entwicklung des Landes auswirkt. Und erste Reaktionen scheinen zu beweisen, dass dies von einer Mehrheit der Pakistanis verstanden und begrüßt wird.

    Sie haben nur eine Hoffnung: Dass die desolate Wirtschaftslage ihres Landes sich möglichst verbessert. Und es ist ihnen klar, dass Hilfe nicht von Seiten der Taliban oder Osama Bin Ladens kommen kann. Sondern nur von Seiten des westlichen Auslands - allen voran den USA. So sehr manche Pakistanis vielleicht auch bisher die Taliban und vielleicht sogar Bin Laden dafür bewundert haben, dass sie den USA die Stirn boten, so sehr ist ihnen aber auch bewusst, dass aus dieser Ecke nichts kommen wird, was Pakistan wieder saniert und in Schwung bringt. Dazu muss das Land erst einmal die Paria-Rolle ablegen, unter der es in den letzten Jahren zu leiden hatte, und es muss wieder aufgenommen und akzeptiert werden vom Ausland - und hier besonders von den industrialisierten Wirtschaftsmächten des Westens.

    Trotzdem ist der Kurswechsel keine leichte Entscheidung für Musharraf. Der General, der 1999 in einem unblutigen Putsch an die Macht gekommen war und dem Land die vierte Militär-Regierung in seiner Geschichte beschert hat, will Pakistan nur bis zum nächsten Jahr regieren und dann die Macht wieder an Politiker übergeben. Solche Versprechungen haben vor ihm auch die anderen Militär-Machthaber gemacht, aber keiner von ihnen hielt Wort. Im Grunde glaubt auch jetzt niemand, daran, dass Musharraf im Jahr 2002 zurücktreten wird. Bis dahin aber hat er es sich zum Ziel gesetzt, Missstände zu beheben, unter denen Pakistan seit langem leidet: Korruption, Arbeitslosigkeit und Verarmung. Hierzu hat er ausländische Finanzhilfe bitter nötig, denn aus eigener Kraft dürfte solch eine Sanierung kaum zu schaffen sein. Die Aufhebung der Sanktionen ist sicher ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, aber es ist kaum anzunehmen, dass die Hilfe so rasch und so reichlich einsetzt, dass Musharraf seinen Zeitplan einhalten kann.

    Außerdem verfolgt man das Ziel, eine Radikalisierung jener Teile der Bevölkerung zu verhindern, die für die Appelle islamistischer Kreise empfänglich sein könnten:

    Wenn die Radikalen weiterhin so machtlos bleiben wie in den ersten Tagen der neuen Krise um Afghanistan und Bin Laden, dann dürfte dieser Punkt auf Musharrafs Prioritätenliste kein großes Problem mehr darstellen. Selbst wenn es zu Demonstrationen und auch zu gelegentlichen gewaltsamen Auseinandersetzungen kommt. Drei oder vier Tote bei Ausschreitungen in der Neun-Millionen-Stadt Karachi - das ist angesichts der regionalen Zuspitzung verhältnismäßig harmlos: In den Neunziger Jahren wurden bei Demonstrationen und Zusammenstößen mit der Polizei und zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen jährlich weit über 1000 Tote in Pakistan gezählt und selbst im ersten Jahr der Herrschaft Musharrafs belief sich die Zahl noch auf knapp über 200. Relativ gesehen sind die Demonstrationen und Streiks gegen das Zusammengehen mit den USA deswegen bisher eher unbedeutend gewesen. Das scheint zu bestätigen, was Musharraf den islamistischen Fanatikern nachsagt: Sie vertreten vielleicht 15 % der Bevölkerung und sie können nicht die ganze Bevölkerung infizieren - sie haben jetzt ja nicht einmal alle ihrer Anhänger mobilisieren können.

    Gewalt ist aus der Geschichte Pakistans aber nicht wegzudenken: Dieser Staat entsteht 1947, nach der Aufgabe des indischen Subkontinents durch die britische Kolonialmacht: Großbritannien hat die Region seit 1757 beherrscht - erst über die "Ost-Indien-Gesellschaft" und seit 1858 direkt. Hindus und Moslems entwickeln bereits Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts nationalistische Bewegungen, die ihren organisatorischen Ausdruck im "Indischen National-Kongress" finden und in der "Muslim-Liga".

    Besonders nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches verstärken sich die muslimischen Bestrebungen auf Selbständigkeit und die Aversion gegenüber den Briten. Denn die Furcht wächst, dass Muslime immer mehr als Minderheit behandelt und benachteiligt werden würden und dass dies in einem unabhängigen Indien schwerwiegende Folgen für die muslimische Bevölkerung haben könnte.

    Die "Muslim-Liga" unter Mohammed Ali Jinna fordert die Aufteilung und Pakistan - der Name stellt eine Zusammensetzung aus P(unjab), A(fghanisch), K(aschmir), S(ind) und (Balutschis)tan dar, den wichtigsten Regionen und Volksgruppen des Landes - wird als muslimischer Staat unabhängig. Zunächst in zwei Teilen: Ost- und Westpakistan, die über anderthalb Tausend Kilometer voneinander entfernt sind. Diese Distanz und die daraus resultierenden Spannungen wegen der Benachteiligung des Ostteils führen 1971 zur gewaltsamen - und von Indien unterstützten - Abspaltung des überwiegend bengalischen Osten, der sich zum Staat Bangladesh erklärt. In Indien verbleiben aber auch noch sehr viele Muslime und so existieren weiterhin über die Grenzen der zeitweiligen Kriegsgegner hinweg familiäre Beziehungen. Und es gibt auch Unterschiede und gelegentliche Spannungen zwischen den Alteingesessenen und den aus Indien zugezogenen, geflüchteten oder vertriebenen Neuankömmlingen der Gründerzeit. Auch Musharraf stammt aus Delhi und kam im frühen Kindesalter nach Pakistan.

    Nach dem Abfall von Bangladesh bleibt der alte Westteil übrig, das heutige Pakistan: Fast 800 000 Quadratkilometer groß, mit heute über 140 Millionen Einwohnern, erstreckt es sich vom Indischen Ozean bis an den Fuß des Himalaya, als Nachbar von Iran, Afghanistan, China und Indien. Allein schon diese Nachbarschaft hat bisher immer wieder für Spannungen und Probleme gesorgt. Vor allem mit Indien:

    Bei der Unabhängigkeit der beiden Staaten war die Zugehörigkeit des Gebietes von Jammu und Kaschmir nicht eindeutig gelöst worden, beide Staaten kontrollieren Teile dieses Gebietes und diese Tatsache hat sich seitdem als äußerst verhängnisvoll erwiesen: Bereits im Jahr nach der Unabhängigkeit ziehen Indien und Pakistan deswegen in den Krieg, dann wieder 1965 und schließlich noch einmal im Jahr 1971.

    Ein großer Teil der latenten Spannungen zwischen Pakistan und Indien rührt vom Konflikt um Kaschmir her: Örtliche Gruppen, die mit brutalen Mitteln für Selbstständigkeit oder wenigstens Autonomie kämpfen, werden von den Indern als Terroristen verurteilt und bekämpft, während Pakistan sie als Freiheitskämpfer verharmlost oder verherrlicht. Und immer wieder geraten die "Paten" - Indien und Pakistan - selbst wegen Kaschmir aneinander. Langfristig dürfte Kaschmir auch ein Problem für die Koalition gegen den Terrorismus darstellen, zu der sich Indien wie Pakistan jetzt gleichermaßen bekennen. Beide meinen den Terrorismus Osama Bin Ladens in Afghanistan, sollte eines Tages der in Kaschmir angesprochen werden, dürften sie sich erneut in die Haare geraten.

    Ein weiteres Problemfeld ist der ungeklärte Grenzverlauf mit Afghanistan im Nordwesten Pakistans: In diesem "Stammes-Gebiet" herrschen paschtunische Stämme, die immer schon zwischen beiden Ländern gewechselt haben und sich seit Jahren weitgehend der Kontrolle und dem Zugriff der pakistanischen Behörden entziehen. Dort haben sich über die Jahrzehnte auch die meisten der afghanischen Flüchtlinge niedergelassen, die ihre Heimat verlassen mussten - auf der Flucht vor den Kommunisten, vor den Mujaheddin oder vor den Taliban. Oder einfach auf der Flucht vor der immer schlimmer werdenden Armut dort.

    Nicht nur wegen eigener Gebietsansprüche gegenüber Afghanistan und wegen der 1 bis 2 Millionen afghanischer Flüchtlinge hat Pakistan immer schon ein massives Interesse an seinem nördlichen bzw. nordwestlichen Nachbarland: Noch aus der britischen Zeit rührt das Interesse an Einfluss und Macht über Afghanistan her, denn dieses Land bildet die Brücke zwischen den zentralasiatischen Republiken der ehemaligen Sowjetunion und dem Indischen Ozean. Und ihm kommt deswegen ungeheure strategische wie auch wirtschaftliche Bedeutung zu.

    Pakistanische Hegemonie-Interessen ergänzen sich mit denen der Vereinigten Staaten und anderer westlicher Staaten, als die Sowjetunion 1979 in Afghanistan einmarschiert, um ein kommunistisches Regime dort zu stützen, das sich nach dem Sturz des afghanischen Königs etabliert hatte und nun angeblich um Hilfe aus Moskau rief.

    Der Westen unterstützt den Widerstand islamistischer Truppen - der "Mujaheddin" - gegen die Sowjets in jeder Weise. Und Pakistan wird wichtigste Basis und Durchgangsland für diese Militärhilfe: Waffen und Fahrzeuge, auch Munition werden in großer Menge über Pakistan nach Afghanistan geschafft. Auf dem selben Weg gelangen auch Freiwillige aus der islamischen Welt dorthin. Einer von ihnen kommt aus Saudi-Arabien und ist Sohn sehr reicher Eltern. Er ist von der Notwenigkeit überzeugt, die "Gottlosen" aus Afghanistan zu vertreiben. Der Mann heißt Osama Bin Laden.

    Wichtiger als die Hilfe solcher Freiwilliger ist die Pakistans: Besonders der pakistanische Geheimdienst ISI und pakistanische Offiziere helfen bei der Unterweisung der Mujaheddin. Sie sind von diesen kaum zu unterscheiden und das Engagement des Westens wird deswegen nicht ganz so offenbar. Ein Geheimnis ist es freilich nie.

    Die Zeit des Kampfes gegen die Sowjets in Afghanistan wird zur Hoch-Zeit der amerikanisch-pakistanischen Beziehungen. Denn Washington ist besorgt, dass die Sowjetunion nach einer Etablierung in Afghanistan als nächstes den Durchbruch bis an den Indischen Ozean versuchen werde. Ein Unterfangen, das umso wahrscheinlicher und gefährlicher erscheint, als Indien zu jener Zeit mit einem Freundschaftsvertrag mit Moskau eine offen pro-sowjetische Haltung einnimmt und der andere bisher so wichtige Verbündete der USA in der Region - der Schah von Iran - vor der Islamischen Revolution geflohen ist und Iran zwar nicht unter den Einfluss Moskaus gerät, aber doch einen vehement anti-amerikanischen Kurs einschlägt.

    So ist es denn nicht nur wegen Afghanistan, sondern eher, um nicht auch noch Pakistan - und damit die Verbindung zwischen Nahem und Fernem Osten - zu verlieren, dass Washington dieses Land zu seinem engen Verbündeten macht und zur regionalen Militärmacht aufpäppelt. Zuerst läuft dies - unter Jimmy Carter - noch so vorsichtig an, dass Pakistans damaliger Führer, Zia ul Haq, die Unterstützung höhnisch als "peanuts" zurückweist, dann aber - unter Ronald Reagan - erfolgt die Hilfe fast ohne jede Einschränkung.

    Niemand scheint sich zu dieser Zeit in Washington daran zu stoßen, dass Zia ul Haq ein Diktator ist, der sich 1977 an die Macht geputscht hat und sein Versprechen, bald freie Wahlen abzuhalten, schnell vergisst: Mit harter Hand regiert Zia bis 1988. Für den 30. November 1988 kündigt er - wieder einmal - Wahlen an, am 17. August aber kommt er bei einem Flugzeugabsturz um. Die Vermutung wird nie widerlegt, dass es sich hierbei um einen Anschlag handelt.

    Kurz vor dem Tod des Diktators beginnen in Genf Verhandlungen über eine Beendigung des Afghanistan-Krieges. An ihnen nimmt unter anderem die Tochter des von Zia gestürzten und 1979 hingerichteten Sulfikar Ali Bhutto Benazir teil, die zwei Jahre zuvor aus dem selbst gewählten Londoner Exil heimgekehrt ist und nun die politische Opposition gegen Zia anführt.

    Mit Zias Tod kehren die Politiker zurück: Bhutto kandidiert bei den Wahlen und gewinnt. Ihr Regierungsstil ist jedoch nicht viel anders als der ihres Vaters und besonders die Korruption hält wieder Einzug in Pakistan. Wenn sie das Land überhaupt je verlassen hat. Denn unter Zia ul Haq waren es die Militärs, die sich "bedienten", jetzt sind es die Politiker und die Günstlinge der mächtigen Familien. Aber auch die Entwicklungen in der letzten Phase des Afghanistan-Krieges machen Bhutto das Leben schwer: Der Versuch, eine afghanische Gegenregierung in Jalalabad - auf halbem Weg nach Kabul - einzurichten, scheitert und in verschiedenen Teilen Pakistans kommt es gleichzeitig zu Unruhen, deren Ursachen in wirtschaftlichen und ethnischen Gründen liegen und dem ewigen Groll der Provinzen, von der Zentralregierung vernachlässigt zu werden.

    1990 werden Neuwahlen ausgeschrieben und Bhutto verliert an Nawaz Sharif. Pakistan kommt nicht zur Ruhe: Drei Jahre später hat Bhutto wieder aufgeholt und löst Sharif ab, aber auch dies soll nur drei Jahre dauern. Dann kommt - 1997 - wieder Nawaz Sharif an die Macht.

    Er erfüllt die Hoffnungen der Bevölkerung ebenso wenig wie die des Militärs. Deshalb ist seine Regierungszeit diesmal noch kürzer. Nawaz Sharif ernennt im Oktober 1998 den Kriegsveteranen Musharraf zum Generalstabschef - einen Mann, der dann 1999 für einen pakistanischen Vorstoß in den indischen Teil Kaschmirs verantwortlich ist. Dieses Abenteuer wird unter internationalem Druck abgebrochen, Pakistan zieht sich zurück, doch in der Folge kommt es zu Unstimmigkeiten zwischen Sharif und dem Militär. Im selben Jahr noch versucht der Premier, den unbequemen Musharraf loszuwerden: Auf dem Rückflug von einem Auslandsbesuch darf Musharrafs Maschine in Karachi nicht landen. Kurz bevor sie wegen Treibstoffmangel abgestürzt wäre, übernehmen Militärs die Kontrolle über den Flughafen und Musharraf landet. Sein nächster Schritt: Er übernimmt die Macht und setzt Sharif ab, dem später der Prozess gemacht wird und der ins Exil geht.

    Musharrafs Militär-Regierung ist die vierte in der Geschichte Pakistans - nach Ayub Khan, Yachia Khan und Zia. Wie die früheren Militärmachthaber hat auch Musharraf versprochen, Ordnung im Land zu schaffen und dann die Macht wieder an die Politiker zurückzugeben. Frommer Wunsch oder leeres Versprechen?

    Das wird sich wohl erst nach der neuen Krise um Afghanistan erweisen. Fest steht jedenfalls jetzt schon, dass der starke Mann in Islamabad sich daran gemacht hat, interne Reformen durchzusetzen, die die regionale Verwaltung betreffen, die Besteuerung und Fragen der inneren Freiheit. So genießt das Land relativ große Presse- und Meinungsfreiheit - Errungenschaften, die es in der Vergangenheit nicht gekannt hatte.

    Ein großes und aus eigener Kraft nicht zu bewältigendes Problem ist jedoch die wirtschaftliche Not Pakistans: Die Verschuldung liegt bei 30 Milliarden Dollar und fast die Hälfte des Staatshaushaltes wird vom Schuldendienst aufgefressen. Hinzu kommt, dass Pakistan bisher unter den Sanktionen wegen der Atom-Tests zu leiden hatte, und zusätzlich unter Sanktionen wegen seiner Unfähigkeit, Schulden rechtzeitig (oder überhaupt) zurückzuzahlen. Weitere Sanktionen sind bis heute in Kraft: weil in Pakistan ein Militärregime herrscht.

    Den Schlüssel zur Aufhebung dieser Sanktionen besitzen die USA, wie der Beschluss von Präsident Bush zeigt, die Bestrafung der Atomtests zu annullieren. Und Washington beeilt sich deswegen jetzt auch, neue Finanzabkommen in Islamabad zu unterzeichnen - nur einen Tag nach der Aufhebung der Sanktionen.

    Die Vereinigten Staaten aber haben in der Geschichte Pakistans wiederholt bewiesen, dass Freundschaft und Unterstützung nur dann gezeigt werden, wenn und solange dies Washington nützt. Viele Pakistanis erinnern sich dieser Tage daran. Sie reagieren zwar hoffnungsvoll auf die Aussicht einer Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage, es mangelt Ihnen dabei aber auch nicht an Sarkasmus.

    Nach dem Abzug der Sowjets verloren die Amerikaner nämlich recht bald das Interesse an diesem Land, das ihnen über die Jahre hinweg als wichtigster und treuer Alliierter in dieser Region gegolten hatte. Urplötzlich - so beklagen heute auch ernstzunehmende Pakistanis - haben die USA sich damals von Pakistan abgewandt, weil es ihnen nichts mehr nützte. Erst, als die Sieger über die Sowjets in Afghanistan - die Mujaheddin - das Land erneut mit Krieg zu überziehen beginnen und sich auch noch mit dem Iran liieren, da erwacht erneutes Interesse in Islamabad und Washington, dem ein Ende zu setzen. Und zwar gemeinsam:

    In pakistanischen Koranschulen werden die Taliban rekrutiert und gegen die zerstrittenen Parteien in Afghanistan in Marsch gesetzt. Pakistan und die USA unterstützen diese Bewegung, auch die Saudis und die Vereinigten Arabischen Emirate. Aber wieder sind es die Falschen, auf die man da setzt. Die USA ziehen sich rasch zurück und bestreiten, je etwas mit den Taliban zu tun gehabt zu haben, die anderen drei sind die einzigen, die das Regime in Kabul und Kandahar anerkennen. Wegen Osama Bin Laden machen die Saudis aber rasch einen Rückzieher und setzen die Kontakte auf Sparflamme. Ebenso wie die Emirate brechen sie ihre Beziehungen jetzt ab.

    Pakistan unterhält zwar noch Beziehungen zu den Taliban, General Musharraf hat sich aber klar für die Seite der USA entschieden. Eine riskante Politik, die nicht allein durch massive Wirtschaftshilfe abgesichert werden kann. Denn es gibt genug Fanatiker in Pakistan, die versuchen könnten, die neue Politik zu torpedieren. Vielleicht weniger die Fanatiker, die heute amerikanische Flaggen und Strohpuppen in den Strassen verbrennen. Sondern möglicherweise Unzufriedene im Militär selbst, die plötzlich sehen, dass all das über den Haufen geworfen wird, wofür sie bisher gearbeitet und gekämpft haben. Die bewegte Geschichte Pakistans hat ja oft genug gezeigt, dass ein Umsturz nicht von der Strasse kommt...