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Speicher unter Druck

Umwelt. - Derzeit bringt die Windkraft fünf Prozent des deutschen Energiebedarfs auf - doch bei Windstille müssen wieder Kohlekraftwerke einspringen. Deswegen suchen Forscher nach passenden Energiespeichern. Ein möglicher Kandidat steht im Oldenburgischen Huntorf.

Von Monika Seynsche |
    Eine Handvoll Häuser im Nichts östlich von Oldenburg. Rundherum verlassene Schafweiden. Über die Landstraße gelangt man zu einer etwas gammeligen Baracke aus den Siebzigern. Dahinter ragt ein großer Backsteinbau mit einem Schornstein empor.

    "Diese Anlage, in dieser Größe gibt es sie eben nur einmal in der Welt. Wir haben hin und wieder, wenn wir Ersatzteile brauchen, schon unsere Probleme, oder wenn wir Fachleute brauchen, die richtigen Fachleute überhaupt noch zu bekommen, die meisten sind schon längst in Pension, die existieren gar nicht mehr."

    Denn die Anlage, von der Kraftwerksleiter Fritz Henken-Mellies spricht, ist dreißig Jahre alt: der erste Druckluftspeicher der Welt. Unter dem Backsteinbau in Huntorf erstrecken sich zwei riesige Höhlensysteme im Salzstock. Wenn überflüssiger Strom im Netz ist, pressen Fritz Henken-Mellies und seine Kollegen damit Luft in diese Höhlen. Wird Strom gebraucht, lassen sie die Luft wieder herausströmen und treiben mit ihr Turbinen an. Es ist laut und warm in dem großen Backsteinbau. Die stickige Luft riecht nach Schmieröl. Am Ende der lang gestreckten Maschinenhalle ragt ein silbriger Metallzylinder in die Höhe, eingezäunt von einem schwarzen, mit Leitern bewehrten Gerüst.

    "Ja, was Sie hier sehen, ist die Gasturbine, hier ist der Abdampfstutzen und hier oben drauf sind die Brennkammern. Wir gehen gleich noch mal das Gerüst hoch, dann können Sie das etwas besser sehen."

    Wenn Strom gebraucht wird, strömt Druckluft aus den Höhlen. Dazu kommt Erdgas. Denn wenn sich die zusammengepresste Luft plötzlich ausdehnt, kühlt sie stark ab. Käme sie direkt in Kontakt mit der Turbine, würde sie diese durch die Kälte beschädigen. Also erhitzen Fritz Henken-Mellies und seine Kollegen die Luft mit Hilfe von Erdgas, bevor sie in die Gasturbine gelangt.

    "Als nächstes kommt dieser Motor, der auch gleichzeitig als Generator arbeitet, als Generator dann wenn die Turbine betrieben wird, als Motor dann wenn er den Verdichter antreiben muss und der Verdichter schließt sich hier an. Und die verdichtete Luft, die muss man abkühlen und dazu gibt es hier diverse Kühler, da gehen wir jetzt gleich mal dran vorbei."

    Wird der Druckluftspeicher gefüllt, dann muss die Luft dafür stark verdichtet werden. Dabei erwärmt sie sich um mehrere hundert Grad. Damit sie die Statik der Salzkavernen nicht gefährdet, muss sie gekühlt werden – ein Prozess der wiederum Erdgas verbraucht. Das alles drückt natürlich den Wirkungsgrad des Speichers, der nur bei 45 Prozent liegt. Das heißt, mehr als die Hälfte der Energie geht beim Speichern verloren. Dieser traurigen Bilanz ist es geschuldet, dass in den vergangenen 30 Jahren weltweit nur zwei Druckluftspeicher gebaut wurden. Aber würde man die Wärme, die beim Zusammenpressen der Luft entsteht, speichern und mit ihr – statt mit Erdgas – später die Luft in den Brennkammern wieder erhitzen, könnte mit Druckluftspeichern ein Wirkungsgrad von bis zu 70 Prozent erzielt werden. Dadurch wird die Druckluftspeichertechnologie wieder interessant. Adiabat nennt sich das Verfahren, das kein zusätzliches Erdgas braucht. Einen Druckluftspeicher mit dieser Technik will der baden-württembergische Stromversorger EnBW demnächst in Norddeutschland bauen. Noch suchen die Ingenieure nach einem passenden Standort. Doch davon gebe es hier oben theoretisch viele, sagt Christoph Maurer, Geschäftsführer der auf Elektrizitätsnetze spezialisierten Beratungsfirma CONSENTEC.

    "Insbesondere in den Gebieten nahe der Küsten, haben wir auch Salzstöcke als geologische Formationen und diese Salzstöcke bieten letztendlich ideale Voraussetzungen, um darin die Kavernen auszusolen, in denen man hinterher die Druckluft speichern möchte."

    Aus Salzstöcken lassen sich luftdichte Höhlen auswaschen, wenn man Wasser hineinpumpt und das salzige Wasser wieder herauspumpt. Allein dieses Aussolen dauert Jahre, denn das stark salzhaltige Wasser darf nur in kleinen Dosen in Gewässer gelangen, damit es Tiere und Pflanzen nicht schädigt. Bis der dritte Druckluftspeicher der Welt in Dienst treten kann, wird also noch einige Zeit vergehen.