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Speichern als technologischer Schlüssel

Das Hauptproblem beim Nutzen erneuerbarer Energien ist, dass Wind und Sonne in unseren Breiten ganz ungleichmäßig über das Jahr verteilt sind. In Ostdeutschland zum Beispiel wird an manchen Tagen mehr Strom durch Wind produziert, als man dort insgesamt verbraucht. Die Stromkonzerne suchen schon lange nach Wegen, alternative Energien zu speichern. Dazu treffen sich derzeit Experten in Berlin zur 3. Konferenz zur Speicherung erneuerbarer Energien.

Von Philip Banse | 25.11.2008
    Es gibt in Deutschland heute große Stromspeicher, aber die wirkliche Herausforderung steht erst noch bevor. Denn heute wird in Deutschland knapp 15 Prozent des Stroms durch kaum steuerbare Quellen wie Sonne und Wind erzeugt. Der Bedarf, plötzlich überschüssigen Strom zu speichern, ist heute gering. Bis 2020 soll aber mehr als doppelt so viel Strom wie heute aus erneuerbaren Quellen gewonnen werden. Dann ist der Speicherbedarf enorm, sagt Dirk Uwe Sauer, von der Technischen Hochschule in Aachen:

    "Wir haben heute streckenweise im Versorgungsgebiet Ost der Vattenfall, wo immerhin 17 Millionen Menschen leben, teilweise mehr Einspeisung aus Windkraft als tatsächlich überhaupt verbraucht wird. Das heißt, alle anderen Kraftwerke in diesem Bereich müssen im Prinzip runtergefahren werden. Dann kann man noch gucken, was man über die Grenzen verkaufen kann. Das geht im Moment noch, weil Polen und Frankreich noch nicht so weit ausgebaut sind in der Windkraft wie wir. Aber auch das ändert sich in den nächsten Jahren massiv. Das heißt, wir sehen, dass diese Problematik kommt, deswegen haben wir heute kaum diese Speicher, aber sie müssen kommen."

    Heute wird überschüssiger Strom vor allem in Pumpspeichern aufbewahrt:

    "Was heute im Netz verwendet wird, sind die klassischen Pumpspeicherkraftwerke, das heißt man hat einen See, der auf einem tiefen Niveau liegt und einen See, der auf einem hohen Niveau liegt, auf einem Berg mit mehreren Hundert Meter Höhendifferenz, und man pumpt das Wasser hoch, wenn man zu viel Strom hat und lässt es wieder runter laufen, durch die Turbinen und erzeugt dadurch Strom, wenn man den Bedarf im Netz hat. Damit regulieren wir heute unser Netz."

    Doch solche Seen sind rar in Deutschland. Pumpspeicher können hierzulande eigentlich nicht mehr gebaut werden. Eine andere Speichertechnologie sind Druckluftspeicher. Luft wird mit hohem Druck in Salzstöcke gepresst und bei Bedarf durch Turbinen wieder nach oben gelassen. Problem: Man braucht sehr viel Platz, um relativ wenig Energie zu speichern. Sehr viel mehr Strom pro Kubikmeter lässt sich speichern, wenn man mit dem überflüssigen Strom Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff spaltet und den Wasserstoff ebenfalls unter der Erde lagert, sagte Hubert Landiner von der Ludwig Bölkow Systemtechnik GmbH:.

    "Die Speicherkapazität von Wasserstoff ist um das Millionenfache höher als bei Pumpwasser- und Druckluftspeichern, zu vergleichbaren Preisen. Aber die Effizienz der Wasserstoffspeicher unter der Erde ist sehr gering. Fast 60 Prozent der Energie gehen beim Speicherprozess verloren."

    Mit welcher Technik auch immer - Stromspeicher werden den Strompreis nach oben treiben, sagen Wissenschaftler und suchen daher einen anderen Weg: Wenn wir keine perfekten Stromspeicher haben, müssen wir eben dafür sorgen, dass möglichst wenig Strom zu speichern ist. Wenn schon das Stromangebot durch Sonne und Wind nicht zu kontrollieren ist, müssen wir wenigsten die Stromnachfrage an dieses Angebot anpassen: Intelligente Waschmaschinen und Kühlschränke laufen dann, wenn viel Strom im Netz ist. Den Stromverbrauch flexibel an das in Zukunft stark schwankende Angebot anpassen - hier wird ein völlig neuer, dezentraler, aber sehr leistungsfähiger Stromspeicher eine wichtige Rolle spielen: das Elektroauto. Die Bundesregierung will ja Stromautos massiv fördern. Forscher gehen daher fest davon aus, dass in einigen Jahren überschüssiger Strom – zumindest kurzfristig – in Millionen von batteriegetriebenen Autos gespeichert werden kann:

    "Das heißt, wir wollen diese Batterien nachladen, wenn es aus Netz-Sicht gerade besonders effizient ist, wenn da Überschüsse bestehen. Und hier kommen sehr, sehr große Potentiale auf uns zu. Und das ist sehr viel effizienter als irgendwo einen großen Speicher, über die wir eben gesprochen haben, zu errichten. Denn hier wird der Strom direkt in den Speicher der Anwendung eingespeist und kann dann direkt gewinnbringend hinten raus genutzt werden."

    Dirk Uwe Sauer von der Technischen Hochschule in Aachen geht davon aus: vier Millionen Elektroautos könnten den Bedarf an kurzfristigem Stromspeicher fast völlig befriedigen. 2020 könnte das so weit sein. Wenn aber 4, 5 Tage mal kein Wind weht, werde man an Wasserstoff- oder Pumpspeichern nicht vorbei kommen.