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Speichern mit Kompromiss

Datenschutz.- Beim Thema Vorratsdatenspeicherung geraten hierzulande die Interessen von Verfassungsschutz und Datenschützern in Konflikt. Um in dieser Hinsicht leichter einen Kompromiss finden zu können, haben Juristen untersucht, wie das Thema in anderen europäischen Ländern gehandhabt wird.

Von Pia Grund-Ludwig | 29.10.2011
    Vorratsdatenspeicherung ist in Deutschland untersagt, seit am 2. März 2010 das Bundesverfassungsgericht die von der Bundesregierung verabschiedeten Regeln zur Vorratsdatenspeicherung von Internet- Verbindungsdaten gekippt hat. Das Gesetz verstoße gegen das Telekommunikationsgeheimnis aus Artikel 10 Grundgesetz und sei deshalb nichtig, so die Karlsruher Verfassungswächter. Damit war das Problem aber nicht vom Tisch, die Debatte hat eigentlich erst richtig begonnen. Und nicht nur in Deutschland:

    "In Tschechien, in Rumänien haben die Verfassungsgerichte die Vorratsdatenspeicherung auch als verfassungswidrig abgelehnt, in Norwegen werden Prozesse gerade angestrengt. Es gibt eine sehr umfassende Diskussion",

    beobachtet Professor Alexander Rossnagel, Telekommunikationsrechtsexperte an der Universität Kassel. Die Grundlinien sind klar: Sicherheitspolitiker und Verfassungsschützer wollen möglichst viele Daten, Datenschützer und das deutsche Bundesjustizministerium plädieren für eine Minimallösung. Rossnagel hat sich in einem Forschungsprojekt angeschaut, wie das Problem in den anderen EU-Staaten gehandhabt wird. Die Ergebnisse liegen jetzt vor und sollen helfen, sinnvolle Kompromisslinien zu finden. Ein Knackpunkt ist dabei, dass es in der EU-Richtlinie zur Telekommunikationsüberwachung derzeit konkrete Vorgaben gibt, beispielsweise zur Zeitdauer über die Daten zu speichern sind. Zwischen sechs und 24 Monaten sind vorgesehen. Das gefällt Rossnagel nicht:

    "Wir halten das für zu lang. Wir würden vorschlagen, dass man diese Frist stark kürzt, weil in der Praxis zu sehen ist, dass die meisten Daten, wenn sie überhaupt nachgefragt werden, dann in den ersten Wochen nachgefragt werden."

    Kürzere Speicherfristen würden also durchaus ausreichen, um die Bedürfnisse der Strafverfolgung zu bedienen und gleichzeitig den Datenschutz erhöhen. Ein zweites Mittel, um den Datenschutz zu stärken wäre es, Informationen auf jeden Fall nur einmal zu speichern. So werde es in Großbritannien gemacht, sagt Rossnagel. Die einmalige Speicherung reduziere auch die Menge der Daten. Für Datensparsamkeit plädiert Rossnagel auch deshalb, weil man immer mit Missbrauch rechnen müsse. Auch die Vorschrift, dass ein Richter den Zugriff auf die Daten erlauben müsse, könnte für einen besseren Schutz vor staatlichen Übergriffen sorgen. Eine weitere Maßnahme, die sich im Rahmen des Forschungsprojekts als sinnvoll herausgestellt hat wäre, dass die Abfrage der Daten nur über eine zentrale Stelle erlaubt ist. So wird das in Belgien oder Frankreich gemacht. Eine solche zentrale Instanz könnte etwa die Bundesnetzagentur sein:

    "Das heißt dann, der Richter, der diese Maßnahme bestätigt, würde den Antrag an die Bundesnetzagentur weiterleiten, die würde den Antrag an eine einzige klar definierte Stelle innerhalb des Telekommunikationsanbieters weiterleíten. Dort würde jedes Mal geprüft, ob die formalen Voraussetzungen vorliegen."

    Zugleich könnte die Bundesnetzagentur dann auch prüfen, was die Vorratsdatenspeicherung überhaupt bringt. So könnte der Richter, der die Anfrage stellt, später festhalten müssen, ob seine Anfrage zu einer Festnahme oder Gefahrenabwehr geführt hat. Ein möglicher Kompromiss zwischen Sicherheitspolitik und Datenschutz wäre aus Sicht Rossnagels auch die von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger vorgeschlagene Lösung Quick Freeze. Dabei würden die Daten nur sieben Tage vorgehalten und auf Anforderung gespeichert. Das entspreche aber momentan nicht den Vorgaben der EU-Datenschutzrichtlinie, so der Kasseler Wissenschaftler:

    "Würde die Bundesrepublik trotzdem Quick Freeze vorsehen, würde das dazu führen, dass es zu einem Prozess vor dem Europäischen Gerichtshof kommt, der dann vermutlich verloren wird. Wenn die Richtlinie sich hier etwas öffnet und sagt, die Mitgliedsstaaten müssen geeignete Maßnahmen ergreifen, um in einem geeigneten Umfang auf die Verkehrsdaten zugreifen zu können (…) dann könnte Quick Freeze eine sinnvolle Möglichkeit sein, grundrechtsschonend in einem gewissen Umfang doch die Daten zur Verfügung zu stellen."