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Spendengelder und Projekte

In Stuttgart feiert heute das Kinderhilfswerk "terre des hommes Deutschland" mit Sitz in Osnabrück seinen 40. Geburtstag. Die Hauptstadt des Bundeslandes Baden-Württemberg wurde deshalb gewählt, weil der entwicklungspolitische Verein dort 1967 gegründet wurde. Finanziert wird die Arbeit der Kinderhilfsorganisation allein durch Spendengelder und ist deshalb unabhängig von Staat, Kirche oder Parteien.

Von Marieke Degen |
    8. Januar 1967. In Vietnam tobt der Krieg, und in Stuttgart trommelt der Schriftsetzer Lutz Beisel 40 Bekannte zusammen. Die Bilder des Krieges, die täglich über den Fernseher flimmern, lassen sie nachts nicht mehr schlafen. Beisel will die verletzten Kinder in Krankenhäuser nach Deutschland bringen und neue Eltern für sie finden. Das deutsche Kinderhilfswerk terre des hommes, übersetzt Erde der Menschlichkeit, ist geboren:

    "Die erste Vietnam-Aktion lief eigentlich in Deutschland ab, das heißt, wir haben den Schweizer Freunden geholfen, Krankenhäuser und Ärzte in Deutschland zu finden. Die erste Stadt, die bereit war, solche Kinder aufzunehmen, war Hamburg, und das erste Flugzeug mit vietnamesischen Kindern landete in Hamburg, so dass unsere erste Aktion eigentlich auf deutschem Boden stattfand, aber kompliziert genug war. Wir haben die Kinder zunächst in einer Art Quarantäne in einem Krankenhaus zusammengebracht. Da wurden dann die Eingangsuntersuchungen gemacht, und dann wurden sie je nach Indikation in verschiedene Fachkrankenhäuser in Deutschland verteilt."

    Rund 4500 Projekte in aller Welt hat terre des hommes seitdem gefördert - mit insgesamt 290 Millionen Euro Spendengeldern. Wir haben viel erreicht, lautet das Motto zum 40. Geburtstag, und noch viel zu tun. Das sieht der Gründer Lutz Beisel genauso:

    Im Grunde bin ich mit dem, wie es vor allem in den ersten Jahren lief, sehr zufrieden und sehr dankbar, dass es so geglückt ist. Dann hat terre des hommes ja seine Arbeitsweise gewandelt, wir haben nicht mehr von hier aus in die Länder eingegriffen, sondern Partner in den Ländern gesucht und diese dann unterstützt. Was eine richtige Entwicklung war. Was ich bedauert habe, ist, dass die Adoptionen später eingestellt wurden, weil es eben einen großen Missbrauch in der Welt gab mit Kinderhandel, und davon wollte terre des hommes möglichst weit entfernt sein.

    Die Organisation hat ein Gütesiegel für Teppiche durchgesetzt, die nicht von Kinderhänden geknüpft werden. Und sie hat mit einer Kampagne dazu beigetragen, dass Kindersex-Touristen auch in Deutschland bestraft werden. Das sind zwei Erfolgsgeschichten von vielen. Die große Spendenbereitschaft nach der Tsunami-Katastrophe hat terre des hommes im Jahr 2005 Rekordeinnahmen von rund 26 Millionen Euro beschert. Derzeit engagieren sich anderthalb tausend Menschen in Deutschland ehrenamtlich - das sind zu wenige, findet Beisel:

    "Ich finde es schon richtig, wie terre des hommes im Moment arbeitet, und sie sollten auch so weiter machen. Was ich mir zusätzlich wünsche, ist, dass wie am Anfang in den lokalen Arbeitsgruppen mehr auch für deutsche Kinder getan wird. Ich könnte mir vorstellen, dass am Ort Netzwerke entstehen zwischen allen Menschen, die Kindern helfen wollen, gibt ja noch andere Gruppierungen, und dass solche Dinge, wie sie mit dem Kevin geschehen sind, nicht mehr passieren können, weil eine Art Netzwerk am Ort entsteht, das auf Kinder achtet."

    Doch terre des hommes will sich auch in Zukunft auf Entwicklungsländer konzentrieren. Die Welt ist für Kinder nicht sicherer geworden. Über 200 Millionen weltweit müssen unter schlimmsten Bedingungen arbeiten. Rund 250 000 werden in Armeen zwangsrekrutiert. Und zweieinhalb Millionen Kinder sind HIV-infiziert, noch mehr haben ihre Familie durch AIDS verloren. Der Gründer selbst, heute 69, ist schon seit Jahren nicht mehr aktiv dabei. Terre des hommes kämpft weiter, für eine Erde der Menschlichkeit.