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Sperre aufgehoben

Wer in der Türkei das Internet nutzen möchte, muss sich daran gewöhnen, dass bestimmte Webseiten gesperrt sind. Nun ist die türkische Regierung den Nutzern einen Schritt entgegengekommen: Sie hat die Sperre für Youtube wieder aufgehoben.

Von Steffen Wurzel |
    Eintippen, aufrufen, und es klappt. Für deutsche Internetnutzer eine Selbstverständlichkeit, für türkische Nutzer ein ganz neues Gefühl. Fast zweieinhalb Jahre lang war die beliebteste Video-Webseite der Welt in der Türkei gesperrt, seit dem Wochenende ist sie wieder erreichbar.

    "Das freut mich! Man konnte Youtube zwar mit ein paar Tricks trotzdem aufrufen, aber jetzt geht es halt wieder ganz legal und ohne irgendwelche Konfigurationstricks."

    Konfigurationstricks, damit meint diese Istanbulerin sogenannte Tunnel-Softwares oder Tunnel-Webseiten, mit denen man das Zensur-System der türkischen Behörden mit ein bisschen Computerwissen umgehen konnte. Trotz Sperre kamen die meisten türkischen Internetnutzer über Umwege relativ einfach auf Youtube, ein offenes Geheimnis.

    Der Image-Schaden für die Türkei, den die Behörden des Landes durch die Sperrung verursacht haben, war aber umso größer. So hatte die Organisation "Reporter ohne Grenzen" die Türkei zweieinhalb Jahre lang auf dem Index der "Internet-Feind-Staaten", in einer Reihe mit Eritrea und Weißrussland. Jetzt, nach Ende des Youtube-Banns, ist dieser Vermerk auf der "Reporter ohne Grenzen"-Webseite gelöscht. Der Hauptgrund für die Youtube-Sperre in der Türkei waren Videos, auf denen sich über Staatsgründer Atatürk lustig gemacht wurde.

    Ein klischeeartig schwul anmutender Zeichentrick-Atatürk mit rosa Perücke: Bei so einem und ähnlichen Videos hört bei den türkischen Behörden der Spaß auf. Die Verunglimpfung Atatürks ist in der Türkei eine Straftat und kann sogar mit einer Haftstrafe geahndet werden. Entsprechend sperrte die zuständige Behörde Youtube im Mai 2008 kurzerhand. Proteste von Internetnutzern, Bürgerrechtlern und internationalen Organisationen wie der OSZE blieben zwecklos. Erst in den vergangenen Wochen und Monaten kam wieder Bewegung in die Angelegenheit. Der türkische Staat beauftragte schließlich eine deutsche Firma, die beanstandeten Clips aus dem türkischen Youtube-Angebot löschen zu lassen. Der zuständige Minister, Binali Yıldırım:

    "Youtube hat die von der türkischen Justiz vorgegebenen Bedingungen erfüllt. Somit konnte die Sperre aufgehoben werden. Wir hoffen, dass Youtube sich künftig an die gesetzlichen Vorgaben der Türkei hält und keine strafbaren Inhalte mehr verbreitet, damit unsere Bürger das Internet wieder frei benutzen können."

    Vertreter von Bürgerrechtsorganisationen und Journalisten warnen allerdings bereits: Ein Grund zum Jubeln sei das Ende der Youtube-Sperre in der Türkei noch nicht. Schließlich seien für türkische Internetnutzer noch tausende weitere Internetseiten gesperrt. Kritiker machen dafür unter anderem das türkische Internet-Gesetz verantwortlich. Es erlaubt der türkischen Justiz, Internetseiten relativ einfach sperren zu lassen. Und auch der zuständige Minister Yıldırım betonte, die türkischen Gesetze müssten eingehalten werden. Wenn die Gesetze des Landes auf irgendeine Art und Weise gebrochen würden, sei eine neue Sperre von youtube möglich.