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Spezialdemokratie beim DFB

Wolfgang Niersbach ist jetzt offiziell Präsident des Deutschen Fußball Bundes. Mit nur einer Enthaltung, seiner eigenen, wurde er einstimmig als Nachfolger von Theo Zwanziger ins Amt gewählt. Alles andere hätte auch verwundert, denn einen Gegenkadidaten gab es nicht.

Von Jens Weinreich | 04.03.2012
    Es gab also auf dem DFB-Konvent hundertprozentige Zustimmung für den neuen Präsidenten Wolfgang Niersbach. Bravo! Um derlei "Wahl"-Ergebnisse zu basteln, mussten einst Erich Honecker und Kim Il Sung gehörig kämpfen. Im Sport aber, dieser unvergleichlichen Spezialdemokratie, sind derartige Resultate an der Tagesordnung. Und das ist, ganz grundsätzlich, alarmierend.

    In der Parallelgesellschaft DFB wusste man nicht mal souverän mit der Schein-Kandidatur des Berliner Journalisten Andreas Rüttenauer umzugehen. Auch wenn Rüttenauers Offerte mäßig originell gewesen ist, so hat er doch erneut die fürchterlichen Demokratiedefizite des angeblich mitgliederstärksten Einzelsportverbands der Welt bloß gestellt. Nein, die Entwicklungen im DFB bis hin zur Krönung des neuen Präsidenten, haben absolut nichts mit "moderner Sportpolitik" oder moderner Unternehmensführung zu tun. Hier offenbart sich vielmehr ein Demokratieverständnis aus dem dem alten Jahrtausend. Mit einer Idee wie ´Liquid Democracy` darf man den Fußballern nicht kommen.

    Es ist keine neue Erkenntnis: Der herkömmliche olympische Verbandssport steht geistig und strukturell der Diktatur näher. Diese Verbände halten sich Dank ihrer ebenfalls im vergangenen Jahrtausend geprägten Monopolstellung über Wasser – und spielen Doppelpass mit Politikern jedweder Couleur. All das hilft, den Status Quo zu erhalten. Es gibt weder wirksame Kontrollmechanismen noch Gewaltenteilung. Der DFB beispielsweise, politisch traditionell auf CDU-Kurs, leistet sich sogar ein grünes Maskottchen: Claudia Roth, die sich akut lächerlich macht und ahnungslos in diesem Metier herumstümpert.

    Der Deutsche Fußball-Bund wird nun also vom ehemaligen Journalisten Wolfgang Niersbach geführt. Und darin liegt eine gewisse Logik. Denn die Aushängeschilder des DFB sind Produkte der Unterhaltungsindustrie. In dieser Branche ist der Übergang vom Journalisten zum PR-Schaffenden und Verkäufer eines so genannten Premium Produktes fließend. Da schaut man nicht so genau hin. Da will man es gar nicht genau wissen. Da will man Fan sein und sich begeistern.

    Viele der langjährigen Fußballberichterstatter sind mit Niersbach per Du. Das hat es in dieser Form in einem wichtigen Sportverband noch nicht gegeben. So finden sich in der Berichterstattung vor der Krönungsmesse in Frankfurt kaum wirklich kritische Töne. Da wird nur pflichtschuldig vermeldet, dass der Neue kein Wahlprogramm hat und sich vor seiner Inthronisierung auch nicht erklären mag. Ansonsten wird er als "gut vernetzt" und als "rheinische Frohnatur" landauf, landab gelobt. Es regiert fröhliche Kumpanei. Hintergründiges und Zwischentöne sind selten.

    Nach der Machtergreifung verkommen viele Journalisten zu Stichwortgebern für den neuen DFB-Boss. Eine Flut von so genannten Interviews überschwemmt das Land an diesem Wochenende. Mit Journalismus hat das im Grunde nichts zu tun, denn da wird weder recherchiert noch wirklich nachgefragt – man lässt den ach so netten Wolfgang, den meisterlichen Opportunisten und Duzbruder, den knallharten Interessenvertreter des Fußballbusiness, einfach daher plappern. Man hat ihm in den vergangenen Wochen den Weg bereitet und steht seinem persönlichen Wohl aufgeschlossen gegenüber. Na klar, soll Niersbach auch als DFB-Präsident so gut wie als Generalsekretär verdienen. Das ist sich die Journaille einig.

    Doch, darüber hinaus: Einigkeit in Denken und Handeln ist gewiss kein gutes Zeichen – sondern Grund zur Besorgnis.