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Spezialklinik
Mit Schulabschluss gegen die Sucht

Die Designerdroge Crystal ist mehr und mehr auf dem Vormarsch. Auch viele Jugendliche sind Opfer der Droge. Eine Entzugsklinik im Erzgebirge geht deshalb neue Wege - und bietet berufliche Qualifikation und Schulausbildung an.

Von Grit Krause | 13.03.2014
    Die alte Flugschule in Großrückerswalde südlich von Chemnitz ist ein idyllischer Ort. Auf einem Hügel über dem Ort gelegen kann man bis zum Fichtelberg und zum Keilberg sehen, den beiden höchsten Erhebungen des Erzgebirges. Ausgebildet werden hier allerdings keine Segelflieger mehr, sondern junge Männer und Frauen, die von der Droge Crystal wegkommen wollen.
    "Hier sind so Schreinerei-Zimmermanns-Geschichten, hier werden diese Ausbildungsmodule gemacht, zum Beispiel Dachkonstruktionen im Bereich Zimmermann."
    Uwe Wicha, Geschäftsführer und Klinikgründer, führt auf einem Rundgang durch die verschiedenen Bereiche, in denen seine Patienten während der sechsmonatigen Therapie arbeiten. So gehören zur Klinik eine komplett eingerichtete Schreinerei und sogar ein Bauernhof.
    "Bei jedem Arbeitsbereich gibt es einen Mitarbeiter, der Arbeitstherapeut ist und den Beruf erlernt hat. Und dem sind dann immer die entsprechenden Klienten zugeordnet, die dann angelernt und angeleitet werden."
    Auch in der hauseigenen Großküche werden einige der 60 Patienten ausgebildet. In drei Modulen erfahren sie alles über Garverfahren, Salatzubereitung und wie ein professionelles Buffet angerichtet wird.
    "Das ist halt mein Bereich ..."
    Dieser Patient, der anonym bleiben möchte, hat 2013 im Oktober nach dem Entzug und der Entgiftung seines Körpers mit der Therapie hier begonnen. Seitdem habe er keinen Suchtdruck mehr verspürt. Endlich, nach einer Jahrzehnte langen Drogenkarriere, die in den letzten elf Jahren von Crystal bestimmt war. Dabei hilft ihm auch sein Job in der Küche, erzählt der 37-Jährige.
    "Weil ich dadurch unheimlich schnell wieder ein Gefühl von Struktur kriege. Und für mich ist es eine Motivation zu sehen, dass ich selber was schaffen kann. Und das gibt natürlich auch ein unheimliches Gefühl von Selbstsicherheit."
    Koch, Landwirt oder Zimmermann
    Durch die Arbeit sollen aber nicht nur Therapieziele erreicht, sondern gleichzeitig auch berufliche Perspektiven eröffnet werden. Während ihrer Zeit in der Klinik können die Patienten deshalb Teilabschlüsse erwerben, und zwar in den Berufen Koch, Landwirt, Zimmermann, Tischler und Holzspielzeugmacher.
    "Durch den Qualifizierungsbaustein, der ja dann auch entsprechend dokumentiert wird mit einem Zeugnis von einem Berufsbildungswerk, kann jemand dann, selbst wenn er in eine ganz andere Richtung geht, seinem künftigen Arbeitgeber und Ausbilder dokumentieren: Ich bin ausbildungsfähig."
    Seit einigen Jahren gibt es neben der beruflichen Qualifizierung aber auch die Möglichkeit, einen Schulabschluss zu machen. Uwe Wicha und seine Mitstreiter reagierten damit auf das sinkende Einstiegsalter bei den Crystal-Konsumenten.
    "Man konnte beobachten, dass immer mehr Menschen ohne Schulabschluss zu uns kommen, dass wir von Zwölf-, 13-Jährigen wissen, dass sie dann mit Nikotin und Alkohol erste Erfahrungen gemacht haben. Dann geht es über in den illegalen Bereich mit Cannabis und relativ schnell zu einer Droge wie Crystal, die es dann aber unmöglich macht, an Dingen wie Schule teilzunehmen."
    "Na dann: Herzlich willkommen im Zimmer 105!"
    14 - so alt war dieser junge Mann, als er zum ersten Mal Crystal genommen hat. Der 22-Jährige geht hier in die klinikeigene Schule und will, wenn er im Juli die Therapie hoffentlich erfolgreich beendet hat, seinen Realschulabschluss in der Tasche haben.
    "Weil ich schon einmal probiert habe, nachzuholen in der Abendschule. Ich hatte ja damals auch 10. Klasse gemacht, aber bloß Abgangszeugnis gekriegt. Und das wurmt mich und deswegen sage ich mir: Ich bin nicht blöd, ich war bloß faul in der Schule und habe mich halt gehen lassen durch die Drogen und will unbedingt auch meinen Abschluss erreichen."
    "Mit der Qualifizierung, die wir anbieten, können wir da so einen Punkt setzen, dass Menschen sagen. Dafür lohnt es sich. Und das macht eine hohe Motivation aus und führt dazu, dass bei uns weniger Menschen die Behandlung vorzeitig beenden als das früher war."
    Etwa 70 Prozent, schätzt Uwe Wicha, halten die sechs Therapiemonate durch und für die steigen letztlich die Chancen auf einen erfolgreichen Neustart ohne Drogen.