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Spezialpapier gegen Elektrosmog

Technik. - Mobiltelefon und Computer, Wireless Lan, Bluetooth - immer mehr Geräte kommunizieren schnurlos. Doch damit nimmt auch die Strahlbelastung durch so genannten Elektrosmog stetig zu. Schutz davor könnte in Form einer Tapete aus Spezialpapier kommen.

Von Hartmut Schade | 18.09.2006
    Vielleicht brauchte es einen Mann wie Bernd Halbedel, einen Grenzüberschreiter, einen Elektrotechniker in der Glasforschung, um auf diese Idee zu kommen: Eine Tapete, die vor Elektrosmog schützen soll:

    "Das Papier soll eine ganz besondere Eigenschaft bekommen durch Spezialpigmente, die die elektromagnetische Strahlung absorbieren können."

    Diese Pigmente sind nanometerwinzige Teilchen aus Bariumhexaferrit. Ein dunkles, hartes, magnetisches Material, dass die Techniker gern für magnetische Antriebe verwenden. Nun könnte man einfach einen solchen Magneten nehmen, fein zermahlen und auf Papier kleistern. Doch diesem simplen Weg widersetzt sich Bariumhexaferrit. Es ist ein so genannter Hartmagnet mit einem Magnetfeld, das auf Einflüsse von außen nicht reagiert. Damit es elektromagnetische Strahlung schluckt, muss Bernd Halbedel das Bariumhexaferrit verändern. Und deshalb arbeitet der Elektrotechniker im Fachbereich Glas- und Keramiktechnologie der Technischen Universität Ilmenau. Sein Bariumhexaferrit wird ähnlich wie Glas hergestellt. Zunächst werden aus einer Mischung von Eisen- und Boroxid sowie Bariumkarbonat so genannte Glas-Flakes geschmolzen. Diese Flakes ähneln in Größe und Form verbrannten Kornflakes.

    "Die Flakes werden noch mal auf 800 Grad Celsius erwärmt, daraufhin entstehen in den Glas-Flakes Bariumhexaferrit-Kristalle..."

    ...sagt Halbedels Mitarbeiter Diplomingenieur Stefan Belau. Die rot-braunen bienenwabenförmigen Kristalle sind ganze 300 Nanometer groß, und jedes Kristall ist ein winziger Magnet mit einem nun leicht veränderbaren Magnetfeld.

    "So dass sie auf das kleine elektromagnetische Feld, was von außen einkommt, reagieren können. Sie rotieren und diese Rotation braucht Energie. Und diese Energie entnehmen sie dem äußeren Feld und das wird als Dämpfung wirksam."

    Immerhin zwischen 90 und 99,9 Prozent aller Strahlen könnten die wirbelnden Magnetfelder der Bariumhexaferritkristalle schlucken. Metallische Abschirmungen schaffen zwar 100 Prozent, arbeiten aber anders.

    "Die bekannten Materialien, die reflektieren die elektromagnetische Welle, dass heißt hinter der Wand, wo die metallische Schicht ist, ist keine Strahlung mehr, aber vor der Wand ist noch ein erheblicher Anteil, der sich sogar überlagern kann, so genannte Interferenzen bilden, zu zusätzlichen Störung der Geräte führen kann."

    Halbedels Bariumhexaferrit-Kristalle hingegen absorbieren, schlucken also die Strahlung und wandeln sie in Wärme.

    "Da die Energie relativ klein ist, braucht man keine Sorge zu haben, dass wir damit Raumheizung betreiben, nur Milliwatt pro Quadratmeter, sind keine messbaren Temperaturerhöhungen."

    Zum Glück für Bernd Halbedel. Sonst wäre sein Traum von der Elektrosmogtapete an dieser Stelle beendet. Einer Tapete, die den Strom nicht leitet, die die Magnetfelder von Handy oder Blue-Tooth Geräten absorbiert.

    "Wenn man den Raum damit auskleidet, wird man auf jeden Fall weniger elektromagnetische Strahlung haben. Und solche Tendenzen gibt ganz besonders im ökologischen Hausbau. Wir haben in diesem Projekt Partner, die an diesen Tapeten und sogar Baumaterialien, wo die Partikel auch reinkommen können. Wir können uns vorstellen, Wärmedämmstoffe oder Dachpappe oder überhaupt Pappenmaterialien. Das sind aber die nächsten Schritte. Unser erstes Ziel ist aber wirklich, dass wir eine Tapete entwickeln. "

    Wer sein Arbeitszimmer oder Büro damit tapeziert, hätte die mobilen Verbindungen nach außen gekappt. Aber für Kinder-, Schlaf oder Wohnzimmer dürfte ein solcher papierner Schutzschild willkommen sein.