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"Spiegel" und WDR
Der Streit um einen gelöschten Bericht

Heikle Äußerungen eines Ministerpräsidenten, ein gelöschter Beitrag und Zensur-Vorwürfe - das Magazin der "Spiegel" kritisiert den Umgang des WDR mit einem Hörfunkbeitrag. Der wiederum wirft dem "Spiegel" eine "falsche Berichterstattung" vor. Was ist dran an der gegenseitigen Kritik?

Michael Borgers im Gespräch mit Bettina Köster |
Armin Laschet (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, steht am 05.09.2018 vor mehreren WDR-Mikrofonen und winkt in die Kamera
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet komme "auffallend oft gut weg im WDR", heißt es im "Spiegel" (dpa / picture alliance / Rolf Vennenbernd)
Ein Jahr nach den "Umweltsau"-Debatte macht der Westdeutsche Rundfunk auch 2021 wieder Negativ-Schlagzeilen: Gestrichene Literaturkritik, eine entgleiste Rassismus-Debatte in der Talkshow "Die letzte Instanz" und nun Zensurvorwürfe nach einem kritischen "Spiegel"-Bericht: Der WDR soll einen heiklen Hörfunkbeitrag über Armin Laschet gelöscht haben. Der Sender dementiert die neueste Kritik und spricht von "falscher Berichterstattung" des "Spiegel".

Wie lautet die Kritik am WDR?

In seiner aktuellen Ausgabe (6/2021) kritisiert der "Spiegel" den Umgang mit einem WDR-Hörfunkbeitrag. Es geht um Berichterstattung rund um die Räumung des Hambacher Forsts 2018. Im September 2019 war einem WDR-Redakteur ein Video zugespielt worden, in dem NRW-Ministerpräsident Armin Laschet zu hören ist: Er habe 2018 einen "Vorwand" – und zwar Brandschutz-Vorschriften - für die umstrittene Räumung des von Aktivisten besetzten Waldes gebraucht.
Das Bild ist von unten aufgenommen: Man sieht durch die Blätter den Kopf einer schreienden Umweltaktivistin und eines Polizisten mit Helm.
Räumung des Hambacher Forstes - Das Baumhaus-Dorf muss weichen
Ein Waldstück ist zum Symbol für den Kampf gegen den Klimawandel geworden. Derzeit holen Polizisten und Höhenretter Aktivisten aus den Baumhäusern im Hambacher Forst bei Köln. Doch der allergrößte Teil des Waldes wurde längst für den Garzweiler-Tagebau gerodet.
Der Bericht des WDR-Redakteurs darüber habe erst mehr als zwei Stunden in der ARD-Mediathek gestanden, sei dann aber gelöscht worden, so der "Spiegel". Dies war zuvor schon Hörerinnen und Hörern aufgefallen und gegenüber dem WDR kritisiert worden.
Der "Spiegel" wirft die Frage auf, ob der WDR den besagten Beitrag vor allem aus Rücksicht auf die Landesregierung zurückgezogen hat. Armin Laschet komme "auffallend oft gut weg im WDR", heißt es im Nachrichtenmagazin. So dürfe der Ministerpräsident etwa im "Tatort" auftreten, und Interviews mit ihm würden sehr unkritisch geführt.
In sozialen Netzwerken, vor allem auf Twitter, machte die Meldung nach dem "Spiegel"-Bericht Anfang Februar 2021 schnell die Runde: Einige Nutzerinnen und Nutzer warfen dem WDR Zensur vor.

Wie hat der WDR den Schritt begründet?

Der WDR hatte 2019 erklärt, es sei aus "rechtlichen Gründen" nicht möglich, den "Gesamtkontext der Situation zu zeigen, in der die Aussage aufgenommen wurde", also Laschtes Aussage über den "Vorwand" in dem zugespielten Video.
Im WDR-Politmagazin "Westpol" war im September 2019 bereits über das Video berichtet worden, Ausschnitte aber waren nicht gezeigt worden.
Die Argumentation von 2019 wiederholte der WDR auch jetzt, kurz nach Veröffentlichung des "Spiegel"-Artikels. In einer Pressemitteilung heißt es: "Wenn man sich entscheidet, solches Material zu verwenden, braucht man einen triftigen Grund und den hatten wir nicht." Das besagte Video habe schon lange im Netz zirkuliert und die angebliche Kernaussage Laschets - "Ich brauche einen Vorwand" – habe damals schon keinen Nachrichtenwert mehr gehabt.
Bei Twitter äußerte sich auch der Leiter des Programmbereich Aktuelles im WDR, Stefan Brandenburg, wie es überhaupt zu der Situation hat kommen können: Demnach habe sich die Fachredaktion Landespolitik im WDR nach tagelanger Diskussion mit dem Redakteur und Autor gegen den Beitrag entschieden. Daraufhin hatte der Autor das Thema anderen Redaktionen des Senders angeboten, ohne dort die vorangegangene Debatte und die Bedenken der Fachredaktion anzusprechen. Online sei dann kurze Zeit ein Kollegengespräch abrufbar gewesen.

Was bleibt jetzt am Ende von den Vorwürfen übrig?

Inhaltlich bleibt nicht allzu viel von den Vorwürfen, so die Einschätzung von @mediasres-Reporter Michael Borgers. Der WDR habe grundsätzlich sehr früh kritisch über das ganze Thema berichtet, der Vorwurf einer Zensur greife deshalb nicht wirklich.
Über die journalistische Entscheidung, Aussagen aus dem Video nicht zu verwenden, lasse sich sicherlich streiten; denn selbst ein WDR-Justiziar habe hier keine Probleme gesehen. Diesen Aspekt hatte auch "Spiegel"-Autorin Annika Joeres betont.
Diesen Teil des "Spiegel"-Artikels hat WDR-Aktuelles-Chef Stefan Brandeburg gegenüber @mediasres bestätigt. Nicht näher eingehen wollte er, auch weil er nicht mehr zuständig ist, auf die Rolle des Redakteurs und Autors des Berichts.
Insgesamt bleibe am Ende aber ein "Spiegel"-Artikel, der zwar weitgehend Wahres berichtet, bei man sich aber frage, so Borgers, ob die skandalisierende Art und Weise der Berichterstattung nötig gewesen sei.