Dienstag, 23. April 2024

Archiv

NRW-Innenminister zu Räumungen im Hambacher Forst
"Ich habe nicht zu entscheiden, wollen wir Braunkohle oder nicht"

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hat die Baumhaus-Räumungen im Hambacher Forst verteidigt. Im Dlf sagte er, sein Auftrag sei es, Recht und Gesetz durchzusetzen. Selbst wenn man heute aus der Kohle aussteigen würde, würde der Hambacher Forst nicht stehen bleiben.

Herbert Reul im Gespräch mit Jasper Barenberg | 14.09.2018
    Herbert Reul (CDU), Innenminister von Nordrhein-Westfalen
    Mehrer Baumhäuser der Waldbesetzer im Hambacher Forst wurden am Montag (13.09.2018) geräumt. (dpa / Rolf Vennenbernd)
    Jasper Barenberg: Allzu viel ist vom Hambacher Forst nicht mehr übrig. Von gut 4000 Hektar Wald hat der Energiekonzern RWE in den vergangenen Jahren schon 3900 für den Tagebau roden lassen. Der Streit aber um die wenigen Bäume, die noch stehen, der hat es in sich. Seit Jahren haben sich dort Umweltaktivisten eingerichtet, Seite an Seite mit protestierenden Anwohnern. Sie wollen verhindern, was Gerichte dem Energieunternehmen zugestehen, dass RWE als Eigentümer weitere 100 Hektar Wald roden kann, um den Tagebau dort zu vergrößern. Mit Hilfe eines Großaufgebotes der Polizei haben die Behörden jetzt begonnen, die ersten von etwa 50 bis 60 Baumhäusern zu räumen. Damit wächst zugleich aber auch die Sorge, dass es im Hambacher Wald in den nächsten Tagen und Wochen zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, zu Ausschreitungen kommen könnte. – Am Telefon ist Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul. Schönen guten Morgen.
    Herbert Reul: Schönen guten Morgen, Herr Barenberg.
    Barenberg: Herr Reul, Strom aus Kohle ist schädlich für das Klima. Das wissen wir alle. Gerade deshalb wollen ja die Menschen im Hambacher Forst den Rest eines sehr alten Waldstücks schützen. Ist Ihnen dieses Anliegen sympathisch?
    Reul: Es geht gar nicht darum, ob mir etwas sympathisch oder unsympathisch ist. Es geht auch nicht um die Frage, ob das überhaupt berechtigt ist, wenn man jetzt zum Beispiel abbrechen würde, ob dann der Hambacher Forst stehen bleiben würde, sondern es geht für mich nur um die Frage, dass da Rechtsstaat – und das ist mein Auftrag -, ich habe dafür zu sorgen, dass der Rechtsstaat funktioniert, dass Recht und Gesetz eingehalten wird. Ich habe von den Menschen den Auftrag bekommen als Innenminister. Die haben übrigens mit großer Zustimmung immer reagiert, wenn ich bei Kurden-Demonstrationen eingreifen lasse, wenn ich die Clan-Kriminalität konsequent verfolge. Weniger schön ist es dann, wenn man auch in den kleinen Dingen hart ist, wenn falsch geparkt wird. Aber sie erwarten von mir, wenn Menschen mit dem Hitler-Gruß durch die Stadt rennen, dass die Polizei eingreift. Und jetzt sind da Menschen, die haben auf fremdem Gelände schwarz gebaut, beachten keine Bauvorschrift, keine Brandvorschrift, wehren sich auch noch, sind kriminell, greifen auch noch Polizisten an, werden straffällig. Und da soll ich jetzt nichts unternehmen? Ich verstehe das überhaupt nicht, muss ich ehrlich sagen. Das ist doch das Normalste auf der Welt, dass jeder Bürger von Polizei erwartet, dass sie für Recht und Ordnung sorgen.
    "Mir geht es um die Kriminellen, die im Wald sind"
    Barenberg: Kritiker weisen ja immerhin darauf hin, dass Sie jahrelang die Proteste geduldet haben, dass die Besetzer der Bäume dort geduldet wurden im Wald, auch den letzten heißen Sommer über, und jetzt kommen Sie dorthin und bringen Baurecht und Brandschutzverordnung als Begründung für die Räumung in Anschlag, und finden das nicht politisch besonders überzeugend. Sie schon?
    Reul: Ich meine, dass das Menschen unterschiedlich bewerten, kann ich nachvollziehen. Nur ich habe ja nicht den Auftrag zu entscheiden, wollen wir Braunkohle oder nicht. Das haben Gerichte entschieden. Und dann ist irgendwann entschieden und dann habe ich mich danach zu richten, dass Recht und Gesetz eingehalten wird, und dann gilt für diejenigen, die da in dem Wald sind - - Übrigens: Mir geht es ja gar nicht um diejenigen, die da als Aktivisten sich um ein Anliegen kümmern, sondern mir geht es um die Kriminellen, die im Wald sind, die die Gewalttäter sind, die Straftäter, die andere Menschen angreifen, die Unsicherheit verbreiten. Da kann ich Ihnen sagen, da gibt es überhaupt keine Alternative, als dafür zu sorgen, dass der Staat auch an der Stelle steht. Wenn die Gerichte entscheiden, dass das nicht so sein soll, dann werden wir die Arbeit auch sofort einstellen. Das ist doch klar!
    "Gerichte entscheiden"
    Barenberg: Warum ist es der Landesregierung denn nicht gelungen, diesen lange schon schwelenden Konflikt schon vorher zu entschärfen, bis es zu diesen Szenen kam?
    Reul: Das ist eine gute Frage. Aber ich muss Ihnen leider sagen, dass wir erst seit einem Jahr an der Regierung sind, und wir haben ja am Anfang auch versucht, gar kein großes Aufheben oder keinen großen Druck zu machen, sondern wir haben es ein Stück sich entwickeln lassen. Vielleicht bin ich ein schlichtes Gemüt, aber ich bin davon ausgegangen, wenn Gerichte entschieden haben, dass es dann gut ist und dass man dann irgendwann auch sagt: Ob es mir passt oder nicht, so ist das im Leben. Gerichte entscheiden am Schluss und dann wird auch so gehandelt.
    Dann haben wir gemerkt, dass immer mehr kriminelles Personal auch vom Ausland übrigens in diesen Wald einsickert. Wir haben gemerkt, dass da Aktionen vorbereitet werden. Wir haben Waffen gefunden. Und dann haben wir gesagt, jetzt ist Gefahr im Verzuge, und das ist der Hintergrund.
    Barenberg: Was Recht ist, ist auch immer politisch klug und richtig?
    Reul: Zumindest habe ich nicht das Recht zu entscheiden – Sie erinnern sich vielleicht an Debatten, die wir schon mal hinter uns hatten. Keiner hat das Recht zu entscheiden, ob die Richter richtig oder falsch entschieden haben, und zu sagen, das machen wir jetzt einfach nicht. Wenn bei mir zuhause hier in der Nähe jemand einen Schwarzbau baut oder eine Garage einen Zentimeter über die Grenze zieht, dann wird die abgerissen, und ich finde: gleiches Recht für alle in Deutschland.
    "Das ist nicht mein Job"
    Barenberg: Nun ist die Situation im Hambacher Forst ja insofern ein wenig anders, als dort viel mehr im Moment verhandelt wird und der Konflikt um viel mehr sich dreht als um die alten Bäume dort. In Berlin, Sie wissen das, will die sogenannte Kohlekommission bis Jahresende Vorschläge für einen Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohleverstromung vornehmen. Also haben die Aktivisten dort die Bitte geäußert oder den Vorschlag gemacht oder die Forderung gestellt, zumindest bis dahin den Hambacher Forst stehen zu lassen. Was ist daran eigentlich unvernünftig oder nicht fair?
    Reul: Das ist erst mal ein interessanter Gedanke. Deshalb hat ja auch, wenn Sie sich erinnern, RWE zugestimmt, und zwar beim Gericht, zwei Wochen später erst starten zu wollen. Dann ist auch verhandelt worden zwischen den beiden – das ist jetzt nicht mein Job, aber zwischen RWE und den Umweltverbänden – und man hat versucht, einen Kompromiss zu finden. Der ist am Ende gescheitert nach meinem Kenntnisstand, weil Umweltverbände überhaupt nicht kompromissfähig waren.
    "Die Umweltverbände waren nicht kompromissbereit"
    Barenberg: Aber was spricht denn dagegen, zu warten bis zum Jahresende? Weil dann will die Kommission ja die Vorschläge auf den Tisch legen und dann bietet sich möglicherweise ein anderes Bild als heute.
    Reul: Das ist leider, muss ich jetzt sagen, nicht meine Kompetenz, dafür irgendwo Entscheidungen herbeizuführen. Ich weiß nur, dass RWE und die Umweltverbände verhandelt haben, genau über diese Frage, und das ist daran gescheitert, dass die Umweltverbände nicht bereit waren, auf einen Kompromiss einzugehen. Dann muss man ja mindestens verstehen, dass man sagt: Wir warten, nehmen wir mal den Fall, bis Ende des Jahres. Aber wenn am Ende des Jahres nichts entschieden ist bei Kohle, oder es ist was entschieden, dann ist sowieso alles entschieden, dann muss man doch bereit sein und dann akzeptieren wir Recht und Gesetz. Aber dazu sind ja die Umweltverbände nicht bereit und dann ändert sich die Lage nicht. Verstehen Sie? Dann haben wir die Lage, die wir jetzt haben, in zwei Monaten, in drei Monaten, in vier Monaten immer identisch. Übrigens vor einem Jahr ist ja schon mal diese Entscheidung verschoben worden, und es hat sich nichts daran geändert. Diejenigen, die die Gerichtsprozesse verloren haben, sind nach wie vor der Meinung, sie könnten sich sogar mit Gewalt dagegen wehren, und das darf der Staat nicht zulassen. Ich bedauere wirklich, wie sich das entwickelt, aber die Verantwortung tragen diejenigen, die als Straftäter da im Wald herumlaufen.
    "Der Hambacher Forst würde nicht stehen bleiben"
    Barenberg: Und vielleicht ja auch Ihr Ministerpräsident, denn Armin Laschet hat ja ausdrücklich ausgeschlossen, dass die Landesregierung jetzt noch mal zwischen den Interessen der Industrie und denen der Umweltschützer vermitteln will. Gehen Sie sehenden Auges quasi in eine dann doch möglicherweise gewaltsame Auseinandersetzung in den nächsten Wochen?
    Reul: Nein! Sehenden Auges insofern, dass wir sehen, welche Probleme anstehen, und deswegen gehen wir ja auch sehr behutsam vor und Stück für Stück vor. Armin Laschet hat überhaupt nicht sich dagegen gewehrt, dass man einen Kompromiss findet. Nur: Die Politik kann das nicht. Das müssen die Beteiligten machen. Diejenigen, die sich da auskennen, wissen, dass da wirklich in den letzten Tagen und Wochen intensivst gesprochen worden ist und man einen Kompromiss nicht erreicht hat. RWE hat die zwei Wochen zugegeben und alles andere war dann nicht erreichbar.
    In der Sache ist es übrigens auch komplizierter, aber da mögen andere sich ein Urteil drüber bilden. Selbst wenn man heute aus der Kohle aussteigen würde, würde der Hambacher Forst – das weiß jeder, der sich auskennt – nicht stehen bleiben.
    Barenberg: Manchmal geht es ja auch um Symbole, Herr Reul. Das wissen Sie. Der Bundeswirtschaftsminister, Peter Altmaier, der hat nun gesagt, er würde für eine einvernehmliche Lösung sich aussprechen. Wie könnte die denn jetzt in dieser verfahrenen Situation noch aussehen?
    Reul: Kann ich Ihnen nicht sagen. Ich weiß, dass solche einvernehmlichen Lösungen ja gesucht worden sind und gescheitert sind, weil Verbände nicht bereit waren, auf einen Kompromiss einzugehen.
    "Notfalls aus dem Verkehr ziehen"
    Barenberg: Ihnen sind da auch die Ideen jetzt ausgegangen?
    Reul: Mir gehen nie die Ideen aus. Nur man muss sich immer auf die Aufgabe konzentrieren, für die man zuständig ist. Und jetzt ist es so, dass Gefahr im Verzug ist, dass die Städte und Gemeinden, die Kreise da unten handeln müssen, und meine Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass die sicher ihre Aufgabe wahrnehmen können, und dass diejenigen, die sich an Recht und Gesetz nicht halten, auch notfalls aus dem Verkehr gezogen werden.
    Ich wäre froh, ich wäre wirklich froh, wenn alle diejenigen, die sich um die Bäume kümmern und die nichts mit den Kriminellen zu tun haben wollen, sich auch ein bisschen besser davon unterscheiden oder absetzen würden.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews nicht zu eigen.