Für viele ist er die Inkarnation jüdischer Musik. Jüdische Musik? Was macht Musik mit ihrem universalen Anspruch zu jüdischer Musik? Warum haben deutsche Juden ausgerechnet dieses angeblich so typische "Sehnen und Stöhnen, Jauchzen und Jubeln" der Klezmer verabscheut? Was setzten sie dagegen? Was verstehen Juden unter jüdischer Musik? Existiert sie überhaupt? Und wie sieht sich Feidman selbst?
Irritationen und Widersprüche, aber sicher auch manch neue Erkenntnis, dürften nicht ausbleiben, wenn die Lange Nacht dem Phänomen Feidman nachgeht. Im Dialog mit Feidman selbst, in Kurzreportagen, im Gespräch mit seinen Kritikern und mit kundigen Studiogästen wird der Künstler Feidman vorgestellt, sein Werdegang geschildert, dem besonderen seines "Singens" (so Feidman über sein Spiel) nachgespürt. Und es gilt den Menschen Feidman zu entdecken, der in der dritten Generation Klezmer ist - in Argentinien geboren wurde, in Israel zu Hause ist und die meiste Zeit des Jahres in Deutschland lebt, wo er vor meist ausverkauften Häusern spielt.
Homepage von Giora Feidman
"Musik die aus der Seele kommt. Mit dem Zittern seiner Lippen drückt er die schönsten Melodien durch das Holz. Mit einem einzigen Atemzug lässt er unzählige Melodien erklingen." (FAZ)
Ein lebendiges Stück Musikgeschichte - zu Beginn des neuen Jahrzehnts. 40 Jahre nachdem Giora Feidman mit seiner Klarinette erstmals in die Welt hinauszog, erscheint dieses Attribut nicht übertrieben.
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Giora Feidman
Klezmer Celebration, 1 Audio-CD
CD
56 Min.. Beil.: Booklet (8 S.)
2010 Pianissimo
Giora Feidman
Du gehst, du sprichst, du singst, du tanzt
Erinnerungen.
2011 Pattloch
Geboren in Buenos Aires als Sohn eines Musikers, in den fünfziger Jahren nach Israel ausgewandert und seit vielen Jahren in der Welt zu Hause Giora Feidman ist ein Grenzgänger, vor allem in der Musik. Er hat mit Benny Goodman Jazz und mit Astor Piazzolla Tango gespielt; er ist in der Musik George Gershwins ebenso heimisch wie in der Wiener Klassik eines Mozart oder Schubert. Zur Legende geworden ist er allerdings als Interpret der traditionellen jüdischen Musik, des Klezmer.
In alldem wird deutlich: Giora Feidman ist mehr als ein Musiker er ist ein Botschafter der Versöhnung und des Friedens zwischen den Völkern und Religionen. Das beweist auch das hohe Ansehen, das er in Deutschland genießt. Er ist in den deutschen Konzertsälen ein ebenso regelmäßiger Gast wie auf den Kirchentagen, und vielen Menschen ist er unvergesslich als der Klarinettist, der den Erfolgsfilmen Schindlers Liste, Jenseits der Stille und Comedian Harmonists eine musikalische Stimme gab.
Zu Andor Iszak, dem Direktor des Europäischen Zentrums für Jüdische Musik in Hannover und der Arbeit des Instituts existiert eine aufschlussreiche Website:
Hochschule für Musik und Theater Hannover - Europäisches Zentrum für Jüdische Musik
Zu Jascha Nemtsov, seiner Arbeit und dem Thema der Neuen Jüdischen Schule in der Musik, wie sie im zaristischen Russland entstanden ist und sich bis zur Zerschlagung in der Zeit der Schoa entfaltet hat, existiert eine umfangreiche Website:
Jascha Nemtsov - Die Neue Jüdische Schule
Was heißt Klezmer?
Jascha Nemtsov: "Klezmer ist ein sehr alter Begriff: kli-zemer, ein Instrument für Melodie. Jüdische Volksmusikanten gab es schon im Mittelalter. Und die Klezmermusik ist stilistisch eine unglaubliche Mischung. Die Klezmermusiker waren unglaublich offen für alle möglichen Einflüsse. Das ist die Starke der Musik, dass sie nicht auf ein spezielles Repertoire beschränkt waren. Sie arbeiten genauso mit jüdischen Liedern und Tänzen, aber auch mit ukrainischen, ungarischen, südslawischen, moldawischen. Also es ist eine unglaubliche Mischung. Es ist ungerechtfertigt, Klezmer als Inbegriff der jüdischen Musik zu bezeichnen. Die haben einen oberflächlichen folkloristischen Touch, dass man sie gleich erkennt, dass man mit Klischees arbeiten kann. Dies Musik ist auch sehr gefällig. Und gerade die Tatsache, dass sie nicht speziell jüdisch ist, bedingt auch ihre Zugänglichkeit, ihre Gefälligkeit."
Beispiele aus der Sendung:
Der Klezmer weint, der Klezmer lacht? Ja und Nein. Zu einfach, zumindest, soweit es Giora Feidman betrifft. Sein Klezmer hat sich losgelöst, quasi verselbstständigt. Das wurde mir an einem sommerlichen Tag in Jerusalem deutlich. Giora nahm mich mit nach Mea Schearim, in das ultraorthodoxe Viertel von Jerusalem. Wobei "orthodox" nicht ganz zutreffend ist: Hier hat sich die Welt des Stedtels erhalten - quasi ein freiwilliges Getto im jüdischen Staat.
Giora Feidman: "Das ist eine Gesellschaft in einer Gesellschaft. Und die Regeln in beiden Gesellschaften haben die gleichen Wurzeln. Es gibt eine Tora, eine Bibel, ein Schophar, ein Widderhorn, und eine Fahne. Was Tora und Schophar betrifft, stimmen wir überein, aber in Bezug auf die Flagge haben wir ein Problem, sie haben ein Problem: Einerseits können sie Israel nicht ignorieren, andererseits ignorieren sie den Staat Israel, denn der Messias ist noch nicht gekommen. Das Problem der Orthodoxie in Israel geht sehr tief. Dabei ist Israel eine absolut liberale Gesellschaft. Mea Schearim ist nicht meine Welt. Ich respektiere sie. Ich kenne sie recht gut und sie empfangen mich überaus freundlich - ich kann in Mea Schearim ohne die vorgeschrieben Kopfbedeckung gehen, nicht aber ohne Klarinette. Das ist unser Verhältnis. In gewisser Weise trennt Religion die Menschen. Nicht aber die Musik."
Feidman - und die Religion
Giora Feidman: "Ich gebe während des Jahres - ich weiß nicht wie viele - Konzerte in Kirchen. Ich bewundere Jesus, den Propheten und Lehrer, und wenn ich eine Kirche betrete - ich sag es offen - fühle ich mich zu Hause - nicht weniger als in einer Synagoge. Und wenn ich mich an einer heiligen Stätte des Islam befinde, fühle ich mich zu Hause. Für mich ist der Tempel ein Heim, in dem ich mit mir selbst arbeiten kann. In jedem Tempel."
Giora Feidman antwortet seinen Kritikern: "Nun, wenn man auf die Bühne geht, ist man für Kritik offen. Bitte, sie bezahlen keine Steuer, aber sie kritisieren. Wenn ich etwas aus der Kritik lernen könnte, ja, ich lerne und ich könnte sagen: Vielen Dank, aber wenn sie eine Sache wie Musik nehmen um Menschen auseinander zu bringen - ja , ich kenne diese Kritiker, eine Gruppe von Menschen die irgendwie zu überleben versucht: Doch, erstens, jeder Mensch auf diesem Planeten ist ein Klezmer, ein Instrument des Gesangs, nur:
Wenn sie sagen: die Musik, der Klezmer, ist nur für Juden - dann ist Pizza nur für Italiener. Die Menschen, die mich kritisieren, weil ich in Deutschland spiele oder weil ich vor dem Papst gespielt habe, diese Menschen, fahren sie keinen Mercedes? Doch stopp hier. Musik ist heilig. Eine heilige Sprache, beschmutzt sie nicht mit Hass, mit Separation. Wir haben keine Alternative: Wir sind doch eine Familie. Keine Alternative. Keine andere Familie."
Musik im Tempel vor 3000 Jahren
Psalm 150
"Lobet Gott in seinem Heiligtum,
...
Lobet ihn mit dem Schall der Hörner,
lobet ihn mit Harfe und Zitter,
lobet ihn mit Pauken und Tanz,
lobet ich mit Föten und Saitenspiel,
lobet ihn mit Zimbeln,
lobet ihn mit klingenden Zimbeln.
Alles, was atmet, lobet den Herrn!
Halleluja"
Andor Iszak zur Entwicklung der liturgischen Musik im Judentum: "Ja. Nach Zerstörung des Tempels, hatten die Weisen Angst, sie könnten die ursprüngliche Heimat vergessen. Daher Verbot der Nachahmung des Tempels im Exil. Daher keine Musik nach der Zerstörung. Man wartete auf Neugestaltung. Erst im 18. Jahrhundert hat sie begonnen. "
Frage: Blickte man auf den christlich Gottesdienst als Vorbild?
"Ja, es war die Zeit und die Situation: Der Rabbiner nimmt Talar wie Pfarrer. Anstelle eines Kreuzes trägt er einen Davidstern. Die Synagoge wird attraktiver. Es existiert eine Sehnsucht nach Liturgie, nach Musik. Die deutsche synagogale Musik ist der Geburtsort der europäischen synagogalen Musik. Alles hat die Wurzeln in Deutschland. "
"Ein Lied geht um die Welt" -Auch das jüdische Musik?
Was also ist jüdische Musik? Ist es nicht einfach eine Musik, die für viele Juden wichtig ist, die sie emotional anrührt, mit deren Melodie oder Text sie sich identifizieren? Eine deutsche Filmmusik aus dem Jahr 1933 hatte eine solche Wirkung.
"Ein Lied geht um die Welt,
ein Lied, das Euch gefällt.
Die Melodie erreicht die Sterne,
jeder von uns hört sie so gerne.
Von Liebe singt das Lied,
von Treue singt das Lied,
und es wird nie verklingen,
man wird es ewig singen,
flieht auch die Zeit,
das Lied bleibt in Ewigkeit."
Gesungen hat diese Lied Joseph Schmidt, der aus einer gläubigen, jüdischen Familie stammte und in Berlin in den zwanziger Jahren eines Sammlung wunderbar gesungener Gebete aufnahm. Er wurde aus Deutschland vertrieben - und starb in einem Schweizer Flüchtlingslager. Auch der Komponist, Hans May, war Jude. Noch 1933 flüchtet er nach England.
Ist es dieses Wissen - oder ganz einfach das, was Giora Feidman die Schwingungen der Musik nennt, ihre Fähigkeit, Menschen zu verbinden? Doch hier sind auch die Worte wichtig.
"Ein Lied geht um die Welt,
ein Lied, das Euch gefällt.
Die Melodie erreicht die Sterne,
jeder von uns hört sie so gerne.
Von Liebe singt das Lied,
von Treue singt das Lied,
und es wird nie verklingen,
man wird es ewig singen,
flieht auch die Zeit,
das Lied bleibt in Ewigkeit."
Viele Juden in Nazi-Deutschland besaßen eine Schellackplatte mit diesem Lied - für sie - in ihrer Lage der Hoffnungslosigkeit - wurde das Lied zum Gebet, das alles beschrieb, was ihnen heilig und wichtig war, das ausdrückte, was ihnen niemand nehmen konnte, ihre Träume, ihre Hoffnungen, ihren Glauben. Und wenn sie auf Nichtjuden trafen - in diesem Dritten Reich - die dieses Lied ebenfalls mochten, dann wussten sie, diesem Menschen kannst du vertrauen:
Die neue jüdische Kunstmusik in Russland
Jascha Nemtsov: "Die jüdisch-religiöse Musik ist die Musik der Synagoge. Während jüdisch-nationale Musik nicht unbedingt einen religiösen Charakter haben muss. Sie ist entweder mit der jüdischen Folklore verbunden oder es ist die so genannte jüdische Kunstmusik. Es ist kein Zufall, dass die jüdische Kunstmusik in Osteuropa entstanden ist. Da liegen ihre Wurzeln. Ziemlich genau zeitlich zu definieren: 1908 wurde in St. Petersburg die Gesellschaft für Jüdische Volksmusik gegründet. Von diesem Zeitpunkt an beginnt die Entwicklung der jüdischen Kunstmusik. "
Frage: Was war das Ziel?
"Das Ziel war, irgendwas Jüdisches in der Musik zu entdecken und zu fördern. Das war etwas chaotisch. .... Andererseits hat man schon sich vorgestellt, jiddische Volksmusik zu sammeln. Erst später hat sich das herausgebildet, die Entwicklung eines nationalen Stils auf der Grundlage der jüdischen Tradition - sei es die synagogale Musik oder die Folklore. Man sammelte diese Tradition. Man sammelte die religiösen Lider, die jiddischen Lieder, und versuchte sie in europäische Musikformen zu integrieren. "
Frage: Hat die jüdische Schule der Musik Revolution, Stalinismus und Nazis überlebt?
"Dramatische Geschichte! Der erste Bruch kam mit der bolschewistischen Revolution, dann noch ein Jahrzehnt ungehindert weiterentwickelt. Der nächste Bruch kam um 1930, die Zeit des großen Umbruchs, der Beginn des militanten Stalinismus. Das traf auch die jüdische Musik. Die Gesellschaft wurde aufgelöst, die Musik wurde unterdrückt, durfte nicht mehr gespielt werden. Es war mit der Unterdrückung der jüdischen Religion verbunden und mit der Verfolgung des Zionismus."
Die Botschaft des Giora Feidman
Giora Feidman: " Juden, Deutsche, Christen, wir sitzen zusammen in einer Kirche. Dafür wurden wir geboren. Das hat nichts mit der Vergangenheit zu tun. Das ist die Gegenwart. Natürlich sollen wir die Vergangenheit nicht vergessen und wir werden sie unseren Kindern erzählen aber vor allem müssen wir ihnen die Gegenwart zeigen. Wie ist es möglich? In diesem Moment, wo wir hier zusammensitzen, gibt es 28 Kriege! Menschen ermorden sich in diesem Moment! Nun, ich bin sicher, ihr stimmt mit mir überein: es ist unsere Verantwortung, der Deutschen und der Juden, unsere Erfahrungen mit anderen Menschen zu teilen.
Ich lebe jetzt seit fast 50 Jahren in Israel. Sie meinen, die Intifada gäbe es seit einigen Jahren? Nein, es geht bereits seit 100 Jahren so, dass sich die Leute gegenseitig umbringen. Wir lange soll das noch andauern, bis die Menschen begreifen: Das ist keine Lösung! Im Gegenteil. Ja, es gibt Unterschiede, Probleme, bitte, schwere Probleme. Nun, setzen wir uns zusammen, wegen mir für Generationen. Warum? Weil wir nun einmal dort zusammenleben müssen. Das ist die Realität.
Matthias und ich möchten mit euch ein Lied teilen, nun ja, in Wirklichkeit sind es drei, ich nahm 3 verschiedene Melodien, das Deutschlandlied, die Nationalhymne Israels und die Nationalhymne der Palästinenser.
Ich habe sie ein wenig gemischt - ein Ton hierhin und dahin - ein bisschen gemischt. Passt auf, wenn wir die Noten vereinen, wie da was Wunderbares herauskommt. Das ist Musik! Sie zeigt uns die Schönheit der Einheit, des Friedens. Das müssen wir lernen! "
Ein Überblick über Giora Feidmans Konzerttermine:
Weitere Linktipps:
Umfangreiche Website mit Hintergründen, CD-Hinweisen und Noten (!)
Virtual Klezmer - unabhängig, werbefrei, kompromisslos
Hagalils Musik-Seiten: Nach einem offensichtlich rechtsextrem motivierten Hackerangriff bietet die weitgehend wieder rekonstruierte Seite viele Informationen zur gesamten Bandbreite der jüdischen Musik.
haGalil.com: Jüdische Musik
Sehr aufschlussreich und mit vielen Angaben zu den unterschiedlichen Klezmertraditionen ist die Seite von:
Wikipedia: Klezmer
Eine wahre Fundgrube für alle, die nach den Texten der Lieder stöbern wollen, bietet:
Klezmer-Musik: Texte
Zur innerjüdischen Kritik am Revival des Klezmer erschien 2003 ein aufschlussreicher Artikel in Der Zeit:
Der auserwählte Folk
Zum spannenden Thema des Einsatzes von Klezmer in der politischen Bildung und in derSchule, haben sich Forscher der Uni Oldenburg Gedanken gemacht und ihre Überlegungen ins Netz gestellt:
Klezmermusik - Jiddische Folklore und Weltmusik
Der Filmemacher Günter B. Ginzel kennt das Jüdische Museum seit seiner Entstehung. 2006 schaute er in einem Film hinter die Kulissen des "Betriebes". Phoenix: Die Vermittler - Das Jüdische Museum Berlin
Das Jüdische Museum Berlinbietet seinen Besuchern eine Reise durch zweitausend Jahre deutsch-jüdische Geschichte. In Bildern und Texten, mit Kunst- und Alltagsgegenständen, Medienstationen und interaktiven Elementen erzählt die historische Dauerausstellung von jüdischer Kultur in Deutschland und der schwierigen Beziehung zwischen Juden und Nichtjuden.
Das Jüdische Museum der Stadt Frankfurt am Main und seine Dependance Museum Judengasse am Börneplatz zeigen die historische Entwicklung und die religiöse Kultur der jüdischen Gemeinden in Frankfurt vom 12. bis zum 20. Jahrhundert
Klassic Klezmer für Klarinette
von Feidman, Giora;
GEH
Aus dem Repertoire von Giora Feidman. 17 Stücke. 32 S. Noten m. Akkordsymb.
2006 Pläne, D.
Giora Feidman Trio & Friends
KlezMundo
1 Audio-CD
von Feidman, Giora;
CD
Mit Guido Jäger, Jens U. Popp, Enrique Ugarte, Avi Avital, Raul Alvarellos u. Murat Coskuu.
2006 Pläne, D.
Klezmer Miniaturen für Piano
m. Audio-CD
von Matejko, Vahid;
2008 Alfred Publishing KDM
Irritationen und Widersprüche, aber sicher auch manch neue Erkenntnis, dürften nicht ausbleiben, wenn die Lange Nacht dem Phänomen Feidman nachgeht. Im Dialog mit Feidman selbst, in Kurzreportagen, im Gespräch mit seinen Kritikern und mit kundigen Studiogästen wird der Künstler Feidman vorgestellt, sein Werdegang geschildert, dem besonderen seines "Singens" (so Feidman über sein Spiel) nachgespürt. Und es gilt den Menschen Feidman zu entdecken, der in der dritten Generation Klezmer ist - in Argentinien geboren wurde, in Israel zu Hause ist und die meiste Zeit des Jahres in Deutschland lebt, wo er vor meist ausverkauften Häusern spielt.
Homepage von Giora Feidman
"Musik die aus der Seele kommt. Mit dem Zittern seiner Lippen drückt er die schönsten Melodien durch das Holz. Mit einem einzigen Atemzug lässt er unzählige Melodien erklingen." (FAZ)
Ein lebendiges Stück Musikgeschichte - zu Beginn des neuen Jahrzehnts. 40 Jahre nachdem Giora Feidman mit seiner Klarinette erstmals in die Welt hinauszog, erscheint dieses Attribut nicht übertrieben.
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Giora Feidman
Klezmer Celebration, 1 Audio-CD
CD
56 Min.. Beil.: Booklet (8 S.)
2010 Pianissimo
Giora Feidman
Du gehst, du sprichst, du singst, du tanzt
Erinnerungen.
2011 Pattloch
Geboren in Buenos Aires als Sohn eines Musikers, in den fünfziger Jahren nach Israel ausgewandert und seit vielen Jahren in der Welt zu Hause Giora Feidman ist ein Grenzgänger, vor allem in der Musik. Er hat mit Benny Goodman Jazz und mit Astor Piazzolla Tango gespielt; er ist in der Musik George Gershwins ebenso heimisch wie in der Wiener Klassik eines Mozart oder Schubert. Zur Legende geworden ist er allerdings als Interpret der traditionellen jüdischen Musik, des Klezmer.
In alldem wird deutlich: Giora Feidman ist mehr als ein Musiker er ist ein Botschafter der Versöhnung und des Friedens zwischen den Völkern und Religionen. Das beweist auch das hohe Ansehen, das er in Deutschland genießt. Er ist in den deutschen Konzertsälen ein ebenso regelmäßiger Gast wie auf den Kirchentagen, und vielen Menschen ist er unvergesslich als der Klarinettist, der den Erfolgsfilmen Schindlers Liste, Jenseits der Stille und Comedian Harmonists eine musikalische Stimme gab.
Zu Andor Iszak, dem Direktor des Europäischen Zentrums für Jüdische Musik in Hannover und der Arbeit des Instituts existiert eine aufschlussreiche Website:
Hochschule für Musik und Theater Hannover - Europäisches Zentrum für Jüdische Musik
Zu Jascha Nemtsov, seiner Arbeit und dem Thema der Neuen Jüdischen Schule in der Musik, wie sie im zaristischen Russland entstanden ist und sich bis zur Zerschlagung in der Zeit der Schoa entfaltet hat, existiert eine umfangreiche Website:
Jascha Nemtsov - Die Neue Jüdische Schule
Was heißt Klezmer?
Jascha Nemtsov: "Klezmer ist ein sehr alter Begriff: kli-zemer, ein Instrument für Melodie. Jüdische Volksmusikanten gab es schon im Mittelalter. Und die Klezmermusik ist stilistisch eine unglaubliche Mischung. Die Klezmermusiker waren unglaublich offen für alle möglichen Einflüsse. Das ist die Starke der Musik, dass sie nicht auf ein spezielles Repertoire beschränkt waren. Sie arbeiten genauso mit jüdischen Liedern und Tänzen, aber auch mit ukrainischen, ungarischen, südslawischen, moldawischen. Also es ist eine unglaubliche Mischung. Es ist ungerechtfertigt, Klezmer als Inbegriff der jüdischen Musik zu bezeichnen. Die haben einen oberflächlichen folkloristischen Touch, dass man sie gleich erkennt, dass man mit Klischees arbeiten kann. Dies Musik ist auch sehr gefällig. Und gerade die Tatsache, dass sie nicht speziell jüdisch ist, bedingt auch ihre Zugänglichkeit, ihre Gefälligkeit."
Beispiele aus der Sendung:
Der Klezmer weint, der Klezmer lacht? Ja und Nein. Zu einfach, zumindest, soweit es Giora Feidman betrifft. Sein Klezmer hat sich losgelöst, quasi verselbstständigt. Das wurde mir an einem sommerlichen Tag in Jerusalem deutlich. Giora nahm mich mit nach Mea Schearim, in das ultraorthodoxe Viertel von Jerusalem. Wobei "orthodox" nicht ganz zutreffend ist: Hier hat sich die Welt des Stedtels erhalten - quasi ein freiwilliges Getto im jüdischen Staat.
Giora Feidman: "Das ist eine Gesellschaft in einer Gesellschaft. Und die Regeln in beiden Gesellschaften haben die gleichen Wurzeln. Es gibt eine Tora, eine Bibel, ein Schophar, ein Widderhorn, und eine Fahne. Was Tora und Schophar betrifft, stimmen wir überein, aber in Bezug auf die Flagge haben wir ein Problem, sie haben ein Problem: Einerseits können sie Israel nicht ignorieren, andererseits ignorieren sie den Staat Israel, denn der Messias ist noch nicht gekommen. Das Problem der Orthodoxie in Israel geht sehr tief. Dabei ist Israel eine absolut liberale Gesellschaft. Mea Schearim ist nicht meine Welt. Ich respektiere sie. Ich kenne sie recht gut und sie empfangen mich überaus freundlich - ich kann in Mea Schearim ohne die vorgeschrieben Kopfbedeckung gehen, nicht aber ohne Klarinette. Das ist unser Verhältnis. In gewisser Weise trennt Religion die Menschen. Nicht aber die Musik."
Feidman - und die Religion
Giora Feidman: "Ich gebe während des Jahres - ich weiß nicht wie viele - Konzerte in Kirchen. Ich bewundere Jesus, den Propheten und Lehrer, und wenn ich eine Kirche betrete - ich sag es offen - fühle ich mich zu Hause - nicht weniger als in einer Synagoge. Und wenn ich mich an einer heiligen Stätte des Islam befinde, fühle ich mich zu Hause. Für mich ist der Tempel ein Heim, in dem ich mit mir selbst arbeiten kann. In jedem Tempel."
Giora Feidman antwortet seinen Kritikern: "Nun, wenn man auf die Bühne geht, ist man für Kritik offen. Bitte, sie bezahlen keine Steuer, aber sie kritisieren. Wenn ich etwas aus der Kritik lernen könnte, ja, ich lerne und ich könnte sagen: Vielen Dank, aber wenn sie eine Sache wie Musik nehmen um Menschen auseinander zu bringen - ja , ich kenne diese Kritiker, eine Gruppe von Menschen die irgendwie zu überleben versucht: Doch, erstens, jeder Mensch auf diesem Planeten ist ein Klezmer, ein Instrument des Gesangs, nur:
Wenn sie sagen: die Musik, der Klezmer, ist nur für Juden - dann ist Pizza nur für Italiener. Die Menschen, die mich kritisieren, weil ich in Deutschland spiele oder weil ich vor dem Papst gespielt habe, diese Menschen, fahren sie keinen Mercedes? Doch stopp hier. Musik ist heilig. Eine heilige Sprache, beschmutzt sie nicht mit Hass, mit Separation. Wir haben keine Alternative: Wir sind doch eine Familie. Keine Alternative. Keine andere Familie."
Musik im Tempel vor 3000 Jahren
Psalm 150
"Lobet Gott in seinem Heiligtum,
...
Lobet ihn mit dem Schall der Hörner,
lobet ihn mit Harfe und Zitter,
lobet ihn mit Pauken und Tanz,
lobet ich mit Föten und Saitenspiel,
lobet ihn mit Zimbeln,
lobet ihn mit klingenden Zimbeln.
Alles, was atmet, lobet den Herrn!
Halleluja"
Andor Iszak zur Entwicklung der liturgischen Musik im Judentum: "Ja. Nach Zerstörung des Tempels, hatten die Weisen Angst, sie könnten die ursprüngliche Heimat vergessen. Daher Verbot der Nachahmung des Tempels im Exil. Daher keine Musik nach der Zerstörung. Man wartete auf Neugestaltung. Erst im 18. Jahrhundert hat sie begonnen. "
Frage: Blickte man auf den christlich Gottesdienst als Vorbild?
"Ja, es war die Zeit und die Situation: Der Rabbiner nimmt Talar wie Pfarrer. Anstelle eines Kreuzes trägt er einen Davidstern. Die Synagoge wird attraktiver. Es existiert eine Sehnsucht nach Liturgie, nach Musik. Die deutsche synagogale Musik ist der Geburtsort der europäischen synagogalen Musik. Alles hat die Wurzeln in Deutschland. "
"Ein Lied geht um die Welt" -Auch das jüdische Musik?
Was also ist jüdische Musik? Ist es nicht einfach eine Musik, die für viele Juden wichtig ist, die sie emotional anrührt, mit deren Melodie oder Text sie sich identifizieren? Eine deutsche Filmmusik aus dem Jahr 1933 hatte eine solche Wirkung.
"Ein Lied geht um die Welt,
ein Lied, das Euch gefällt.
Die Melodie erreicht die Sterne,
jeder von uns hört sie so gerne.
Von Liebe singt das Lied,
von Treue singt das Lied,
und es wird nie verklingen,
man wird es ewig singen,
flieht auch die Zeit,
das Lied bleibt in Ewigkeit."
Gesungen hat diese Lied Joseph Schmidt, der aus einer gläubigen, jüdischen Familie stammte und in Berlin in den zwanziger Jahren eines Sammlung wunderbar gesungener Gebete aufnahm. Er wurde aus Deutschland vertrieben - und starb in einem Schweizer Flüchtlingslager. Auch der Komponist, Hans May, war Jude. Noch 1933 flüchtet er nach England.
Ist es dieses Wissen - oder ganz einfach das, was Giora Feidman die Schwingungen der Musik nennt, ihre Fähigkeit, Menschen zu verbinden? Doch hier sind auch die Worte wichtig.
"Ein Lied geht um die Welt,
ein Lied, das Euch gefällt.
Die Melodie erreicht die Sterne,
jeder von uns hört sie so gerne.
Von Liebe singt das Lied,
von Treue singt das Lied,
und es wird nie verklingen,
man wird es ewig singen,
flieht auch die Zeit,
das Lied bleibt in Ewigkeit."
Viele Juden in Nazi-Deutschland besaßen eine Schellackplatte mit diesem Lied - für sie - in ihrer Lage der Hoffnungslosigkeit - wurde das Lied zum Gebet, das alles beschrieb, was ihnen heilig und wichtig war, das ausdrückte, was ihnen niemand nehmen konnte, ihre Träume, ihre Hoffnungen, ihren Glauben. Und wenn sie auf Nichtjuden trafen - in diesem Dritten Reich - die dieses Lied ebenfalls mochten, dann wussten sie, diesem Menschen kannst du vertrauen:
Die neue jüdische Kunstmusik in Russland
Jascha Nemtsov: "Die jüdisch-religiöse Musik ist die Musik der Synagoge. Während jüdisch-nationale Musik nicht unbedingt einen religiösen Charakter haben muss. Sie ist entweder mit der jüdischen Folklore verbunden oder es ist die so genannte jüdische Kunstmusik. Es ist kein Zufall, dass die jüdische Kunstmusik in Osteuropa entstanden ist. Da liegen ihre Wurzeln. Ziemlich genau zeitlich zu definieren: 1908 wurde in St. Petersburg die Gesellschaft für Jüdische Volksmusik gegründet. Von diesem Zeitpunkt an beginnt die Entwicklung der jüdischen Kunstmusik. "
Frage: Was war das Ziel?
"Das Ziel war, irgendwas Jüdisches in der Musik zu entdecken und zu fördern. Das war etwas chaotisch. .... Andererseits hat man schon sich vorgestellt, jiddische Volksmusik zu sammeln. Erst später hat sich das herausgebildet, die Entwicklung eines nationalen Stils auf der Grundlage der jüdischen Tradition - sei es die synagogale Musik oder die Folklore. Man sammelte diese Tradition. Man sammelte die religiösen Lider, die jiddischen Lieder, und versuchte sie in europäische Musikformen zu integrieren. "
Frage: Hat die jüdische Schule der Musik Revolution, Stalinismus und Nazis überlebt?
"Dramatische Geschichte! Der erste Bruch kam mit der bolschewistischen Revolution, dann noch ein Jahrzehnt ungehindert weiterentwickelt. Der nächste Bruch kam um 1930, die Zeit des großen Umbruchs, der Beginn des militanten Stalinismus. Das traf auch die jüdische Musik. Die Gesellschaft wurde aufgelöst, die Musik wurde unterdrückt, durfte nicht mehr gespielt werden. Es war mit der Unterdrückung der jüdischen Religion verbunden und mit der Verfolgung des Zionismus."
Die Botschaft des Giora Feidman
Giora Feidman: " Juden, Deutsche, Christen, wir sitzen zusammen in einer Kirche. Dafür wurden wir geboren. Das hat nichts mit der Vergangenheit zu tun. Das ist die Gegenwart. Natürlich sollen wir die Vergangenheit nicht vergessen und wir werden sie unseren Kindern erzählen aber vor allem müssen wir ihnen die Gegenwart zeigen. Wie ist es möglich? In diesem Moment, wo wir hier zusammensitzen, gibt es 28 Kriege! Menschen ermorden sich in diesem Moment! Nun, ich bin sicher, ihr stimmt mit mir überein: es ist unsere Verantwortung, der Deutschen und der Juden, unsere Erfahrungen mit anderen Menschen zu teilen.
Ich lebe jetzt seit fast 50 Jahren in Israel. Sie meinen, die Intifada gäbe es seit einigen Jahren? Nein, es geht bereits seit 100 Jahren so, dass sich die Leute gegenseitig umbringen. Wir lange soll das noch andauern, bis die Menschen begreifen: Das ist keine Lösung! Im Gegenteil. Ja, es gibt Unterschiede, Probleme, bitte, schwere Probleme. Nun, setzen wir uns zusammen, wegen mir für Generationen. Warum? Weil wir nun einmal dort zusammenleben müssen. Das ist die Realität.
Matthias und ich möchten mit euch ein Lied teilen, nun ja, in Wirklichkeit sind es drei, ich nahm 3 verschiedene Melodien, das Deutschlandlied, die Nationalhymne Israels und die Nationalhymne der Palästinenser.
Ich habe sie ein wenig gemischt - ein Ton hierhin und dahin - ein bisschen gemischt. Passt auf, wenn wir die Noten vereinen, wie da was Wunderbares herauskommt. Das ist Musik! Sie zeigt uns die Schönheit der Einheit, des Friedens. Das müssen wir lernen! "
Ein Überblick über Giora Feidmans Konzerttermine:
Weitere Linktipps:
Umfangreiche Website mit Hintergründen, CD-Hinweisen und Noten (!)
Virtual Klezmer - unabhängig, werbefrei, kompromisslos
Hagalils Musik-Seiten: Nach einem offensichtlich rechtsextrem motivierten Hackerangriff bietet die weitgehend wieder rekonstruierte Seite viele Informationen zur gesamten Bandbreite der jüdischen Musik.
haGalil.com: Jüdische Musik
Sehr aufschlussreich und mit vielen Angaben zu den unterschiedlichen Klezmertraditionen ist die Seite von:
Wikipedia: Klezmer
Eine wahre Fundgrube für alle, die nach den Texten der Lieder stöbern wollen, bietet:
Klezmer-Musik: Texte
Zur innerjüdischen Kritik am Revival des Klezmer erschien 2003 ein aufschlussreicher Artikel in Der Zeit:
Der auserwählte Folk
Zum spannenden Thema des Einsatzes von Klezmer in der politischen Bildung und in derSchule, haben sich Forscher der Uni Oldenburg Gedanken gemacht und ihre Überlegungen ins Netz gestellt:
Klezmermusik - Jiddische Folklore und Weltmusik
Der Filmemacher Günter B. Ginzel kennt das Jüdische Museum seit seiner Entstehung. 2006 schaute er in einem Film hinter die Kulissen des "Betriebes". Phoenix: Die Vermittler - Das Jüdische Museum Berlin
Das Jüdische Museum Berlinbietet seinen Besuchern eine Reise durch zweitausend Jahre deutsch-jüdische Geschichte. In Bildern und Texten, mit Kunst- und Alltagsgegenständen, Medienstationen und interaktiven Elementen erzählt die historische Dauerausstellung von jüdischer Kultur in Deutschland und der schwierigen Beziehung zwischen Juden und Nichtjuden.
Das Jüdische Museum der Stadt Frankfurt am Main und seine Dependance Museum Judengasse am Börneplatz zeigen die historische Entwicklung und die religiöse Kultur der jüdischen Gemeinden in Frankfurt vom 12. bis zum 20. Jahrhundert
Klassic Klezmer für Klarinette
von Feidman, Giora;
GEH
Aus dem Repertoire von Giora Feidman. 17 Stücke. 32 S. Noten m. Akkordsymb.
2006 Pläne, D.
Giora Feidman Trio & Friends
KlezMundo
1 Audio-CD
von Feidman, Giora;
CD
Mit Guido Jäger, Jens U. Popp, Enrique Ugarte, Avi Avital, Raul Alvarellos u. Murat Coskuu.
2006 Pläne, D.
Klezmer Miniaturen für Piano
m. Audio-CD
von Matejko, Vahid;
2008 Alfred Publishing KDM