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Spielball der Sportpolitik

Nächste Woche tritt der neue Aufsichtsrat der Nationalen Antidoping-Agentur NADA erstmals zusammen.

Von Grit Hartmann | 12.03.2011
    Überschattet wird, was eigentlich als Reform der NADA-Struktur angekündigt war, vom Rücktritt der kommissarischen Geschäftsführerin Anja Berninger. Die Hintergründe lichten sich nur langsam, Gerüchte machen die Runde. Zum Beispiel, dass Bernhard Schwank zur NADA wechselt.

    "Das ist alles völlig aus der Luft gegriffen", mailt Bernhard Schwank, der Geschäftsführer der Bewerbungsgesellschaft München 2018. Und Christian Klaue, Sprecher des Deutschen Olympischen Sportbundes, sagt:

    "An dieser angeblichen Personalie ist absolut nichts dran. Da gibt es kein Fünkchen Wahrheit."

    Ein Gerücht also verknüpfte dieser Tage die beiden wohl wichtigsten Baustellen im deutschen Sport und spiegelte eines seiner Grundprobleme: fehlende Transparenz. Die Spitze der Olympia-Bewerbergesellschaft – sie erstaunte kürzlich das IOC mit Beschönigendem zum Grundstücksstreit in Garmisch – werde umbesetzt, hieß es. Auf Schwanks Posten, wurde kolportiert, rücke Michael Vesper, der redegewandte DOSB-General. Schwank wiederum ziehe als Vorstandsvorsitzender in die Nationale Antidoping-Agentur ein.

    Dort ist derzeit bekanntlich ein Desaster zu besichtigen. Eigentlich wird die NADA nur verschlankt: Die Geschäftsführung übernimmt ein hauptamtlicher Vorstand; der bisher ehrenamtliche Vorstand entfällt; ein Aufsichtsrat tritt an Stelle des Kuratoriums. Doch vor zwei Wochen gab Anja Berninger, vierte in der Reihe der NADA-Geschäftsführer und angeblich allseits geschätzt, entnervt auf. Zuletzt trieb sie voran, was anderswo längst zur glaubwürdigen Dopingbekämpfung gehört: Sie zog die Verantwortung für Sanktionen gegen Doper auf den Tisch der NADA, weg von den Verbänden. Aus einer ersten Ausschreibung für einen der beiden neuen Vorstandsposten ging Berninger als Favoritin hervor. Dann aber trat der so genannte Präsidialausschuss in Aktion. Jenes Küchenkabinett, wie die "Frankfurter Rundschau" treffend formulierte, das aus nur vier Personen besteht: Kuratoriumsvorsitzender Hanns Michael Hölz, Banker und im Skiverband als Ehrenamtler verankert, DOSB-General Vesper, Sportausschusschefin Dagmar Freitag, zugleich Vize des Leichtathletikverbandes, und der Sportabteilungsleiter im Bundesinnenministerium Gerhard Böhm. Der Ausschuss schaltete Headhunter ein, formal begründete er dies mit einer unzulänglichen Ausschreibung. Berninger begriff es als Misstrauensvotum.

    Der neue Aufsichtsrat wird deshalb eine Übergangslösung präsentieren: Wie der Deutschlandfunk erfuhr, übernimmt Martin Nolte als kommissarischer Vorstandschef. Auch der Jura-Professor, derzeit im Urlaub im Pazifik erreichbar, wurde von den Ereignissen überrascht:

    "Das ganze Bewerbungsverfahren ist ja weitgehend am Vorstand vorbeigegangen. Ich hatte überhaupt keinen Fuß in der Tür - dieses Hin und Her und Zick und Zack, wie das Ganze gelaufen ist."

    Nolte, Noch-Inhaber des von der Telekom gestifteten Lehrstuhls für Sportrecht an der Uni Kiel, steht eigentlich vor dem Wechsel an die Kölner Sporthochschule:

    "Ich war auch sehr zögerlich, auch mit der Übernahme dieser Übergangstätigkeit. Weil einfach in den letzten Wochen und Monaten natürlich doch einiges hin und her gegangen ist, und gerade auch in den Medien. Da wollte ich natürlich überhaupt nicht, auch nicht ansatzweise, in den Verdacht kommen, ich wäre interessiert daran, hauptamtlicher Vorstand der NADA zu werden. Ich kann mir alles vorstellen – aber das nicht."

    Bisher leitete Nolte im NADA-Vorstand die Arbeitsgruppe Recht. Mit seinen Positionen, etwa gegen ein Antidopinggesetz, steht er zumeist an der Seite der Sportfunktionäre – was ihn durchaus mit den anderen Akteuren in den NADA-Gremien verbindet. Auch die jüngste Rochade zeigt eine Stiftung, die das Etikett der "Unabhängigkeit" trägt, tatsächlich jedoch als Filiale des Sports gelten kann. Mehr noch: Die NADA ist offenbar auch ein Spielball persönlicher Eitelkeiten.

    "Viele Alphatiere, die ihre Politik mit reinbringen wollen. Und das ist unheimlich schwer, das dann auszutarieren."

    Kuratoriumschef Hölz wurden eigene Ambitionen auf den Vorstandsposten nachgesagt. Die Rede war von einer Intrige gegen Berninger. Er dementierte. Diese Deutung dürfte auch zu kurz greifen. Denn viel spricht dafür, dass Hölz im Einvernehmen handelte: Würde er sonst Vorsitzender des neuen Aufsichtsrates? So ist bisher der Stand.

    Wohin treibt die NADA? Der Berninger-Rücktritt lieferte Hinweise: Eine "Krise" sei das nicht, behaupteten die Beteiligten unisono. Die NADA habe nur ein Imageproblem, ansonsten laufe alles prima. Sie wissen es besser: Im Herbst verhandelte der Präsidialausschuss geheim darüber, warum die Trainingskontrollen keineswegs so intelligent sind, wie die Öffentlichkeit glauben soll. Zwei unschöne Wahrheiten stecken dennoch in diesen Statements. Die erste: Es geht vor allem um die Wahrung des Scheins. Die zweite: Das Kartell aus Spitzensport und Politik wird das Problem nicht lösen. Denn eine instabile NADA ist kein Problem.