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Spiele statt Brot

Mit Finanzhilfen lassen sich nicht nur Banken retten, auch bei Fußballclubs können Kommunen ein Interesse daran haben, eine Pleite zu vermeiden. Juristisch sind solche Beihilfen jedoch umstritten, und politisch sind sie das in Zeiten leerer Stadtsäckel erst recht.

Von Heinz-Peter Kreuzer | 10.06.2010
    "Tausend Freunde, die zusammenstehen, der FC Schalke wird nie untergehen", heißt es im Vereinslied. Freunde hat der Fußballclub - bis hoch in die Schlüsselpositionen der Politik. Als der Traditionsverein im Herbst 2009 finanziell am Ende war, rettete ihn die Gesellschaft für Energie und Wirtschaft GEW. Diese hundertprozentige Tochter der Stadt Gelsenkirchen kaufte für 15 Millionen Euro Anteile am Stadion der Schalker. Zusätzlich gewährten GEW und Stadtsparkasse Gelsenkirchen Kredite von jeweils fünf Millionen Euro. Macht unterm Strich 25 Millionen Euro, mit denen der Club seine Finanzlöcher stopfen und den Verkauf von Profis vermeiden konnte. Dabei hatte der Bundesligist seine Notlage selbst verschuldet. Der Stadionbau, teure Transfers und überhöhte Gelder hatten den "Knappen" ein Minus im dreistelligen Millionenbereich beschert. Da der sportliche Erfolg über Jahre ausblieb, fehlten die Einnahmen aus den internationalen Wettbewerben. So blieb nur das Betteln um öffentliche Gelder.

    Das städtische Sponsoring für Fußballvereine aber wird unterschiedlich bewertet. Rechtsanwalt Andrés Martin-Ehlers hat lange in Brüssel gearbeitet, er gilt als Experte für Beihilfe-Recht. Er spricht von unerlaubten staatlichen Beihilfen. Ähnlich sieht es die Detmolder Regierungspräsidentin Marianne Thomann-Stahl. Dort kam Arminia Bielefeld auch in den Genuss eines kommunalen Darlehens:

    "Ein Fußballclub, gerade ein Profi-Fußballclub, ist ja ein Wirtschaftsunternehmen. Und sowohl nach EU-Recht als auch nach unserer Gemeindeordnung ist es nicht zulässig, diese durch eine direkte Zahlung oder eine Bürgschaft zu unterstützen."

    Ihre Kollegen in Köln und Münster sehen das anders. Der Kölner Regierungspräsident Hans Peter Lindlar hat der Stadt Aachen, der Münsteraner Regierungspräsident Peter Paziorek, der Stadt Gelsenkirchen die Finanzspritzen für die notleidenden Profivereine genehmigt. Dass Paziorek Mitglied im Ehrenrat von Schalke ist, sei an dieser Stelle nur erwähnt. Aachen und Gelsenkirchen sind keine vermögenden, sondern hoch verschuldete Städte, die beide unter Finanzaufsicht des jeweiligen Regierungspräsidiums stehen.

    "Auf der einen Seite bleibt uns ja nichts anderes übrig, als weiter Schulden zu machen. Weil die Summe, das Defizit, in diesem Jahr prognostizieren wir ein Defizit von ungefähr 100 Millionen, im letzten Jahr hatten wir 190 Millionen Defizit. Das lässt sich durch Einschränkungen ja gar nicht kompensieren."

    sagte Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski im März im Deutschlandradio. Tenor des Interviews: Seine Stadt muss sparen und der Bürger wird es spüren: Die Öffnungszeiten von Stadtteilbibliotheken und Bürger-Centern sollen reduziert, die Grundsteuer soll angehoben werden.
    Der Profifußball bleibt ausgeklammert und wird - trotz klammer Haushaltskasse - sogar subventioniert. Denn Fußball ist populär und garantiert Wählerstimmen. Als Baranowski zur Oberbürgermeisterwahl antrat, warb er unter anderem mit seiner Liebe zu Schalke 04.

    Wie in Gelsenkirchen Schalke wurde auch in Aachen dem Zweitligisten Alemannia geholfen. Der Stadtrat bewilligte eine Bürgschaft in Höhe von drei Millionen Euro, um 80 Prozent eines Kredites abzusichern. Eine Finanzlücke von 3,75 Millionen Euro musste der Verein schließen, um sich die Lizenz für die kommende Spielsaison zu sichern. Oberbürgermeister Marcel Philipp macht keinen Hehl aus seiner Zwickmühle. Einerseits muss auch er sparen, andererseits hat die Stadt im Umfeld des Stadions viel in die Infrastruktur investiert, unter anderem für 13 Millionen Euro ein Parkhaus gebaut:

    "Wir haben vor Jahren die Entscheidung getroffen, dass wir investieren, dass wir im Umfeld des Stadions viel Geld ausgeben, das alles zu ermöglichen. Dass wir aber auch sehen müssen, dass laufende Einnahmen mit der Alemannia verbunden sind, die unmittelbar der Stadt zugutekommen, aus Erbpachterträgen, bis hin zur Parkhausgesellschaft. All diese Einnahmen müssen wir als Stadt auch sichern."

    Trotz der Bürgschaft hatte die Alemannia große Probleme, einen Kreditgeber über die fehlenden 3,75 Millionen Euro zu finden. Bei den Bürgern sind die Meinungen zum Engagement der Stadt geteilt.

    "Meiner Meinung nach ist es im Prinzip schon richtig, weil die Alemannia gehört schon zur Kultur und zur Stadt Aachen. Nur damit, dass sie sich mit dem Stadion übernommen haben, mit der Finanzierung und dem Geld halt, sind sie schon ein bisschen selbst dran schuld. Weil sie auch nicht gerade einen erfolgreichen Fußball spielen, um sich das Geld wieder hereinzuspielen."

    "Ich finde das nicht gut. Ich finde, dass die Vereine selbst verantwortlich für ihr finanzielles Handeln sein sollten."

    Die Beispiele Schalke und Aachen zeigen, dass die Finanzkonzepte der als Unternehmen agierenden Vereine sehr knapp kalkuliert sind. Bleiben Sponsorzahlungen aus, fehlen die Reserven um laufende Verpflichtungen einzuhalten. Nur mit großen Schwierigkeiten können sie vor Beginn der Saison die von der Deutschen Fußball-Liga DFL geforderte finanzielle Liquidität nachweisen. Viele Vereine geben schon die Gelder der kommenden Jahre aus. Schalke etwa hat die Zuschauereinnahmen, den Ausrüstervertrag mit Adidas und die Gelder von Trikotsponsor Gazprom auf Jahre hinaus verpfändet. Bei der DFL sieht man dieses Finanzgebaren mit großer Sorge. Geschäftsführer Christian Seifert:

    "Gleichwohl ist der Profi-Fußball und sind die Akteure in den Clubs aber auch in den Gremien, die es ja auch da gibt, aufgefordert, gesundes, wirtschaftliches Handeln an den Tag zu legen. Was sicherlich ab und an schwierig ist, mit dem großen, öffentlichen und medialen Druck. Und vor dem Hintergrund gilt es den Spagat zu finden, zwischen der großen Emotionalität des Fußballs, die sicherlich seine Stärke ausmacht, und auf der anderen Seite natürlich die Risiken, die damit einhergehen, wenn man nicht nach den vier Grundrechenarten arbeitet."

    Die Folge des teilweise unseriösen Geschäftsgebarens: Wenn die Clubfinanzen ins Wanken geraten, rufen die Vereinsbosse nach Hilfe durch die öffentliche Hand. Dass sie meist kurz vor Ende des Lizenzierungsverfahrens um finanzielle Rettung bitten, erhöht zusätzlich den Druck. In Zukunft will die DFL einen langfristigen Finanzplan verlangen, die neuen Regeln soll eine Kommission im Eilverfahren erarbeiten. In Zukunft soll das Motto lauten: Nicht mehr ausgeben, als man einnimmt.